Ein goldenes Feld aus Weizen sowie ein Schaf, eine Kuh, die einen Hahn trägt, und ein Schwein, die zusammen eine Reise bestreiten, versprechen auf dem Cover von „Die Arche Neo 1 – Tod den Rindviechern!“ eine freundliche Atmosphäre. Doch weit gefehlt! Dieser Comic, von Stéphane Betbeder geschrieben und von Paul Frichet gezeichnet und koloriert, erzählt das düstere und schonungslose Schicksal, welchem Tiere in unserer menschlichen Gesellschaft unterliegen. Eine Mischung aus Reise-, Abenteuer– und Endzeitgeschichte, die wahrscheinlich nicht unbedingt für kleine Kinder geeignet ist.
Der Splitter-Verlag hat dies, wie von den Bielefeldern gewohnt, in ein schönes Hardcoverformat gepackt und hochwertig drucken lassen.
Die Handlung
Neo, ein süßes kleines Ferkel mit charismatischem Fleck ums Auge, wird zum Medien-Star und genießt seinen Ruhm. Als kleines Ferkel für alle möglichen Medienkampagnen missbraucht, ist er irgendwann zu groß und dick, um als „Click-Bait“ zu funktionieren. Daher wird er, bevor er in einen Mastbetrieb kommt, von einem Tierschützerpärchen adoptiert.
Auf dem Hof lebt Neo in Frieden, wenn auch nicht ganz konfliktlos, ein ruhiges Leben. Er träumt davon, eines Tages auf die „Pig Island“ umzuziehen. Dort leben Schweine umgeben von tropischem Idyll in Freiheit und werden zudem von:
„Menschenweibchen mit Zitzen in Beuteln, die den Schweinen Küsschen geben“
wohlwollend umsorgt.
Das Paradies, in dem Neo mit seinem Hundekumpel Blitz auf der Couch TV sehen kann, wird schlagartig zerstört. Eine Polizeikompanie rückt an und inhaftiert die Tierschützer wie auch alle dort lebenden Tiere. Nur wenigen gelingt die Flucht und somit schließen sie sich zusammen.
Sie fliehen von befreundetem Hof zu Hof, um dort immer wieder erschrocken festzustellen, dass alle von der Polizei geräumt wurden. Neo, der Hahn Ferdinand, Soasig das Schaf, und im späteren Verlauf auch die Kuh Renate bilden eine Zweckgemeinschaft. Sie wollen ihren Freunden helfen und müssen sich durch die Wildnis schlagen, wo sie auf bedrohliche und vermeintlich dumme Tiere treffen, die ihnen nicht immer freundlich gesonnen sind.
Es entsteht eine Geschichte in Die Arche Neo, die einen Road-Trip-Charakter entwickelt und gleichzeitig schreckliche und erschreckende Realitäten aus der Perspektive der Tiere beschreibt.
Der Stil
Der Zeichenstil ist fabelhaft: Eine feine Balance aus höchst detaillierten Panels, liebevollen Szenarien und Hintergründen, die durch ihre Kolorierung eine sagenhafte Atmosphäre erschaffen.
Die tierischen Protagonistinnen sind allesamt super gezeichnet und ihnen fehlt es an keiner Stelle an Ausdruck oder Mimik. Paul Frichet schafft es, selbst einem Hahn so viel Gefühl in seine Körpersprache zu legen und dabei nicht ins Kitschige abzurutschen. Die Fell- und Federstruktur eines jeden Tieres wirkt zudem sehr liebevoll, überzeugend und schön gestaltet.
Die Farbauswahl und -verwendung dieses – wohl digital bearbeiteten – Comics zeugen von einem ausgezeichneten Auge für Licht und Schatten. Dem Aussehen nach könnte man manchmal meinen, es wurde mit Aquarelltechniken gearbeitet. Die Hauptfiguren und auch die Umgebungen haben fast immer mehrfarbige und damit Tiefe und Schattenwürfe darstellende Oberflächen. Es wirkt daher des Öfteren sehr realistisch; trotz des klaren Strichs, das jedes Panel vermittelt. Die Panelstruktur ist, den Erzählfluss und die Dynamik der Geschichte leitend, ideal gewählt. Sie macht keine Experimente und ist eher konventionell in ihrer Aufteilung.
Als klitzekleiner Kritikpunkt könnte angemerkt werden, dass sich im ganzen ersten Band keine Splashpage finden lässt, die dem schönen Zeichenstil eine ganze Seite widmet.