
Jidi und Ageng, zwei chinesische Künstlerinnen, schaffen mit „Der freie Vogel fliegt“ einen intimen Blick in das Leben einer Mittelschülerin im China der ausgehenden 90er Jahre.
Dieser auf einem Roman der Autorin Jidi basierende Comic erzählt die in Ansätzen biografisch gestützte Erwachsenwerdung des Mädchens Lin Xiaolu. Ganz nebenbei liefert „Der freie Vogel fliegt“ allerdings eine Kultur- und Mentalitätsgeschichte einer Generation, die mit den feinen Zeichnungen der Ageng in einer stimmungsvollen und feinen Art und Weise in Pastelltönen auf jeder Seite strahlt.
Der dritte Band schafft es, Band 1 und Band 2 zu verbinden, sie abzurunden und die bereits aufgestellten Fragen und losen Fäden der Erzählung schlüssig zusammenzubringen. Diese zweisprachige Ausgabe erscheint bei Chinabooks.
Die Handlung
Man startet inmitten des Schulalltags und des aus zwischenmenschlichen und aus beendeten Beziehungen entstehenden Frusts, der sich oft an den merkwürdigsten Stellen entlädt. Xiaolu ist, entgegen ihrer antisozialen Natur, als tröstende Schulter für eine ihrer Mitschülerinnen da, als diese sie am meisten gebraucht hat. Es schließt sich ein philosophischer Teil eines Erzählers an. Wie in diesem Band noch häufiger auftretend und auch bereits in vorangegangenen Bänden angedeutet, wirft dieser Fragen und Gedanken zu Liebeskummer, zur Liebe als solche und den damit verbundenen Aspekten des Miteinanders auf.
Nachdem die für Lin Xiaolu anhaltende und geheime Liebe für ihren Schwarm Hán Chè nochmals zum Ausdruck gebracht wird, passiert etwas in ihrem Leben, das nun so lange schon als subtiler Begleiter dieser Geschichte vorhanden war, aber nur angedeutet wurde. Dieses Ereignis betrifft sie mehr oder weniger direkt und zeigt, wie tiefgreifend und vor allem tiefgründig die Autorin Jidi in die Gesellschaft Chinas, spezieller noch in das Leben eines Mittelschülers eintaucht und daraus schöpft. Dieses Ereignis nimmt dann im weiteren Verlauf einen wichtigen und tiefsinnigen Raum ein, jedoch wird nicht pathetisch oder gar Emotionen erzwingend erzählt.
Denn es bleibt im Leben der Lin Xiaolu nicht viel Zeit und Platz für eine Pause. Das Leben der Mittelschülerin, insbesondere ihre Freundschaften, nehmen Fahrt auf und entwickeln sich rasant fort. Eines ihrer kürzlich angefreundeten Mädchen, Xie Siyao, hat sich von dem Mädchenschwarm und ihrer großen Liebe getrennt und es entsteht eine Konfrontation. Xiaolu und die seit Beginn der Beziehung Xies ignorierte beste Freundin Su Yan schreiten ein und helfen ihrer Freundin.
Der bisher subtil schwelende Konflikt der zwei Freundinnen Xie und Su wird im Beisein ihrer anderen Freunde und Xiaolu in einer Bar beendet und bessere Zeiten begossen. Doch Xie hat noch ein Geheimnis, das sie ihren Freunden gesteht und das ihr Leben fortan komplett ändern wird. Um weitere mögliche Spoiler zu vermeiden, endet die Inhaltswiedergabe an dieser Stelle. Lest es definitiv selber!
Der Stil
Wie im Nachwort der Zeichnerin Ageng zu lesen, ist dieser Comic mittlerweile im vierten Jahr der Zusammenarbeit mit Jidi entstanden. Sie selber schildert, wie sie nach dieser Zeit umso routinierter ihren Figuren eigene Charakteristika einhauchen kann, ihnen eigene Posen gibt, Gesichtszüge und Körpersprache verleiht. Dies ist merklich, da noch der vorherige Band zeichnerische „Patzer“ aufwies, dieser Comic aber absolut rund und fabelhaft illustriert wirkt.
Die Farben sind wie immer träumerisch leicht und pastellfarben, was genau die richtige Atmosphäre für diese Geschichte schafft. Der Manga-Mimik-Humor ist auch in diesem thematisch doch ziemlich traurigen und emotional fordernden Band trotzdem vorhanden, wenn Lin Xiaolu gerade einmal mit Bruder Xu Hu einen ihrer Dialoge und gedanklichen Monologe führt. Es entstehen schöne Szenen zwischen allen Figuren und es fällt einmal mehr auf, dass die Umgebungen der Figuren mit sehr vielen Details versehen sind. So haben beispielsweise Vorhänge florale Ornamente, die nicht einfach draufgeklebt wirken
[…] zurück. Sie erzählt Xiaolu, warum sie so handelte, als sie der Figurengeschäftbetreiber in Band 3 zu ihrem Geburtstag überraschen wollte. Xiaoman schildert Xiaolu auch, wie tief ihre Gefühle für […]