
Erpressung, die Yakuza, ein Koffer voll Geld, ein Hochgeschwindigkeitszug und Brad Pitt. Reicht das noch nicht, um Interesse zu schüren? Der Trailer zu „Bullet Train“ verspricht all das und noch viel mehr. Ein großes und vielversprechendes Ensemble wird darin auch schon präsentiert. Es lässt sich anhand der gezeigten Szenen, die wie immer viel zu viel verraten, deutlich, dass dieser Film keinen geringen Bodycount haben wird. David Leitch, der Regisseur von „Atomic Blonde“ und „Deadpool 2“, weiß wie man Action inszeniert. Er war langjähriger Stunt-Koordinator und ist daher geübt darin wirkungsvolle Kampfszenen zu planen. Das Drehbuch basiert auf dem Roman von Kôtarô Isaka, der bisher hauptsächlich im japanischen Kino vertreten war. Ihm zur Seite stand Neuling Zak Olkewicz, der mit Bullet Train seinen zweiten Film als Autor bearbeitete.
Mit seinen 2 Stunden und 7 Minuten Spiellänge bekommt der ab 16 eingestufte Film (einige Szenen definitiv viel härter) mehr als genügend Zeit diesen wilden Ritt durch Japan zu bestreiten. Die Handlung spielt nahezu ausschließlich im Zug, innerhalb einer Nacht auf dem Weg von Tokyo nach Kyoto. Was kann der Film gut, was schafft er nicht? Diesen Fragen soll nun in Kürze nachgegangen werden.
Der Plot
Brad Pitt spielt einen kurz vor dem Ruhestand befindlichen, zur Spiritualität und der Lehre des Karma gefundenen Kriminellen, dessen Job es ist den Shinkansen (Schnellzug in Japan) zu betreten und einen Koffer zu klauen. Nicht mehr oder weniger. Da er laut eigener Aussagen der Mensch mit dem größten Pech der Welt ist, bekommt er als Glücksbringer den Namen Ladybug (Marienkäfer) und versagt natürlich gnadenlos. Wie dem Trailer zu entnehmen ist Ladybug nicht der einzige Profi in diesem Zug. Es werden nach und nach weitere Parteien mit unterschiedlichsten Spezialgebieten und Eigenheiten vorgestellt. Diese präsentiert und charakterisiert der Regisseur in eingeschobenen Rückblenden und expositorischen Sequenzen. Allein diese Einschübe erinnern so sehr an den Meta-Humor Deadpools, dass nur noch Ryan Reynolds Auftritt fehlt. Oder nicht?
Aber warum soll Ladybug genau diesen Koffer klauen, den anscheinend so viele andere Professionelle begehren? Nun, es steckt natürlich mehr dahinter und so entwickelt sich das Familiendrama mit dem der Film begonnen wird. Rachegelüste sollen gestillt, Vergeltung geübt und die Wiederherstellung von Ehre wollen bei 320 km/h gelöst werden. Es knallt, schlitzt, schlägt und beißt in allen erdenklichen Farben und Formen. Eines muss man dem Film lassen. Es gelingt eine visuell ansprechende Ästhetik auf kleinstem Raum zu realisieren, die mit diversen Farbstimmungen sehr stimmige Bilder schafft.
Kritik
Eines vorweg, der Film ist keine Offenbarung was die Geschichte, den Humor oder gewissen Tiefsinn angeht. Die Dialoge der zugegeben fantastisch spielenden „Zwillinge“ Tangerine und Lemon, dargestellt von Aaron Taylor-Johnson (Kick-Ass) und Brian Tyree Henry (Stimme in Into the Spider-Verse) machen einen Großteil des Humors des Films aus. Sie bilden die Comic-Relief Charaktere und werden bis zum Ende gnadenlos ausgeschlachtet, wörtlich und bildlich.
Das Familiendrama von Ehre und Vergeltung der japanischen Familie um „The Elder“ Hiroyuki Sanada soll zwar die Rahmenhandlung bilden, bleibt aber bei Weitem nur als kläglich dünner Faden im Raum liegen, um diesen gelegentlich wieder aufzunehmen. Weitere für den Film und die Dynamik der Action wichtige Charaktere sind der Antagonist, gespielt von Michael Shannon (Take Shelter, The Shape of Water oder Knives Out) und die anderen Killer, die Brad Pitt alias Ladybug den Koffer abnehmen wollen. Der Protagonist Ladybug wirkt zwischen all den schillernden Figuren eher blaß und entspricht dem Profil der Rolle zu weiten Teilen. Es scheint, als wäre ein kurz vor dem Ruhestand befindlicher und latent überforderter Profi noch einmal für einen vermeintlich „einfachen“ Job zurückgekehrt. In manchen Dialogszenen in denen sein Gesicht nur angeschnitten wird, kann man ein unpassendes Lächeln oder einen nichtssagenden toten Blick bestaunen.
Es wirkt in der Summe wie ein Live-Action-Computerspiel. Eines, in dem man mit Erreichen des nächsten Levels einen neuen Antagonisten mit noch verrückterer Hintergrundgeschichte erhält. Parallel dazu wird der anfänglich gut gefüllte Zug immer leerer, unerklärt und ganz beiläufig. Das Ende, wie auch einige im Verlauf des Films befindliche CGI-Animationen, scheinen zudem mit beiden Augen geschlossen einfach durchgewunken zu sein.