
„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“ kennt wohl jeder. Doch was passiert, wenn man diesen Satz überspitzt?
Der koreanische Anime „Beauty Water“ befasst sich mit ebendiesem Thema. Der Film zeigt, was Schönheitswahn und ständige Selbstoptimierung sowie Diskriminierung und Bodyshaming verantworten können.
Regie zu diesem Film, den man dem Genre Body-Horror zuordnen kann, führte Kyung-hun Cho. Der Film war der erste südkoreanische Film, der auf dem Bostoner Science-Fiction-Film-Festival den Preis für Animation erhielt. Im Rahmen der Kazé-Anime Nights 2021 wurde der Film in den deutschen Kinos veröffentlicht; ab Februar 2022 erscheint er auch im Heimkino.
Die Handlung
Der Film startet mit der Sequenz, die man bereits aus dem Trailer kennt. Man sieht eine Frau, die mittels eines ominösen Produkts ihr Äußerliches massiv verändert. Diese wie eine digitalisierte VHS-Aufnahme aussehende Szene setzt bereits früh den Ton des Films. Spannung erzeugende Musik und Bilder, die einen teils verstören können, gehören ebenso dazu.
Nach dieser Introsequenz wird die Protagonistin Yaeji eingeführt. Sie ist eine übergewichtige, unsichere und von unterdrückter Wut geplagte Kosmetikerin in einer Fernsehproduktion. Dort ist sie verantwortlich für die äußerlich vollkommene und innerlich verkommene Miri, die mit ihrem neuen Schauspielkollegen in Dauerwerbesendungen Schönheitsprodukte verkauft.
Es tritt unerwarteter Personalmangel auf und Yaeji wird kurzer Hand im Live-TV als abschreckendes Beispiel vor einen reich gedeckten Tisch gesetzt, wo sie als „fressendes Schwein“ inszeniert wird. Diese Schmach führt zur Selbstisolation in ihrem Zimmer. Ihre besorgten und aufopferungsvollen Eltern sind einer Ohnmacht ausgesetzt.
Doch dann passiert etwas, wovon Yaeji nur gerüchteweise etwas gehört hat. Eine das „Beauty Water“ vertreibende Firma schreibt ihr mit dem Angebot, ihr eine Probe zukommen zu lassen. Ungläubig und überrascht beginnt sie sich in den Strudel aus künstlicher Verschönerung zu begeben. Dieser führt unweigerlich über die schillerndsten und reichsten Menschen in die tiefsten Abgründe der eigenen Psyche.
Der Stil
Es war eine Überraschung nach dem Trailer, der einem einen zweidimensionalen Animationsstil verspricht, einen fast vollständigen CGI-Anime zu sehen. Nur einige Szenen und Figuren sind über die gesamte Laufzeit des Films im konventionellen Anime-Stil dargestellt und zweidimensional gezeichnet.
Die Szenerie ist eine Fusion aus CGI und Zeichnung, die viel Atmosphäre erschafft und teils so wirkt, als wären reale Sets in die dreidimensionale Animation übertragen worden. Die Figuren und Gesichter der handlungstragenden Figuren sind allesamt computergeneriert.
Darin besteht (rein subjektiv) die größte Schwäche dieses Films. Die Figuren wirken wie schlaksige und auf Erwachsen getrimmte Charaktere aus Low-Budget Kinderanimationsserien. Bewegungen im Raum sehen unnatürlich aus, Haare und Frisuren wirken wie aus Plastik gemacht, die glatten Gesichter können nur extreme Gefühle wirklich überzeugend ausdrücken und die Umgebungsgegenstände (wie Autos oder Inneneinrichtungen) sehen leider häufig nach schnell erstellten generischen Abziehbildern ihrer Vorbilder aus. Häufig fehlt eine gewisse haptische Echtheit in den Animationen, etwas im Lichtspiel. Es ist alles – selbst die Schönheiten – zu glatt und zu plastisch.
Der dargestellte Body-Horror hingegen wirkt recht überzeugend und verfehlt die FSK 16 nicht. Die, an „Das Ding“ von John Carpenter erinnernden entstellten Körper verbinden CGI und gezeichneten Stil gekonnter als der Großteil der ganzen Figuren.
Kritik
Das Thema pervertierter Schönheitswahn ist wichtig zu behandeln. Allerdings schafft der Film es leider nicht, dies konsequent zu erzählen. Die nach Liebe ächzende und der Verzweiflung nahstehende Yaeji ist mehr als unsympathisch. Ihre sich isolierende und gierige Art mit anderen Menschen umzugehen, dies bereits bevor sie „schön“ wurde, ist absolut abschreckend.
Der Film spricht auch das Thema Internet-Hass und Mobbing an. Allerdings ist die Hauptfigur Yaeji Opfer und Täterin in der anonymen Masse, da sie über ihre Arbeitgeberin Miri herzieht, während sie ihre eigene Schmach nicht ertragen kann. Ihre innere Spaltung zwischen Opfer und Täter hätte ein interessantes Thema werden können. Leider springt der Film schnell auf einen anderen Zug auf. Nachdem sie ihren eigenen Idealen entspricht und sich in die Gesellschaft der Reichen und Schönen begibt, ist sie zusehends selber nichts als ein Abziehbild eines Klischees, das sich ausschließlich über Status und Anerkennung definiert.
Was bleibt am Ende dieses Films? Eine Hauptfigur, die keinerlei persönliche Entwicklung erfährt, ein Antagonist, der viel zu spät eingeführt und in seinen Motiven eher halbgar wirkt, und eine Aussage, die man viel mehr in die eigentliche Geschichte hätte einbinden können. „Ich wollte doch nur geliebt werden.“ ist der Kernsatz dieses Films, der leider nur als Schwäche der Protagonistin und somit als zu ihrem tragischen Ende führendes Mittel genutzt wird.




