Gilmore Girls wurde im Jahr 2000 zum ersten Mal in den Vereinigten Staaten ausgestrahlt. In Deutschland erst vier Jahre später, im Februar 2004 auf ORF eins. Wann genau ich auf die Serie aufmerksam geworden bin, weiß ich nicht mehr, ich kann mich nur sehr genau daran erinnern, Donnerstags in Eile nach Hause zu kommen, um noch die verbliebenen 30 Minuten zu sehen. Das lineare Fernsehen war meine einzige Quelle, für viele Kinder der 90er war es so. Trotzdem kannte man durch die verschiedensten Wiederholungsaustrahlungen jede Folge seiner Lieblingsserie in- und auswendig. Heutzutage kaum vorstellbar, dass man eine Serie mitten in einer Staffel beginnt zu schauen. Interessant ist aber vor allem, ob sich die Lieblingsserien unserer Jugend gut gehalten haben. Heutzutage ist es sehr leicht politisch unkorrekt zu sein, das Gendern und die modernen feministischen Ansichten waren vor 20 Jahren noch ganz anders. Wie also sieht Gilmore Girls im Jahre 2024 aus?
Über die Serie
Gilmore Girls ist eine Serie, die das Leben von Lorelai und Rory begleitet. Lorelai, Mutter von Rory, ist im Teenageralter schwanger geworden und mit dem Baby sehr früh aus ihrem Elternhaus, was strikt und konservativ ist, weggelaufen. Zu Beginn der Serie ist Lorelai 32 und Rory 15 Jahre alt. Über sieben Staffeln hinweg begleitet die Serien Rory auf dem Weg von High School bis zum Ende des Colleges und Lorelai auf dem Weg zur Selbstständigkeit durch ein eigenes Inn. Es gibt Konflikte mit den Eltern, die erste große Liebe, Fast-Hochzeiten, die zweite große Liebe und viele andere gefühlsintensive Momente. Gedreht wurde der ganze Spaß in Hollywood, Handlungsort ist aber ein fiktiver Ort in Connecticut namens Stars Hollow. Ein hübscher kleiner Ort, mit kleinen privaten Geschäften, einem Stadtzentrum mit Pavillon und alles scheint irgendwie fußläufig erreichbar zu sein. Damals hatte ich keine Ahnung, dass Stars Hollow nicht echt ist. Heute sehe ich, dass die Hauptdrehorte unecht sind, man sieht halt auch die Hollywood Hills im Hintergrund, solche Szenerien gibt es in Connecticut gar nicht. Die umliegenden Handlungsorte aber sind nicht ausgedacht, wie zum Beispiel Hartford oder die Universität Yale. Gedreht wurde dort aber nicht.
Mütter und Töchter
Seit ich meinen Re-watch begonnen habe, werden mir immer wieder Inhalte in meinen Algorythmus gespült, die die Sicht auf die Serie heutzutage betrachtet. Vor allem sind es Frauen, die wie auch ich damals, die Serie gesehen haben als sie in dem Alter von Rory waren und sie nun im Alter von Lorelai nochmals schauen, die nun Stories posten. Vor allem geht es dabei um das Mutter-Tochter Verhältnis zwischen Lorelai und Rory und Lorelai und Emily. Viele behaupten, dass Lorelai keine gute Mutter war sondern zu viel beste Freundin und völlig verfehlt hat, für Rory eine führende, erziehende Rolle zu sein während Emily hingegen völlig falsch verstanden wurde und es doch nur gut gemeint hätte, sogar eine hervorragende Mutter sei. Dieser scheinbar überwiegenden Meinung kann ich absolut nicht zustimmen. Ich kann mir auch nicht erklären, woher diese Meinung kommt. Damals habe ich das Mutter Tochter Verhältnis zwischen Lorelai und Rory bewundert, ich habe mir gewünscht, es selber so zu haben. Was man aber nicht vergessen darf ist, dass Rory eine perfekte Schülerin ist, der das Lernen leicht fällt und der gute Noten sehr wichtig sind. Wenn einer Mutter diese große Aufgabe, mit der Schule hinterher zu sein, genommen wird, ist es wahrscheinlich etwas leichter, mehr wie eine Freundin zu sein. Es gibt wenige Situationen, in denen Lorelai autoritär und streng auftreten muss, aber wenn diese Situationen entstehen, dann ist sie das auch. Das ein so freundschaftliches Mutter Tochter Verhältnis super unrealistisch ist, sehe ich heute auch, trotzdem ist Lorelai in meinen Augen keine schlechte Mutter. Sie hat immer ihre Tochter als erstes kommen lassen, hat Rory sie selbst sein lassen und ihr gute Werte vermittelt.
