
Seit knapp 100 Jahren existieren riesige Monster, natürlich nur auf der Leinwand und in der Popkultur. Begonnen mit den Dinosauriern aus „The Lost World“ (1925), über „King Kong“ (1933) und schlussendlich den wohl berühmtesten Vertreter und Gegner der Menschen „Godzilla“ (1954). Man fasst sie als „Kaiju“ zusammen, was dem japanischen entstammt und so viel bedeutet wie „rätselhafte Bestie“. Seit dieser Zeit sind hunderte weitere Werke entstanden, die sich dieser Idee eines nahezu unbesiegbaren riesigen Monsters bedienten. Einige aktuelle Produktionen sind beispielsweise Filme wie „Pacific Rim“, „Cloverfield“ oder auch die neuen „King Kong“ und „Godzilla“.
Natürlich findet sich das Motiv in immens vielen Animes und Mangas. Einer davon soll hier besprochen werden.
Es handelt sich um den äußerst erfolgreichen und von Fans geliebten Manga „Kaiju No. 8“ von Naoya Matsumoto. In Japan läuft die serielle Veröffentlichung in der Manga App Shōnen Jump+ seit 2020 kostenlos. Bis dato sind außerdem 9 Tankōbon (Softcoverbände, die mehrere Kapitel zusammenfassen) erschienen und haben sich schon mehr als 11 Millionen Mal verkauft. In Deutschland veröffentlicht der neugegründete Verlag von Crunchyroll (ehemals Kazé) dieses illustre Werk.
Kennst du einen, kennst du alle?
Es mag sich der Eindruck verfestigen, dass gerade in den letzten Jahren vermehrt Titel mit großen Katastrophen und riesigen unbändigen Monstern durchweg erfolgreich gewesen seien. Möglicherweise ist dies ein Phänomen der Zeit, geprägt von Krisen und Katastrophen, ja den Menschen übertreffende Bedrohungen. Menschen tendierten eben dann zum Konsum von Gleichnissen ihrer Situation und Helden, die die vermeintlich unlösbaren Probleme in den Griff kriegen. Vorbilder und Problemlöser werden gebraucht.
Man siehe sich die „Idole“ der späten Phase des Kalten Kriegs an, die die USA hervorbrachte: Bruce Willis als McClane in „Die Hard“, Silvester Stallone in „First Blood“ und alle Filme mit Steven Seagal. Dies wäre auch ein Weg zu Erklären, warum das MCU so erfolgreich war mit seinen epochalen Schlachten im Versuch die Halbierung allen Lebens zu vermeiden. Der Kampf einer unterlegenen Gruppe von Helden gegen das unbesiegbare Böse (sei es Klimakrise oder politische Systeme), die Hoffnung und das Happy End stirbt zuletzt.
Nun ist dieser Manga jedoch mehr, als eine reine Schlachten-Show und eine Aneinanderreihung von stumpfen Klischees. Ganz ohne Klischees funktioniert aber auch dieser Manga nicht. Der Manga wird empfohlen ab 16 Jahren zu lesen.
Was passiert in Kaiju No. 8?
In dieser von Naoya Matsumoto erdachten Welt gehören die Kaijus zum Alltag. Sie suchen die Erde heim und zerstören ganze Städte. Eines der schwerst betroffenen Gebiete sind die japanischen Inseln. Dies zum Anlass gründete das Land das „Verteidungskorps“. Sie nutzen die biologische Stärke bisherig vernichteter Kaijus in ihren hochtechnisierten Anzügen und können so unglaubliche Kräfte freisetzen. Die Soldaten dieses Korps können die riesigen Monster daher teilweise im Alleingang mit ihren an den Anzug verbundenen Waffen zerlöchern. Die Einheit gehört zu den ruhmreichsten Teams dieser Welt.
Doch nicht jeder hat das Glück einfach so ein Held zu werden. Kafka Hibino ist 32 Jahre alt und hat seinen Traum vom Verteidungskorps fast aufgegeben. Er arbeitet nun in einer der vielen Kaiju-Räumungsfirmen, die die verschmierten Reste der Giganten aus den Innenstädten entfernen sollen. Sie kratzen Eingeweide und Knochen aus den Straßen. Eines Tages wird der grad Volljährig gewordene Reno Ichikawa ins Team eingeführt und Kafka wird sein Leben retten müssen. Als sie dann beide erschöpft im Krankenhaus liegen fliegt Kafka ein kleines Monster in den Mund und macht ihn zu etwas ganz außergewöhnlichem. Er wird zu einem humanoiden Kaiju, in vollem Bewusstsein seines menschlichen Ichs, aber mit der Stärke eines der Riesen. Schon bald gerät er ins Visier der Regierung und wird als Kaiju No. 8 in den Medien gelabelt.
Mit seinem neu gewonnen Freund Reno und etwas mehr Selbstvertrauen versucht sich Hibino erneut an der Aufnahmeprüfung des Verteidungskorps. Dort trifft er auf das Wunderkind Kikoru Shinomiya, die bereits extrem trainiert und überaus talentiert mit ihrem Tech-Anzug umgehen kann. Es entsteht so etwas wie eine Freundschaft und sie werden in ein Team aus Neulingen geworfen, die sogleich ihre ersten Sporen verdienen sollen. Allerdings ist Kafka als Mensch in seinem Anzug ein wahrer Reinfall und kann nicht ansatzweise mit der Gruppe mithalten. Er darf auch nicht sein wahres Ich zeigen, da er sonst riskieren würde getötet zu werden. Und dann ist da auch noch Mina Ashiro die Kommandantin des Korps und seine ehemalige Sandkastenfreundin, zu der er sich sehnt und aufsieht.
Manga-Klischees, rasante Kämpfe und schneller Lesespaß
Der Zeichenstil ist sehr leicht, frisch und modern. Außerdem werden die gängigsten Klischees so ziemlich jedes Shōnen-Mangas bedient. Soll heißen: aufgerissene Münder, kleine Wut-Falten in Form von Kreuzen auf der Stirn, dümmliche Gesichtsausdrücke in beschämenden Situationen und natürlich dürfen einige Vergleichswerte in Zahlen nicht fehlen. Die Kräfte der Soldaten werden in Prozent angegeben, die Stärke der Kaijus werden auch genannt und stehen teilweise als Begleitinfos im Bild. Wenn es dann heiß her geht, sind die Druckwellen der Schüsse aus den Waffen des Korps selbstverständlich überdimensioniert und brachial. All das fügt sich aber auf sehr unterhaltsame Weise zu einem absolut stimmigen und witzigen Ganzen. Die geschriebenen Dialoge bewegen sich zwischen Sticheleien, ganz konventionellen Stand-Off Zeilen der Kontrahenten und vielen sehr lebendigen und den Figuren Tiefe verleihenden Passagen.
Es scheint keine ganz neue Welt zu sein, denn ein wenig erinnern die Anzüge an manche Tech-Anzüge aus Metal-Gear-Solid. Die Darstellung der Monster ist nicht zu extrem oder grässlich. Anfänglich von Kafka Hibino zu räumende Eingeweide sind sogar hinter Pixeln versteckt. Nichtsdestotrotz sind die Details und die Designs der Figuren und Monster mit viel Hingabe gezeichnet worden. Allerdings ist es auch nichts, das groß aus dem Rahmen fällt und einen besonderen künstlerischen Anspruch stellt.