Täglich bekommen wir Mails von der Schule. Dabei handelt es sich um Mails von den jeweiligen Lehrern, die vom Tag berichten, Mails von den Elternvertretern über neue Events oder aktuelle Fundraiser und die wöchentlichen Updates der Schule über Meetings und die anstehende Woche. Aber manchmal gibt es auch Mails, die uns Eltern über Dinge berichten, die man nicht lesen möchte. So zum Beispiel gab es erst kürzlich für uns das erste Mal die Mail, dass in einer der anliegenden Straßen der Schule unserer Kinder Schüsse gehört wurden und das MPDC (Metropolitan Police Department of the District of Columbia) anrücken musste.
Es ist zum Glück nichts passiert, zumindest an oder in der Schule, aber es regt natürlich zum Nachdenken an. Was ist, wenn mal was passiert? Wie bereitet man sich auf so was vor? Kann man sich überhaupt vorbereiten?
Unglaubliche Fakten
Mit Hilfe des Gun Violence Archives ist es mir möglich mal die Fakten aufzulisten. Die Nummer der durch Schüsse verstorbenen Menschen in den USA im Jahr 2023 liegt bei 13.822. Diese Daten sind zuletzt am 30. April erneuert worden. Nun fällt dort alles rein, was irgendwie durch Waffen verursacht wurde, versehentliche Schüsse, absichtliche Schüsse, Clan-Fights, School-Shootings, häusliche Gewalt usw. – America in a Nutshell.
Ein Mass-Shooting wird es dann genannt, wenn mindestens vier Personen, den Shooter nicht inkludiert, ums Leben kommen. Davon gab es 2023 schon 172. Das sind mehr Schießereien mit mindestens vier Toten als das Jahr bisher Tage hatte. Die Zahl der Kinder (0-11 Jahre) die dabei ums Leben gekommen sind ist 82 und die der Teenager (12-17 Jahre) 482. Es sind bisher schon 16 School-Shootings vorgefallen.
Grade erst in diesem Jahr gab es einen Vorfall, in dem es zum jüngsten Shooter in der amerikansichen Geschichte kam. Ein sechsjähriger Junge hat im Bundesstaat Virginia seine Lehrerin angeschossen. Vor 20 Jahren gab es ebenfalls einen sechsjährigen, der eine sechsjährige Mitschülerin erschossen hat. Diese Vorfälle mögen selten sein, insgesamt gab es 17 Vorfälle von Schüssen durch Kinder unter 10 Jahren und das seit 1970. Es bleibt erschreckend, dass es überhaupt passiert ist und auch wieder passieren kann.
Kriminelle Absichten und kindliche Entwicklung
Die Frage ist natürlich, wie es erst dazu kommt, dass Grundschulkinder Waffen mit zur Schule bringen? Und hat ein sechsjähriges Kind ein Verständnis dafür, was es angerichtet hat? Wer wird in so einem Fall zur Rechenschaft gezogen? Und wie lebt man damit, als Kind jemanden erschossen zu haben? Der Fall der Kayla Rolland, das sechsjährige Mädchen, was vor 20 Jahren von einem sechsjährigen Jungen erschossen wurde gibt etwas Einsicht, wie solche Tragödien entstehen. Der Junge, dessen Name nie veröffentlicht wurde, wurde als unschuldig eingestuft, da er in diesem Alter keine kriminellen Absichten haben konnte.
Kurz zuvor erst wurde die Mutter des Jungen wegen Drogen- und Waffenbesitzes verhaftet, der Vater starb ein paar Jahre zuvor im Gefängnis. Der Junge wurde somit zu seinem Onkel gebracht, welcher eine Waffe im Schuhkarton hat liegen lassen. Eins führte zum anderen und der Junge brachte die Waffe unbemerkt im Rucksack mit zur Schule, zielte auf ein anderes Kind und sagte „Ich mag dich nicht“ bevor er abfeuerte.
Angeklagt wurden später drei Leute, die mit dem Jungen im Haushalt lebten, nur der Onkel, dem die Waffe gehörte, wurde zu zwei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. In den Nachzügen der Verhandlungen stellte sich heraus, dass der Junge und seine Brüder mishandelt wurden und eine unvorstellbar grausame Kindheit gehabt haben müssen.
Wenn ich Florentine so beobachte, wie sie mit Knete spielt, während ich für diesen Beitrag recherchiere, kommen mir so viele Fragen in den Kopf und vor allem enstehen Wut, Angst und Trauer. Man fragt sich automatisch, ob eines der Kids in ihrer Klasse aus schwierigen Verhältnissen kommen könnte und die Möglichkeit bestünde, eine Waffe dabei zu haben. Ob die Lehrer über die Hintergünde und Haushalte all ihrer Schüler Bescheid wissen. Man kann unmöglich die Kinder dafür verantwortlich machen, es stellt sich mir nur die Frage, woher Kinder in diesem Alter schon wissen, wie man eine Waffe bedient und wofür man eine Waffe nutzen kann.
Leuchtschuhe, Feueralarm und kugelsichere Rucksäcke
Erst kürzlich hat mir das World Wide Web mal wieder Futter zum Nachdenken gegeben. Ein Reel einer Mutter, die ausspricht, was viele denken und mich zu diesem Beitrag angeregt hat. Das second Amendment oder in deutsch der zweite Zusatzartikel in der amerikanischen Verfassung verbietet es, das Recht auf den Besitz und das Tragen von Waffen einzuschränken. Somit ist es scheinbar unmöglich, jemals das Problem zu beseitigen. Die besagte Mutter hat kritisiert, dass das second Amendment wichtiger ist, als Kinder und aufgezählt, was sie tut, um sich und ihre Kinder zu schützen. Ihre Aufzählung ist folgende:
- Täglich ein Foto vom Kind machen, um im Falle des Unglücks genau zu wissen, was es an hatte
- Dem Kind erklären, wenn der Feueralarm losgeht, es nicht als Erstes den Raum verlassen soll, da die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass es ein activ Shooter war, der den Alarm ausgelöst hat, um Kinder aus den Räumen zu locken
- Keine aufleuchtenden, blinkenden Schuhe, da man im Fall sich verstecken zu müssen zu leicht zu sehen ist
- eine kugelsichere Einlage für den Rucksack oder eben gleich einen kugelsicheren Rucksack kaufen
Man möge jetzt behaupten, dass sie überreagiert. Mag sein, aber die Möglichkeit besteht und ich kann nachvollziehen, alles tun zu wollen, um das Schlimmste zu vermeiden. Aber hauptsächlich möchte ich mit diesem Artikel ja nicht hinterfragen, was andere tun oder denken, sondern auf das Problem aufmerksam machen. Auch wenn ich damit keine Veränderung schaffen kann, vielleicht kann ich eine Mutter emotional darauf vorbereiten, wie es sich anfühlt, heutzutage ein Kind auf eine amerikanische Schule zu schicken.
Wie in einem anderen Reel einer Mutter, was ich kürzlich gesehen habe, sollten wir nie vergessen, unseren Kindern zu zeigen und zu sagen, dass wir sie lieben. Niemand außer der/dem Shooter weiß, ob nicht heute der Tag ist, an dem sich das Leben ungewollt ändern kann.