
Während des letzten Besuchs der USA in einem der vielen Filialen von Barnes&Nobles (größter Vertrieb für Bücher in den USA) zu stöbern, brachte so manche Entdeckung zu Tage. Eine dieser Entdeckungen ist „Better Place“, eine Graphic-Novel, die mich allein wegen des Covers und daran teilhabenden Künstlern überzeugt hat. Geschrieben von Duane Murray und den kunstvollen Fähigkeiten Shawn Daley zu Dank entstand dieses Werk, das sich auch für jüngere Leser eignet. Diese abgeschlossene Geschichte erscheint beim Verlag Top Shelf Productions.
Was ist „the better place“?
Der kleine Junge Dylan ist begeisterter Science-Fiction-Fan. Sein Großvater ist der beste Spielpartner, den man sich vorstellen kann. Gemeinsam bereisen sie unbekannte Weiten und fliegen als Kid Cosmo und Red Rocket zu den Planeten des Sternsystems. Natürlich nur in ihrer Fantasie. Ihre Vehikel sind Einkaufswagen, mit denen sie Parkhausauffahrten herunter rauschen um dann einen kleinen Absprung zu wagen und für einen kurzen Moment zu fliegen. Nicht selten erregen sie dabei Aufsehen oder Beschädigen fremder Menschen Autos.

Die Abenteuer des ungleichen Paares basieren auf den Red Rocket Comics, die sie gemeinsam lesen. Zum Unglück der alleinerziehenden Mutter Eileen Ranger, die fieberhaft versucht ein finanziell abgesichertes Leben zu bieten, geraten die zwei immer wieder in grenzwertige Situationen mit Polizeibeamten und Sicherheitsleuten. Es folgt ein Streitgespräch, in dem es um den Umzug in ein Seniorenheim geht. Denn nicht nur vergaß der Großvater eine Pfanne auf dem Herd, die einen Feuerwehreinsatz zu Folge hatte, Eileen stört sich an den Erziehungsmethoden ihres seniler werdenden Vaters. Großvater teilt seinem interstellaren Partner und Enkel mit, dass er bald ausziehen würde. Er bricht am späten Abend auf, um den Fun-Park Wonderville und seine Mars Sonderausstellung schon vor dem Besuch am nächsten Morgen zu erkunden. Er wird nie zurückkehren.
Wo ist Grandpa?
Der nächste Morgen bricht an und Eileen steht zwischen den Vorbereitungen der Beerdigung, ihrem eigenen Schmerz und der Stärke einer alleinerziehenden Mutter. Ihre starke Fassade bröckelt und sie wird ausfallend. Von der für Dylan unbegreiflichen Realität und der Situation zu Hause überwältigt, bricht er auf um nach dem von seiner Mutter angedeuteten „Better Place“ zu suchen. Er reißt von zu Hause aus, gekleidet in seiner „Weltraum-Uniform“ und sucht fieberhaft nach seinem verstorbenen Großvater. Dabei trifft er auf viele unterschiedliche Menschen, verschiedenen Alters und Herkunft und wird bald realisieren, dass er seinen Großvater nie wieder sehen wird.
Ein einfühlsam erzählter Trauerprozess der Mutter Eileen und das schrittweise Realisieren der unumgänglichen Realität des kleinen Dylan nimmt einen großen Teil dieser Geschichte ein. Ebenso wird sich mit der Trennung und der Lebensrealität eines allein erziehenden Elternteils befasst. Die liebevollen und emotionalen Dialoge schaffen es spielend das Mitgefühl zu erwecken und so manche Augen glasig werden zu lassen.
Ein Stil und viele Gäste

Shawn Daley zählt zu den Cartoonisten und Chiptunisten. Der Begriff Cartoonist dürfte weitläufig bekannt sein und ist durch Vertreter wie „The Peanuts“ oder „Disney Große Pause“ auch im deutschen Kinderfernsehen sehr beliebt. Hinter dem Begriff Chiptunist steckt die Art und Weise Musik auf einem 8-Bit Raster basierend zu komponieren.
Daley gelingt es die Vorzüge des Cartoons, also reduzierte Figurendesigns, gepaart mit expressiven Gesichtsausdrücken in einer charmanten Welt zu verbinden. Alle Figuren haben ihren ganz eigenen unverwechselbaren Charme und beleben diese Geschichte zu einer fantastischen Geschichte.
Bereits auf dem Cover lässt sich erkennen, dass Farbe in diesem Comic eine besondere Rolle erhält. Der Großteil dieser kleinen Geschichte ist monochromatisch, also in Abstufungen von Schwarz gestaltet. Der Look der Schattierungen wirkt wie die Arbeit mit Aquarellfarben. Jede Seite wurde zudem mit einer das Papier belebenden Struktur bedruckt, denn es macht den Anschein, als wäre es Recyclingpapier oder zumindest welches mit grober Struktur. Eine einfache, subtile, aber rundum funktionierende Form der Gestaltung, die jedes Bild mit einer gewissen Lebendigkeit versieht.
Die Benutzung von Farbe ist Punktuell. Immer dann, wenn etwas in der Fantasie geschieht, oder wenn es sich um die Comics und Abenteuer des Red Rockets dreht, werden Farben verwendet. Dieser gezielte Einsatz wirkt in seinem Kontext wirklich wundervoll nach. Ebenso funktionell, wie auch schön ist die Idee Gastkünstler für die ganzseitigen Comic-Covers von „Red Rocket“ ins Projekt zu holen. Sie markieren inhaltliche Abschnitte und deuten auf anstehende Handlungsbögen hin. Es finden sich Stars und Talente wie: Matt Kindt (BRZRKR), Jeff Lemire (Black Hammer, Sweet Tooth), Farel Dalrymple, Tyler Boss, Jim Rugg (Afrodisiac) und Nate Powell (Save It for Later: Promises, Protest, and the Urgency of Protest) in diesem Werk. Alle zeigen auf ihre eigene Weise eine aussagekräftige Vorausdeutung des Geschehens.