Emily hingegen ist in meinen Augen keine gute Mutter. Auch wenn sie nur das Beste für ihre Tochter Lorelai wünscht, behält sie nie im Blick, was diese denn möchte. Ihre Standards für einen Ehemann oder Freund für ihre Tochter sind extrem hoch und oberflächlich. Ihre Kommentare sind oft beleidigend und ihre Handlungen völlig verwerflich. Es ist meiner Meinung nach kein Wunder, dass sie ihre Tochter in jungen Jahren vertrieben hat. Und auch das erzwungene wöchentliche Abendessen, was ihre Bedingung war um die teure Privatschule für Rory zu zahlen, ist Zeichen für ein vermurkstes Verhältnis. Man merkt auch im Verhältnis zwischen Emily und Rory, dass die extrem hohen Standards kaum einzuhalten sind. Auch wenn Rory viel näher an dem dran ist, was sich Emily für ihre Tochter Lorelai gewünscht hat, ist es nie genug. Vor allem an den Boyfriends von Rory kann man die Unterschiede der zwei Arten von Mutter gut erkennen. Während Lorelai die Beziehungen ihrer Tochter hinnimmt, wenn auch nicht immer zustimmend, lässt sie sie machen. Emily hingegen mischt sich zu oft ein, versucht Rory und auch Lorelai in ihren Kreisen zu verkuppeln, ist aktiv gegen die Beziehungen ihrer Tochter und Enkelin.
Gilmore Girls heute
Wenn man mal das World Wide Web befragt, ob sich Gilmore Girls gut gehalten hat, ist die Meinung geteilt. Während es Leute gibt, die sagen, Rory und Lorelai wären zu viel am Lästern, würden fat-shaming und homophobe Witze machen, gibt es die anderen Leute, die sagen, eine Serie, die nur freundlich und ohne Lästern ist, ist nicht unterhaltsam. Besonders schwer finde ich einzuschätzen, wie man das Bild der Frau in dieser Serie verstehen soll. Es gibt Situationen, in denen Lorelai und Rory andere Frauen für Übergewicht verurteilen, wie die Folge, in der Rory ein Balettstück der Uni rezensiert und andere Folgen, in denen zu dünne Frauen kritisiert werden, wie zum Beispiel Sherry, die neue Freundin von Rorys Vater, Christopher, die viel zu dünn wäre und Lorelai es nicht abwarten könne sie fett werden zu sehen weil sie schwanger ist. Und auch Rorys Mitbewohnerin Janet, die sportlich ist und gerne joggt, aber in der Serie als übertriebene Sport- und Jogging Süchtige dargestellt wird. Auf der anderen Seite aber ist da Sookie, die übergewichtige Beste Freundin von Lorelai, deren Gewicht niemals Thema in der Serie ist.
Auch die kleinen homophoben Witze sind mir damals nicht aufgefallen, viele werde ich auf Grund des viel zu schnellen Redens und der noch vorhandenen Sprachbarriere auch heute nicht merken. Aber sie sind da, in der 2000ern waren sie vielleicht noch harmlos, heute wären sie unangebracht. Man darf aber eben nicht vergessen, dass die Serie über 20 Jahre alt ist und damals vieles anders aufgenommen wurde.
Was aber wie in den meisten Serien auffällt, ist die fehlende Diversität. Einzig Lane Kim, Rorys beste Freundin und Michelle Gerard, Lorelais Kollege und Freund sind nicht weiß und haben entweder keine Story oder keine allzu schöne Story. Auch das ist mir früher nicht aufgefallen, zum einen, weil ich mir darüber absolut keine Gedanken gemacht habe und zum anderen, weil es für mich normal war, in einer weißen Community zu leben. Wir hatten damals keine Kinder mit Abstammung anderer Länder um uns, da waren nur wir, Kinder unserer Eltern, die selbst im gleichen Ort aufgewachsen sind, wo jeder jeden schon immer kannte. Heute fällt es mir natürlich ins Auge, leben wir hier in einer Stadt, in der weiße Leute schon die Minderheit bilden und man überall fremde Sprachen hört und Leute jeglicher Nationalität trifft. Ich frage mich, ob Florentine die fehlende Diversität auffallen würde, wenn sie mit 15 Jahren die Serie schaut.
Fazit
Die Serie hat sich meiner Meinung nach trotzdem gut gehalten. Es gibt Kleinigkeiten, die ich heute nicht mehr mag, ich kann aber drüber hinwegsehen, was in anderen Serien definitiv nicht der Fall ist. Ich finde sogar, dass das Bild von Lorelai als alleinerziehende Mutter, die trotzdem ihren Wunsch einer Selbstständigkeit erfüllt und ein tolles Leben für sich und ihre Tochter auf die Beine stellt, seiner Zeit etwas voraus war. Vor allem aber schaue ich die Serie aus bequemlicher Gewohnheit immer wieder gerne. Ich weiß, dass mir die Serie besonders im Herbst genau das gibt, wonach ich grade Suche, Gemütlichkeit und Nostalgie. Und auch hervorzuheben ist, dass die Serie in Anwesenheit der Kinder geschaut werden kann, es gibt keine gewaltsamen Szenen oder faule Sprache. Immer gut wenn man die Kids ständig um sich hat.