Innerhalb weniger Seiten wird klar, wovor und warum Angela Davis auf der Flucht ist. Das System, das in seinem Kern ein ausgrenzendes, ängstliches und rassistisches ist, jagt die Freiheitsaktivistin Angela Davis, mittlerweile emeritierte Professorin der Abteilungen „History of Consciousness“ und den „Feminist Studies“ an der Universität Santa Cruz in Kalifornien. Sie musste sich vieler Schicksalsschläge hingeben, verlor jedoch nie ihren Willen und Mut, sich als Bürgerrechtlerin, Aktivistin für die Gleichberechtigung und vor allem als selbstbeschriebene Kommunistin zu engagieren. Das von Fabien Grolleau recherchierte und verfasste Skript wurde in Kollaboration mit Nicolas Pitz zeichnerisch umgesetzt und fasst auf spannende Art und Weise die Geschichte der Angela Davis in dieses Hardcover Album, erschienen beim Cross Cult Verlag.
Die Handlung
Es ist 1970, New York, und Angela Davis wird vom FBI gesucht und gejagt wie ein Staatsfeind höchster Klasse. Sie war es zu dieser Zeit trauriger Weise auch. Aufgrund einer Verwechslung müssen die von Anfang an stumpf geschriebenen Agenten des „Federal Bureau of Investigation“ erfolglos von dannen ziehen.
Es folgt ein Zeitsprung in Angela Davis Kindheit. Sie wuchs in den Südstaaten auf, in einer Gegend, die „Dynamite Hill“ genannt wurde. Nicht etwa wegen eines in der Geschichte verankerten Bezugs zu einer längst vergangenen Minenstadt. Die Gegend heißt so, weil regelmäßig Anhänger des Ku-Klux-Klans durch die Straßen fahren und wahllos Häuser in die Luft sprengen, anzünden, morden. Angela träumt von Wölfen und Monstern, die sie jagen. Der Vater beruhigt sie, dass es keine Monster gäbe, während vor den Fenstern des Kinderzimmers eine weitere KKK-Patrouille durch die Straßen fährt. Dieser Bezug zu den Monstern, die sie jagen, wird sich bis zum Ende dieser Graphic Novel durchziehen. Er wird im weiteren Verlauf auch noch mal in einem Dialog aufgegriffen.
Black Lives Matter
Immer wieder vorwärts und rückwärts springend in der Zeit entspinnt sich nun die Lebensgeschichte der Angela Davis, ihrem Weg an die Universität, der Beginn ihrer aktivistischen Tätigkeiten, während parallel die Gesellschaft und ihre Konflikte mit dem Thema Rassismus dargestellt werden. Martin Luther King, Malcom X und die vielen anderen Proteste und nahezu Bürgerkriege der 60er Jahre werden umrissen. An einigen Stellen fühlte es sich an, wie eine komplementäre Geschichte zu dem Film „Selma“, der dringend empfohlen wird, wenn man sich für dieses Thema interessiert.
Der Kern der Geschichte beginnt mit dem juristischen Kampf für die Freilassung George Jacksons. Der Briefwechsel, den die zwei pflegen, scheint authentisch und generell wirkt diese ganze Graphic Novel sehr gut aufgearbeitet und recherchiert; mit vielen Querverweisen und Andeutungen, die ihrer eigenen Geschichte bedürften. Als sie dann selber ins Gefängnis gesteckt wird, wegen haltloser Anschuldigungen, die die systematische Kleinhaltung der Schwarzenrechts-Bewegung verdeutlicht, beginnt ein innerer Kampf für Angela Davis. Der Kampf gegen die Einschüchterung, die Diskriminierung an allen Enden des gesellschaftlichen Lebens und ein Kampf gegen ihre eigenen Ängste.
Eine spannende Geschichte, die sich Fabien Grolleau dort anhand von Dokumenten erdacht hat.
Der Stil
Die Farben und der Stil des Covers sind richtungsweisend für die gesamte illustratorische Umsetzung dieses Graphic Novels. Nicolas Pitz ist der Illustrator, der im Mainstream noch nicht sehr bekannt ist. Durch seine eigenen Werke als Zeichner und Autor („Luluabourg“, „Montana 1948“, „Les jardins du Congo“) ist er in der französischen Comic-Szene zumindest ein Begriff und wird vom Autor Grolleau so geschätzt, dass er sich Pitz für dieses Projekt wünschte.
Der zeichnerische Stil erinnert ein wenig an die Comics der Golden-Age aus den USA, jedoch sind sie weicher in ihren Formen, balancierter in ihren Details und auf moderner digitaler Bearbeitung fußend wesentlich klarer im Bild. Die Schattierungen sind die gewohnten dunkleren Farbflächen des vorliegenden Farbtons, die Schraffuren und Strukturen sind recht simpel und fast schon funktional. Im Allgemeinen wirkt die grafische Umsetzung sehr zweckdienlich, schlicht und überzeugend. Die Figuren und ihre Mimik schaffen viel der Atmosphäre eines Dialogs und bilden zu der einfach gehaltenen Umgebung einen schönen Kontrast.
Farblich bewegt sich Pitz in einem braun-orange-grünen pastellen Farbspektrum, wobei alle diese Farben in verschiedenen Szenen durch kontrastreiche, knallig bunte Farben ausgetauscht werden. Wenn es zum Beispiel darum geht, den „American Dream“ zu illustrieren, während die Erzählerstimme ganz klar die Martin-Luther Kings und seiner weltberühmten Rede „I have a dream“ ist. Pitz schafft eine großartige Atmosphäre trotz seiner simplen Methode; für dieses Werk wirkt es sehr angemessen.