Als Marc-Uwe Kling vor 13 Jahren das erste Buch mit dem Titel „Känguru-Chroniken“ veröffentlichte, rechnete noch niemand mit einem derartigen Erfolg. Mittlerweile gibt es fünf weitere Bücher; diesen vorliegenden mitgezählt sogar zwei Comics, fünf Hörbücher und eine ganze Menge mehr aus dem Känguru-Versum.
Dieses hier zu besprechende, vom Verlag Ullstein veröffentlichte Werk ist etwas ganz Besonderes. Dieser „Die Känguru-Verschwörung“ betitelte Comic ist nämlich das Storyboard zum Film, also das visualisierte Drehbuch von Marc-Uwe Kling und Jan Cronauer. Neben einiger Off-Sprecher-Boxen, die als Regieanweisung oder erklärender Text zur Situation angeführt sind, sieht man dies auch in vielen Szenen (wie etwa an den im Bild vorhandenen Pfeilen für eine Bewegungsrichtung einer Figur). Die schwarz-weißen Zeichnungen entstammen der Feder von Axel Eichhorst.
Das Storyboard zum Film erscheint als Hardcover. Die Buchdeckel sind in schlichtester Form einfach aus quadratischem Karton hergestellt worden. Der schmückende und zusammenbindende Buchrücken beziehungsweise das Buchcover hat hingegen eine Prägung und Spotlack als Highlight.
Ein Dunkelrestaurant, eine Wette und ein Abenteuer
Vor der eigentlichen Handlung findet sich ein Interview von Känguru und Autor, worin sie über die Entstehung des Films und allen seinen Herausforderungen reden. Dann folgt ein Trailer zu einem fiktiven, niemals umgesetzten Film. Warum dieser Trailer beispielsweise nicht in der Filmfassung gelandet ist, erfährt man unter anderem in dem vorangegangenen Interview.
Szenenwechsel, los geht die Handlung. Wir befinden uns einem Dunkelrestaurant, wo sich Marc und Maria gerade bei einem romantischen Essen näher kennenlernen. Natürlich ist das Känguru auch mit am Tisch und zerstört nicht nur die Atmosphäre, sondern sorgt auch dafür, dass eine waghalsige Wette aus diesem Abend resultiert. Es geht um Marias Mutter Lieselotte oder auch Diesel-Liesel genannt. Sie ist seit einiger Zeit schwer dem Verschwörungsglauben verfallen und Maria würde sich wünschen, endlich ihre Mutter wieder zu Tisch mit ihrer eigenen Tochter einladen zu können. Dies ohne dabei stets ob der allumfassenden Verschwörung belehrt zu werden. Marc behauptet, diese Situation natürlich lösen zu können. Seine Forderungen und die des Kängurus sind eine neue Spielekonsole und ein Essen in Paris, falls sie diese Wette gewinnen sollten. Falls nicht, würden Maria und Marc die Wohnungen tauschen; dies zum erheblichen Gewinn der alleinerziehenden Mutter.
So begeben sich die zwei Protagonisten naiv auf eine der Veranstaltungen, auf der Diesel-Liesel zu finden sein soll. Das ist sie, als wortführende Rednerin mit Thesen zur Klimakrise, Politik und „denen da oben“. Nahezu hoffnungslos und sich ihres Verlusts der Wohnung sicher verlassen sie die Versammlung. Doch ist noch nicht aller Tage Abend, denn es steht eine große Konferenz, die ConCon, mit Star-Redner und Kopf der Bewegung Adam Krieger in Bielefeld an. Rein in das Elektroauto vom charmanten Joe, der wegen politischer Aktionen im nordkoreanischen Gefängnis saß, und ab nach Bielefeld.
Die Reise ist bunt, sie treffen einige Charaktere, die als Abziehbilder einer ganzen gesellschaftlichen Klientel dienen sollen, und lösen das Problem schlussendlich auf ihre eigene Art. Viel abstruse Anspielungen und Referenzen zu aktuellen Persönlichkeiten und Strömungen der Verschwörungsszene kann man in dieser Geschichte finden. Ein wenig Kritik und Humor, der über den Wortwitz oder eine „Situationskomik“ hinausgeht, finden sich auch manchmal in diesem Werk.
Ein Storyboard, Comics für Regisseure
Wie man dem eingehenden Vorwort entnehmen kann, hat man sich aufgrund der ungewöhnlich hohen Qualität des Storyboards dazu entschieden, diesen Weg der Veröffentlichung zu wählen. Mit der Hilfe von Michael Holtschulte, Ralf Marczinczik und Jan Thüring wurden die Seiten des Storyboards in diese schmucke Buchform verwandelt. Das Format dient dem Inhalt tadellos, doch kann in einigen Panels der Inhalt nicht gänzlich überzeugen. Es ist jedem klar, dass ein Storyboard nur für das visuelle Arrangement einer Szene helfen soll. Umso erstaunlicher ist es tatsächlich, wie detailreich und atmosphärisch viele der Panels von Eichhorst umgesetzt wurden.
Die Linienführung bewegt sich zwischen schnellen Konturen, die aussehen, als wären sie in einer Bewegung aufs Papier gebracht worden und detaillierten Abbildungen. Manch andere Figuren oder Szenerien sehen gar fein ausgearbeitet aus. Mit unterschiedlichen Stärken und verschiedenen Stilen (strukturlos oder mit Oberflächenstruktur) von schattierenden Flächen gewinnen die Bilder um ein weiteres Mal an Dimension. Es ist beachtlich, wie wenig Eichhorst benötigt, um ein stimmiges Bild und ein Gefühl zu transportieren.
Die Regieanweisungen und helfenden Pfeile so mancher Bewegung mag sicherlich dem Charakter des Ausgangsmediums geschuldet sein. Eindeutig und unmissverständlich muss ein Storyboard schließlich sein. Etwas auch sehr für den Künstler Eichhorst Sprechendes sind die fiktiven Trailer und Einspieler, die dieser spielerisch umgesetzt hat. Die Position der im Nachhinein eingefügten Sprechblasen, damit einhergehend die Geschwindigkeit und der Fluss eines Dialogs, ist manchmal nicht sehr intuitiv. Es passiert auch in einigen Szenen, dass die Panels nicht eindeutig genug sind in dem, was sie zeigen wollen. Man kann sich eine Bewegung andeutende Körperteile oder Figuren dann nur aus dem Kontext erschließen.