Die Familie ist ein sicherer Raum für viele Menschen. Sie gibt Beständigkeit, einen Rückzugsort und spendet vertrauensvolle Verlässlichkeit in schwierigen Situationen. Doch was passiert, wenn Loyalität und Vertrauen auf einmal ausgenutzt werden? Wie verhalten und entwickeln sich die Kinder von Eltern, die unter schwersten psychischen Störungen leiden? In dem höchst spannenden Psychothriller „Blood in the Tracks 1“ begibt sich der Künstler Shuzo Oshimi auf die Suche nach Antworten.
Die erstmals 2017 veröffentlichte Manga-Reihe wird nun von Manga Cult auch für den deutschen Markt erhältlich sein.
Dieses Lächeln
Der Manga beginnt mit einer Rückblende, die aus der Perspektive des Protagonisten Seiichi Osabe erlebt wird. Gemeinsam mit seiner Mutter Seiko Osabe spazieren sie durch die Straßen und entdecken eine vermeintlich schlafende Katze. Es stellt sich heraus, dass sie bereits tot ist. Dem noch kleinen Kind bleibt eines stark im Gedächtnis, das entzückte Lächeln seiner Mutter.
10 Jahre später. Sei ist mittlerweile 13 Jahre alt und ein ganz gewöhnlicher Schüler. Sein Vater arbeitet viel und häufig, seine Mutter schmeißt den Haushalt. Allerdings zeigt sie schon früh ein Verhalten, das man als kontrollierend und über alle Maße bemutternd erzählt bekommt. Letzteres wird sogar verbalisiert vom Cousin Shigeru, der so gut wie jedes Wochenende zu Besuch kommen wird, um mit Sei Videospiele zu spielen. Er ist es, der das erste Mal das Wort Muttersöhnchen in den Mund nimmt. Von dort an nimmt der Teenager das ziemlich körperliche und dezent flirtende Verhalten seiner eigenen Mutter anders wahr. Nicht zuletzt, weil die Pubertät gerade stark scheint, also auch das Interesse an gleichaltrigen Mädchen, fühlt sich Sei mehr und mehr eingeengt. Jedoch kann er nicht verbalisieren, dass er die Situation als unangenehm empfindet. Es ist schließlich seine geliebte Mutter, seine einzige Bezugsperson und er kennt nur diese Realität von mütterlicher Liebe.
Der subtil erzählte Spannungsbogen steigt schrittweise und gipfelt in einem gemeinsamen Urlaub der ganzen Familie. Eine schockierende Wendung zeigt die massive psychische Erkrankung der Mutter und lässt die Leser:innen fassungslos zurück. Mindestens genauso spannend ist das Co-morbide Verhalten des Protagonisten und Sohnes, der gänzlich in den Fängen seiner Mutter scheint.
Das Grauen unter der Oberfläche
Der von Shuzo Oshimi gezeigte Zeichenstil gehört zu den eher erwachseneren Stilen. In so manchem Panel erinnert die Bildkomposition und das Figurendesign sogar an Manga-Klassiker.
Nur wenige Bilder später beweist Oshimi jedoch, dass er zu noch mehr fähig ist. Das erste halbseitige Bild der Mutter Seiko trägt so viel Beunruhigendes in sich, dass sich der Verdacht, etwas muss dort in der Familie Osabe im Argen sein, nur verhärten kann.
Immer wieder werden luftige Szenen voller ehrlicher jugendlicher Freude und Unbeschwertheit gegengeschnitten zu schaurigen, beengenden und verstörenden Bildern.
Ein gerne gewähltes Mittel, um Unbehagen zu erzeugen, ist dabei der Close-up auf gewisse Körperteile, die zudem in Schlüsselmomenten wie verzerrt wirken. Dazu passend sind die aufgerissenen Augen, die Schock zeigen und zugleich schockierend unheimlich aussehen.
Oshimi weiß seine Zeichnungen handlungstragend und Reaktionen bei den Leser:innen erzeugend einzusetzen.
[…] schließt der zweite Band an den Cliffhanger vom Vorgänger an. Der Cousin des Protagonisten Seiichi ist „von der Klippe gefallen“. Die Mutter stammelte […]
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