Heroes Reborn

14. Mai 2022
2 Minuten Lesezeit

Im Jahr 2021 kündigte das „Haus der Ideen“ Marvel an, ein großes Event zu starten. Jason Aaron, der damalige Chefautor für die Avengers und Kopf hinter unfassbar vielen Erfolgscomics, wurde künstlerischer Leiter dieses Spektakels. Der Zeichner Ed McGuinness (u.a. aus „Spider-Man/Deadpool“ bekannt) ist als alleiniger Zeichner der Hauptserie das stilistische Vorbild. Da dieses Event allerdings als Montageerzählung konzipiert ist, also unfassbar viele Tie-Ins und Nebengeschichten hat, zählen auch Erica D’Urso, R.M. Guéra, Dale Keown, Aaron Kuder, Carlos Magno, James Stokoe und Federico Vicentini zu den Zeichner:innen. Sie alle zeigen ihr Talent und ihre Vision zu den Protagonisten in Kurzgeschichten.

Das 244 Seiten starke Paperback, was an einen schlanken Megaband denken lässt, erscheint bei Panini Comics.

Woher kennt man das noch gleich?

Die Geschichte beginnt aus der Perspektive des Vampirs und Daywalkers Blade. Er berichtet davon, dass er aufgewacht sei in einer Welt, die ihm seltsam, anders, nicht als seine eigene vorkommt. Schnell wird klar, dass wirklich alles extrem merkwürdig verquer ist. Der einst totgeglaubte S.H.I.E.L.D. Agent Phil Coulson lebt wieder und ist sogar Präsident. Es gab die Avengers nie und sonst bekannte Persönlichkeiten des Marvel-Kosmos sind normale Menschen, die nichts von ihrem eigentlichen Schicksal wissen.

Eine konstante gibt es jedoch: das „Superschurken-Gefängnis“ in der Negativzone. Einige sind Entkommen und es fordert die größten Helden dieser Welt auf zu handeln. Die Rede ist von der Squadron Supreme, einer ganz unverblümten Hommage an die Justice League. Teil der Einsatztruppe sind Hyperion (Superman), Nighthawk (Batman), Power Princess (Wonder Woman), Blur (Flash) und ein übermächtiger Dr. Spectrum (Green Lantern). Sie haben nahezu dieselben Fähigkeiten, Charaktereigenschaften und Sprüche.

So weit, so gut, kann man sich an dieser Stelle denken; scheint erst mal recht witzig zu werden. Doch dann kommen die vielen kleinteiligen Episoden, Perspektivwechsel ohne Relevanz für die Haupthandlung und Ausflüge in ferne Galaxien und Orte. All das ohne die eigentliche Geschichte um Blade und seinen Versuch, die Helden zu überzeugen in einer falschen Realität zu leben, in jedweder Form voranzutreiben. Die Liste der Auftritte ist lang: Rocket, Groot, Hulk, Black Panther, Norman Osborn, Red Skull, Gwen Stacy, Peter Parker, Bullseye und Thanos, um nur einige prominente Figuren zu nennen.

Das Verdachtsmoment, dass tatsächlich irgendwas nicht stimmt, dämmert Nighthawk schon früh. Bis die anderen überzeugten Patrioten und treuen Söldner der Superheldentruppe unter Präsident Coulson diese Erkenntnis teilen, vergehen fast zwei Drittel dieser Geschichte. Es gelingt Blade in dieser Zeit, die Avengers, zumindest das, was möglich ist, zu sammeln und gegen die Squadron Supreme zu kämpfen. Etwas überraschend ist die Wendung am Ende, wer und was wirklich hinter dieser Realitätsveränderung steckt.

Stile

Jedes Kapitel ist in zwei Hefte geteilt, das eröffnet wird von einem Gastzeichner und eine Figurenexposition bietet, um dann wieder von Ed McGuinness beendet zu werden. In diesem Wechsel wird die Geschichte erzählt, ohne jedoch viel Tempo aufzubauen.

Der von Ed McGuinness gezeichnete Look ist kantig, spritzig, kraftvoll und hat einen gewissen Witz inne. Seine gezeichneten Figuren sind überdimensional, daher auch massig und muskulös. Man kann sich als visuell affiner Comicleser an einer großen Zahl Splashpages und äußerst dynamischen Bildern erfreuen. Zudem beweist McGuinness, wie viel absurde, galaktische, transdimensionale und auch irdische Extreme auf wenige Seiten passen. Seine gezeichneten Hefte sind ein wahres Feuerwerk für die Augen.

Die vielen anderen Stile variieren immens. Einige Episoden sind so übervoll an Details und Schraffuren, dass sie auch ohne Farbe eine krasse Wirkung erzeugt hätten. Vor allem die Episoden um Rocket, gezeichnet von James Stokoe, und Norman Osborn, illustriert von R.M. Guéra, sind dafür als Beispiele heranzuführen. Sie stechen sehr aus dem Mainstream-Look, der meist glatt und gefällig ist, im Punkt der expliziten Gewalt und Rauheit der Bilder heraus.

Fazit
„Heroes Reborn“ klingt in der Idee super, kann aber nur mäßig überzeugen. Die Alternativwelt aufzubauen gelingt zwar phasenweise recht gut, die darin agierenden Figuren bleiben aber zumeist eindimensional und leider auch irrelevant. Der aufgebaute Konflikt könnte viel größer sein, eine größere Fallhöhe bieten und auch tiefer in die Psyche der Figuren gehen. Tut es aber nicht. Dafür bekommen wir große Bilder, heftige Kämpfe, massig viele Figuren und ein buntes Potpourri an Zeichnern. Es ist nicht Jason Aarons stärkstes Werk. Dennoch weiß es zu unterhalten und den Leser:innen etwas zu bieten.
Pro
Visuell dynamisches Kunstwerk mit einem Stilmix, faszinierendem Konzept einer alternativen Realität, unterhaltsamen Momenten und epischen Schlachten.
Kontra
Flache Charakterentwicklung und -erkundung, ungleichmäßiges Tempo mit zahlreichen Nebengeschichten, Potenzial für eine tiefere Erzählung nicht vollständig ausgeschöpft.
7.8

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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