Ein fundamentales Event der Avengers Historie hat nochmal den Weg in die Regale gefunden. Die in zwei Bänden abgeschlossene und von Kurt Busiek geschriebene Event-Serie wurde vom Panini Verlag neu aufgelegt. Wegen der stetig wachsenden Comic-Bezüge des MCU werden auch zunehmend ältere Comics wieder auf den Markt gebracht und auch für neue Leser:innen interessant.
Dieser zweite Band von „Avengers: Die Kang-Dynastie“ gehört zweifelsohne zu einer der beliebtesten und wichtigsten Handlungsbögen aus der Geschichte der Avengers. Der Hauptzeichner dieser zweiten Ausgabe ist Kieron Dwyer, dessen fünf gezeichnete Hefte von Brent Anderson, Ivan Reis und Patrick Zircher mit einzelnen Heften komplementiert werden. Einige mittlerweile namhafte Zeichner und Autoren tuschten noch in dieser Ausgabe. Zu nennen sind Rick Remender, Tom Palmer, Scott Koblish und Randy Emberlin. Die Farben steuerte Tom Smith bei.
Kapitulation, Schuld und Sinnkrisen
Nach der dramatischen Ausgangslage des vorigen Bands spitzt sich die Situation nur noch weiter zu. Die von der US-Regierung in Eile erstellte Gegenoffensive mithilfe zahlreicher Sentinels scheitert katastrophal. Kang der Eroberer ist aufgrund seiner Zeitreisen natürlich an einem Punkt der Erdgeschichte ins System eingedrungen und hat sich eine Hintertür zum einhacken offengelassen. So geschieht es, dass die auf die Damokles-Basis stürmenden Sentinels nicht einmal angreifen können, sondern von Kang übernommen werden und nun die Erde angreifen.
Zu ähnlicher Zeit begibt sich ein Team um Wasp und Warbird alias Captain Marvel in die Katakomben des Hauptquartiers vom „Herr der Welt“. Sie wollen seine Technologie für ihre Seite gewinnen. Die Ermordung des selbsternannten Herren durch Warbird hat im Weiteren große Auswirkungen auf ihr Denken und Handeln. Sie stellt sich Fragen zu Selbstjustiz und der Verhältnismäßigkeit von Mord und der Rettung eines Planeten. Ein Konflikt, der ausgiebig behandelt wird und in eine ähnliche Kerbe schlägt wie Thors Konflikt. Seine Reflexion seiner Rolle als Unsterblicher unter kurzlebigen Menschen und der Versuch, diese vor dem Untergang zu retten, ist ebenso ein umfangreicher Teil, den Busiek Thor zugutekommen ließ.
Doch all die Gegenwehr ist zwecklos. Mit wenigen Befehlen und massiver Übermacht durch Technologie zerstört Kang, wie es die angekündigte Konsequenz eines Angriffs auf seine Basis verlangt, Washington D.C. und zwingt die Welt zur Kapitulation. Ein „Friedensvertrag“ wird abgeschlossen, die Waffen niedergelegt und sämtliche Superwesen und Rebellen in Internierungslager gesteckt.
Eine Kosmische Macht
Während all dieser Ereignisse befindet sich eine Fraktion der Avengers auf kosmischen Reisen. Die am Ende des letzten Bandes eingeführte kosmische Pyramide wird nun einen essentiellen Teil in der Handlung füllen. Mithilfe des Kultführers Tremont und dem von ihm veranlassten „Gebetsschiff“ fliegen sie zur Erforschung der fremden Macht ins All. Der bereits als wichtig werdende Figur angedeutete Triathlon alias 3D-Man wird nun in einer eigenen Ausgabe umfangreich beleuchtet, in seiner Historie neu definiert und erhält die bereits erwartete Wichtigkeit in der Lösung des Problems mit Kang.
Mindestens genauso mystisch, wenn auch weniger astral ist die Liebesgeschichte zwischen Wanda und Wonder-Man. Beide sind Gefangene eines Straflagers und darben dank Kräftedämpfer-Halsschellen ein tristes Dasein. Sie erleben und reflektieren etwas, das vielen Paaren überall auf der Welt passiert ist: Sie entfremdeten sich und hielten ihre Hoffnung auf eine Verjüngung ihrer Liebe am Lodern, immer mit Blick auf ein besseres Morgen. Nun im Internierungslager verändert sich die träumerische Situation und es weicht einer realistischen Einschätzung ihres Gefühlslebens. Es ist eine interessante und wunderbar geschriebene Episode, ganz unvermittelt zur Mitte dieses Bandes.
Es gelingt unter der integren Führung Janet van Dynes alias Wasp ein Aufstand und eine Revolution gegen Kang zu starten. Die Erde vereint sich gegen Kang. Werden die Erdenbewohner den Hauch einer Chance haben gegen die Technologie der Zukunft? Wie wird sich Scarlet Centurion verhalten, da er eine gewisse Sympathie für Warbird empfindet? Wer von den Helden wird überhaupt überleben? All das findet ihr besser selber heraus.
Stile
Der für diese Ausgabe prägende Stil wird ganz klar von Kieron Dwyer vorgegeben. Seine Zeichnungen sind von unmissverständlicher Formsprache, Schlachten mit vielen Akteuren, einer zunehmend verspielten Panelaufteilung und von schweren Schatten durchdrungen. Die Inszenierung der vielen Helden gelingt auf jedem Panel und sie haben alle ihren eigenen Charme, dank Farb- und Formenwahl.
Da diese Serie sehr von den gezeigten Emotionen der Akteure lebt, sollten diese auch treffend umgesetzt und hervorgehoben werden. Die Dialoge und Expressionen der Superwesen fassen eine Figur in wenigen Bildern sehr treffend zusammen und transportieren das Gefühl für den Moment sehr schön.
Die Gastzeichner fügen sich sehr gut ins von Kieron Dwyer vorgelegte Bild ein. So lässt sich das von Brent Anderson gezeichnete Heft, in dem Wanda und Wonder-Man ihre Flucht planen und die Beziehung beenden, lediglich an kräftigeren Outlines, einem dezent klassischeren Figurendesign und einer größeren Dichte an Schraffierungen unterscheiden.
Insgesamt ist es ein ansehnliches, wenn auch für heutige visuelle Gewohnheiten ungewohnter zweiter Teil einer eindrucksvollen Reihe.
[…] Avengers – Die Kang-Dynastie 2 […]