
Der Autor dieses Werks gehört ganz zweifelsohne zu den wahren Vertretern der neunten Kunst, Betonung auf Kunst. Gipi ist ein italienischer Künstler, dessen subversive Geschichten immer wieder in die Psyche gehen, sich dort zu verlieren drohen und einen auf dem Weg durch seine Geschichten berühren.
In „Besondere Momente mit falschem Applaus“ begibt sich der Künstler in einen Trauerprozess.
Diese eindrucksvolle Graphic Novel erscheint in hochwertigem Druck beim Berliner Avant-Verlag und ist jeden Cent wert.
Der Soldat, das Schwarz, das Kind und Mama
Der Einstieg in diese Geschichte erscheint merkwürdig. Eine Anekdote über zwei Soldaten, die sich wie Freunde schätzen und von denen einer bei der Landung in Omaha Beach sofort stirbt. Es bleibt nicht die Angst, selber zu sterben, nicht etwa Trauer. Nein, die Freude, selber noch am Leben zu sein, ist das, was just in diesem Moment alles übertrumpft. Doch ist diese Geschichte nur eine Motivationsrede eines Menschen an einem Filmset, der versucht, die Schauspieler in die richtige Stimmung zu versetzen. Wie viel Gehalt an diesen Aussagen zu finden ist, wird Gipi im weiteren Verlauf dieser Geschichte erörtern.
Silvano Landi ist der Protagonist dieser Erzählung. Er ist ein recht erfolgreicher Stand-up-Comedian und tourt durch Italien. Allerdings ist er nun weit entfernt von seiner Frau. Die kommenden Wochen wird er in der Nähe des Hospizes seiner im Sterben liegenden Mutter verbringen, einsame Momente in der Stille der Natur erdulden und seine Gedanken schweifen lassen.
Immer wieder werden die Erlebnisse von vier Kosmonauten zwischengeschnitten. Sie sind im Begriff, einen fremden Planeten zu erforschen, immer auf der Hut vor „Schwarz“, was sie töten könnte. Unsicher, vorsichtig und dennoch ungewiss schreiten diese über die menschenleeren Ebenen. Es scheint noch mehr Mysteriöses auf diesem Planeten zu geschehen, dessen sie sich gar nicht bewusst sind.
Häufig folgen Träume des Protagonisten Silvano, die mit den Erlebnissen der Kosmonauten ein diffuses Gefühl der Verzweiflung und Orientierungslosigkeit bei der Leserschaft anhaften lassen. Als dann noch ein von der Hauptfigur projiziertes jüngeres Ich erscheint, hört es auf, einen Bezug zur Realität zu haben und begibt sich vollends in die Psyche des Silvano. Dieser erinnert sich an schöne, seltene Momente mit der sterbenden Mutter, fragt sich wörtlich und bildlich, was es wert ist zu leben, und begibt sich stillen Schrittes in einen vorzeitigen Trauerprozess.
Diese höchst metaphorische Graphic Novel endet im Schlüsselmoment und gleichzeitigem Titel dieses Werks.
Der Stil
Gipis Bilder sind klar, schlicht, bedrückend echt und dennoch vielseitig fantasiereich.
Die feinen Linien der Figuren, besetzt von schnörkeligen Schraffuren, sind abgesehen von den Erlebnissen der Kosmonauten in gedeckten Aquarellfarben koloriert worden.
Form und Farbe vermitteln einem nach kurzer Zeit ein Gefühl für die „Realität“ und den „Traum“, obwohl auch da fließende Grenzen bestehen.
Anders als in „Eine Geschichte“ zeigt diese Graphic Novel jedoch klare Panelstrukturen. Klar abgegrenzte, eher konventionelle Aufteilungen lassen sich über die Länge des Werks betrachten.
Weniger experimentell, gleichwohl eindrucksvoll und auf einer emotionalen Ebene nachhallend wirken die Bilder länger nach. Wie ein Traum, den man nicht in Form und Farbe greifen kann, von dem man jedoch weiß, wie er sich angefühlt hat.






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