Als 1952 „Singin’ in the Rain“ in den USA ins Kino kam, war das Musikstück bereits sehr bekannt. Nun jährt es sich zum 70 Jahre „Singin‘ in the Rain“ Jubiläum. Schon 1929 schrieben Arthur Freed (The Wizard of Oz) und Ignacio Herb Brown diesen Song. Dieser fungierte dann knapp 25 Jahre später als Titelmelodie und Kernstück dieses leichten und charmant selbstironischen Musicals mit Gene Kelly, Debbie Reynolds und Donald O’Connor in den Hauptrollen.
Es ist nicht nur irgendein Musical aus den 50ern, mit viel zu langen Plansequenzen oder schrillen Kostümen und Musikstücken ohne weitere Bedeutung. Es ist vornehmlich ein Tanzfilm, Stepptanz um ganz genau zu sein. Man kann absolut eindrucksvolle Szenen bestaunen, die Gene Kelly als Hauptdarsteller, Co-Regisseur, Sänger und Choreograph dieses Films dort zeigt. Mit knapp 100 Minuten Spielzeit, den subtilen Witzen, vielen schönen Plansequenzen des Regisseurs Stanley Donen und seiner schlageresken amerikanischen Musik lässt sich dieser Film als gemütliches Samstagabendprogramm bei Regen genießen.
Die ganz alte Schule
Der Film behandelt selbstreferenziell die Frühphase des Tonfilms. Gene Kelly spielt den Stummfilm-Star Don Lockwood, der mit seiner Kollegin Lina Lamont wunderbar gespielt von Jean Hagen den Sprung zum „Talkie“ schaffen muss. Das Erscheinen des „ersten Tonfilms“ mit dem Titel „The Jazz Singer“ sorgt in Hollywood für Furore. Auf dieser Welle will das Filmstudio mitschwimmen. Das einzige Problem soll die Stimme und die Ausdrucksform der Darstellerin Lina Lamont sein. Ihre Stimme stellt sich als schrill und quietschig heraus, zudem sie anscheinend auch nicht die hellste Birne im Kronleuchter zu sein scheint.
Natürlich kommt ein Hollywood-Streifen nicht ohne eine ordentliche Liebesgeschichte aus. Don Lockwood verliebt sich in eine junge Frau, die ihm eingehends die Leviten liest.
„If you’ve seen one, you’ve seen them all.“
Debbie Reynolds alias Kathy Selden, „Singin‘ in the Rain“ (1952)
sagt sie und macht drei klischeehafte Stummfilmgesten. Womit sie nicht ganz unrecht hat, wenn man sich noch heute einige Filmgenres ansieht. Doch diese Begegnung lässt den tanzenden und singenden Helden Don nicht mehr los. Umso größer die Freude, als sie endlich wieder aufeinandertreffen.
Hingegen die 50er Jahre nicht unbedingt für eine Gleichstellung der Geschlechter bekannt sind, präsentiert uns dieser Film willensstarke und eigenständige Frauen. Natürlich ist es vor dem Hintergrund heutiger Rollenkonzepte ein alter Film, der in einigen wenigen Szenen doch sein konservatives und gelegentlich fragwürdiges Gesicht zeigt.
Ikonische Choreographien
Eines ist allerdings sicher. Es ist extrem Schade, dass Stepptanz nur noch eine Nische ist. Die wahnsinnig eindrucksvollen Tanzszenen nehmen einen mit. Die rhythmische Ausgestaltung der Musik, die großen Bewegungen, das Spiel mit der Kulisse und auch die für die Handlung des Films metaphorischen Darbietungen sind wundervoll. Sollte man selber mal in die Versuchung gekommen sein das Steppen zu erlernen, weiß man sofort wie unfassbar anstrengend und schwer die gezeigten Choreographien wirklich sind. Es sieht einfach alles so leicht aus, so unkompliziert. Der Film nutzt zudem bereits etablierte komödiantische Mittel („Floor Spin“ by Curly Howard), die widerum Jahre später in solch Serien wie den Simpsons als Gag verwendet werden.
Diese Tonalität des Leichten und Unbeschwerten macht den Charme dieses Films aus. Es ist allerdings auch nicht gerade verwunderlich, dass wenige Jahre nach einem Weltkrieg Filme leichterer Natur produziert wurden. So lassen sich auch die Musikstücke einordnen. Sie sind unverfänglich, etwas kitschig und doch auch mit gewissem Ohrwurm-Potential versehen. Die sinfonischen und Big-Band Arrangements werden von den Darstellern mit ihrem Spiel und den Tänzen fabelhaft ausgestaltet. Nahezu jeder Ton und jeder Akzent bekommt eine Bedeutung und Bewegung. Etwas, das man in heutigen Filmen, gar Musicals ein wenig vermisst. Das ganz direkte Zusammenspiel aus Bild/Bewegung und Ton/Musik.
Wirken bis ins Heute
Wer kennt sie nicht, die bekannteste aller bekannten Szenen dieses Films? Spätestens nachdem die VW-Werbekampagne mit einem Remix des Titelsongs durchs TV waberte, knüpften sich Assoziationen. Etwas kann dieser Film sehr gut. Die kleinen Situationen und Phrasen des Alltags mit einem schmissigen Lied im Kopf verankern. Denke man an so Titel wie „Good Morning“ und den Zungenbrecher aus „Moses Supposes“ (adaptiert in „Silver Linings“) oder einfach das Titellied, wenn man mal wieder durch den Regen läuft.
Viele der Stücke sind im Übrigen auch ihrerseits Adaptionen von Musicalsongs aus den 30ern. Zu nennen sind „The Broadway Melody“ (1929), „The Hollywood Revue of 1929“ (1929), „Going Hollywood“ (1933), „Babes in Arms“ (1939) und „Broadway Melody of 1936“ (1935). So verwundert es nicht großartig, dass der Film es mittlerweile als eigenständiges Musical wieder zurück auf den Broadway geschafft hat, auch inklusive viel Regens und großen Ensembles auf der Bühne.
Wo sehen?
Das ist wirklich eine Herausforderung diesen Film irgendwo zu sehen. Als DVD’s noch ein Ding waren, gab es gelegentlich eine Special-Edition mit Making-Of und Behind-The-Scenes Material. Dieser Tage muss man sich entweder bei HBO Max einmieten oder diesen Film auf AmazonPrime ausleihen. Natürlich ist der Film auch noch als Blu-Ray oder DVD erhältlich. Schade für das Werk ist, dass das Original mal bei einem Brand zerstört worden sein soll. Somit die Digitalisierung nicht ganz so viel Hochglanzoptik bieten kann, wie man es von anderen Filmen der 50er oder 60er kennen mag.
So oder so ist und bleibt „Singin’ in the Rain“ ein mehr als sehenswerter, witziger und irgendwie auch einzigartiger Film. Ein Tanzspektakel, das von illustren Liedern untermalt wird und gleichzeitig einen Einblick in den Wandel der US-Filmindustrie in den späten 20er Jahren zeigt. Sehr große Empfehlung an alle Musical-Freunde und Entdecker alter US-amerikanischer Filme.