King of Spies – König der Spione

24. Juli 2022
2 Minuten Lesezeit

Ein Spion und eine Mission: Zerstörung im Namen der Gerechtigkeit. Er ist der Beste, nahezu übermenschlich, skrupellos und dann doch ein Mann der alten Schule. Sein Name: Roland King.

Der Autor Mark Millar hat mit vorigen Werken bewiesen, wie sicher er sich in den Genres bewegen kann, diese persifliert und etwas interessantes Neues daraus machen kann. Diese vier Kapitel lange Miniserie wurde von Matteo Scalera gezeichnet und meisterhaft von Giovanna Nero koloriert.

Dieser One-Shot erscheint bei Panini Comics und ist jeden Cent wert.

Die Kings rauchen immer Cobbs

Wir beginnen die Geschichte mit einer kleinen Rückblende in „die guten alten Zeiten“. Roland King ist der weltweit beste Agent des britischen Geheimdienstes und erledigt die waghalsigsten Aufträge. Er springt aus Hochhäusern, landet nahezu unbeschadet auf Autodächern, gelangt an Bord eines bereits fliegenden Flugzeugs und hat gewiss eine Masche bei allen Frauen in seiner Nähe. Roland King ist der maßlos übertriebene James Bond, ohne den diese Geschichte in keiner Weise funktionieren würde.

Schnitt. Wir befinden uns im Jetzt. Roland King besucht im Agenten-Ruhestand ein paar ehemalige Kollegen im Londoner Regierungsviertel. Während einer drohenden Konfrontation verliert er jedoch das Bewusstsein; sein Husten hat wohl etwas damit zu tun. Es stellt sich heraus, dass er einen inoperablen Tumor im Körper hat. Seine Diagnose setzt ihm eine verbleibende Lebenszeit von einem halben Jahr. Auf die Frage, ob er seinen Sohn kontaktieren möchte, verneint King. Eine dysfunktionale Beziehung und jahrelang ausbleibender Kontakt zeugen von der schlimmstmöglichen Situation zwischen Vater und Sohn.

Nun steht Roland King vor seinem Scherbenhaufen, das er mal ein Leben nannte: Kein Kontakt zur Mutter seines Sohnes, eine uneheliche Tochter, die nichts von ihrem Vater weiß, er von Schuldgefühlen und Angst verfolgt und eine Karriere, die auf absoluter Loyalität fußte. Es ist die Zeit gekommen, um abzurechnen. So beginnt eine Mordserie an allen moralisch verwerflichen Figuren der Gegenwart. Niemand ist mehr sicher; Profikiller, Senatoren, Unterweltbosse, Oligarchen und selbst der Papst sind nicht vor seinem Urteil gefeit. Alle haben eins gemeinsam: Sie haben für Macht und Geld unmenschlichste Dinge veranlasst.

Es entwickelt sich eine Jagd auf Roland King, als der Sohn eingeschaltet wird, um seinen Vater zur Strecke zu bringen.
Ein großes Finale, gut geschriebene Dialoge und ein frühzeitig angedeutetes Ende reißen einen in den Bann.

Der Stil

Es ist wirklich erstaunlich, wie viele großartige Künstler momentan aus Italien stammen. Auch Matteo Scalera gehört zu ihnen und ist mit seiner Arbeit an „Black Science“ zum großen Namen geworden. Seine kantigen, dennoch einfühlsamen Figurendesigns fühlen sich für die Geschichte authentisch und vertraut an. Es fehlt den Figuren auch nicht an Expressivität, also Trauer, Reue, Scham, Angst und auch Verzweiflung. Das große Spektrum der Emotionen wird treffend in Scaleras Bildern eingefangen. Da diese Geschichte häufig in Actionszenen erzählt wird, muss auch an dieser Stelle betont werden, wie großartig diese Bilder sind. Ein Klischee – die Linien, die auf einen Fokuspunkt hinzulaufen – vermischt sich mit fantastischen Bildausschnitten, dynamischen Bewegungen und überall finden sich feine Details und interessante Strukturen oder Schraffuren, die das Ganze lebendig machen.

Fazit
„King of Spies – König der Spione“ ist wohl eins der besten One-Shots seit Langem. Die gnadenlose Geschichte fällt an keiner Stelle in ein Loch, zeigt sich vielfältig durch die Darstellung von Schwächen, Fehlern und Einsicht und ist zugleich extrem packend. Hinzu kommt das fantastische Artwork Matteo Scaleras, das diese nicht ganz neuartige und revolutionär innovative Geschichte auf ein Niveau hebt, dem man sich einfach nicht entziehen kann. Es ist die perfekte Lektüre für einen Abend, an dem „James Bond“ einem zu wenig Konsequenzen hat und „Kill Bill“ zu viel stumpfe Gewalt zeigt. Millar hat wieder bewiesen, dass er der „König der Spione“ ist und sich in die Archetypen unserer modernen Genres bravourös einarbeiten kann, um diese für sich neu zu entdecken.
Pro
Fesselnde Erzählung mit einer Wendung zum Spionagegenre, gut ausgearbeitete Charaktere mit emotionaler Tiefe, Scaleras herausragendes Artwork, das ausdrucksstarke Charaktere und dynamische Actionszenen einfängt.
Kontra
Die Geschichte basiert auf einigen bekannten Spionage-Genre-Tropen, und obwohl sie gut umgesetzt ist, bietet sie möglicherweise keine bahnbrechende Originalität in Bezug auf die Handlung.
9.6

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Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.