
Das Konzept einer Künstlichen Intelligenz, die einen eigenen Sinn von Moral und Ethik entwickelt, damit einhergehend einen großen Konflikt erzeugt, ist kein neues. Spätestens seit dem bahnbrechenden Film „2001: A Space Odyssee“ ist die Angst vor einer Superintelligenz auch im Mainstream angekommen. Über die vielen Jahre erschienen weitere Werke zu ebendiesem Thema und doch schaffen es Künstler gelegentlich, eine weitere Idee, eine zusätzliche Ebene hinzuzufügen.
In diesem Fall schrieb Jeremy Holt die Graphic Novel „Made in Korea“ und George Schall zeichnete darin eine Welt, in der KI mehr ist als die Erweiterung der eigenen Bedürfnisbefriedigung. Sie werden als Teil der Familie betrachtet, sie schaffen Identität.
Diese abgeschlossene Kurzgeschichte erscheint in einem schönen Hardcover, dem noch einige Kurzgeschichten angehängt sind, beim Panini Verlag.
„Ich habs geschafft„
Der Softwareentwickler Kim Dong Chul arbeitet fieberhaft an einem Modul für die Androiden, die sein Arbeitgeber Wook-Jin Industries verkauft: die Proxy-Kinder. Es ist die weltweit größte Firma, deren „Produkte“ ein Bedürfnis stillen, das auf natürlichem Wege nicht mehr möglich ist. Die Welt ist nahezu unfruchtbar und sie verkaufen kindliche Androiden an wohlhabende Menschen. Chul hingegen gelingt ein alles verändernder Durchbruch. Sein Ehrgeiz und Ego verhindern jedoch, dass er diesen mit der Firma teilt und unternimmt auf eigene Faust ein Experiment.
Auf der anderen Seite des Globus hegt ein Pärchen seinen amerikanischen Traum einer vollständigen Familie. Sie entscheiden sich, nachdem sie eine „Willkommen-Party“ für ein Proxy und ein verlockend günstiges Angebot entdecken, doch einen Androiden zu kaufen. Wenige Wochen später trifft das „Kind“ ein, jene KI, die Chul vorher mit seinem eigenen Modul erweitert hat. Sie taufen die weiblich designte Künstliche Intelligenz Jesse.
Schnell wird klar, dass Jesse anders ist als andere Androiden. Sie ist wissbegierig, kann Empathie empfinden und entwickelt sich rasant zu einer pubertierenden Jugendlichen auf der Suche nach sich selbst. Nachdem Jesse einen Großteil der Bibliothek in kürzester Zeit gelesen hat, sehnt sie sich nach einem normalen Leben, also dem Besuch einer Schule. Ihr fehlendes Feingefühl für soziale Interaktionen, ihr immenses Wissen und das Schulklima stellen sie schnell als Sonderling, Streberin und unliebsam heraus. Wären da nicht zwei junge Männer, die Interesse an ihr zeigen. Sie werden Freunde und Jesse hinterfragt ihre Aussagen und Andeutungen nicht. Denn offensichtlich planen die Waffennarren ein Schulattentat.
Chul auf der anderen Seite verliert seine Anstellung und macht sich nun auf eigene Faust auf, um sein verlorenes Kind vor Schäden zu schützen. Er möchte sie „reparieren“, denn ungekannte Handlungsweisen führen zu unbekannten Konflikten. Dies soll sich schnell bewahrheiten, denn nichts scheint ab nun normal zu laufen.
Der Stil
Weiche Formen, Pastelltöne und wellenartige Schraffuren sind die ersten Merkmale, mit denen man den Stil Schalls in dieser Geschichte beschreiben kann.
Die Figurendesigns und die Szenerie glänzen durch ihre reduzierte und unaufgeregte Darstellung. Dynamiken in Bewegung oder auch klangliche, visualisiert durch extra große Soundwords, kontrastieren daher umso mehr. Ebenso wirken die Figuren, so wie sie entworfen wurden, grundsätzlich gefällig und weich, denn man findet wenige harte Kanten und scharfe Winkel.
Trotz der für Comics typischen limitierten Darstellung einer Bewegung gelingt es George Schall, ebensolche Szenen in den Köpfen der Leser:innen fließend zu zeigen. Man vervollständigt die schön inszenierten Abläufe leicht zu fließenden Bildern. Und doch bleibt nie außer Frage oder nicht an den Bewegungen erkenntlich, dass Jesse nicht menschlich ist. Die Verwendung von Hintergrundfarben ist auffällig stark mit Emotionen und den Stimmungslagen der gezeigten Protagonisten verknüpft. Es ist nicht gerade selten, dass ganze Szenen vor einfarbigen Farbflächen stattfinden. Insbesondere dann, wenn Schlüsselmomente der Handlung oder der Dialoge ihren Raum finden müssen, bleibt der Hintergrund unterstützend in einer korrespondierenden Farbe.





