Schöne fremde Landschaften als Inspiration verwenden, eine facettenreiche Kultur entdecken und ganz nebenbei etwas über das Leben und die japanische Perspektive zur Natur erfahren. All das gelingt Catherine Meurisse mit Leichtigkeit.
Wie in ihren ebenso beim Carlsen Verlag erschienenen Werken „Weites Land“ und „Die Leichtigkeit“ zeigt sie hier ihr zeichnerisches und erzählerisches Können. „Nami und das Meer“ beschreibt eine mit Mythen und Legenden angereicherte Reise durch Japan.
Es erschien in einem wundervoll gearbeiteten Hardcover in einer Übersetzung von Ulrich Pröfrock.
Reisen sind traumhaft
Wie oft kam man von einer Reise zurück und trug dieses selig warme Gefühl von Ruhe und Frieden in sich. Schön wäre es, wenn diese Stimmung auch noch mehrere Wochen bliebe. Catherines Alter Ego befindet sich zum Zeitpunkt der Handlung gerade in Japan, auf der Suche nach Inspiration durch die Natur. Sie bezieht eine Unterkunft inmitten seichter Hügel und farbenfroher Wälder.
Bereits bei ihrer ersten Wanderung begegnet sie einem Marderhund, der Tanuki im Japanischen heißt. Dieser Tanuki gilt als mythische Figur in Japan, denn sie können ihre Form wandeln und besitzen zudem so etwas wie magische Fähigkeiten. Besagter Tanuki zieht sich einen Pinsel hervor (von unterhalb seines Skrotums), den die Protagonistin fortan mit sich führt. Sie hat jedoch so etwas wie eine Zeichenblockade und begibt sich anstelle zu malen lieber in Gespräche über das Leben, die Kunst und die Natur.
So begegnet sie frühzeitig einem älteren Herrn. Dieser ist ebenfalls Maler und auch auf der Suche nach einem besonderen Moment. Er wartet auf die Frau Nami, die anscheinend ebenso mythologischen Ursprungs ist. Jedoch begnügt er sich die meiste Zeit damit, Haikus zu schreiben. Ein Haiku ist ein aus 17 Silben bestehendes Gedicht. Beispielsweise:
„Ein uralter Teich / ein Frosch springt hinein / das Spritzen von Wasser“
(Matsuo Basho, 1644-1694)
In diesem Stil vermittelt der alte Maler der Protagonistin einige Ansichten zur Rolle des Menschen in der Natur. Auch das Kunstschaffen wird pointiert thematisiert, in selbstironischer Weise betrachtet und einige kulturelle Referenzen Japans eingestreut.
Kulturen verschmelzen
Nicht nur die Geschichte baut eine Brücke zwischen westlicher und japanischer Kultur, auch die Bilder vermögen dies. Die Akteure dieser Geschichte präsentieren sich im Stile einer Karikatur mit überzeichneten Gesten, Körperhaltungen und Mimik, die unterhält. Das Szenario hingegen ist in manchen Bildern vielschichtig atmosphärisch. Es wirkt in einigen ganzseitigen Bildern so, als wären verschiedene Ebenen unterschiedlicher Stile übereinandergelegt worden. Eben dann, wenn detaillierte botanische Zeichnungen auf möglicherweise digital eingefügte Farbverläufe treffen.
Manche ganzseitigen Bilder zeigen dann das ganze Können der Catherine Meurisse. Die wunderbar gestalteten Abbildungen von Wasserpflanzen, die dem auf dem Cover zu sehenden Bild gegenüberstehen, wirken sehr lange nach. Der gesetzte Ton, sei die Geschichte teilweise auch noch so albern, bleibt philosophisch. Die abwechselnd kräftigen und entsättigten Farben geben der Graphic Novel eine visuelle Ambivalenz, die sich in der Handlung spiegelt.
Rein strukturell ist dieses Werk sehr konventionell. Ganzseitige Malereien treffen auf die Handlung unterstützende Panelraster, die mal kleinere Bildausschnitte zeigen, mal Panoramen oder größer gestikulierende Dialoge abbilden. So wie das Werk gestaltet ist, verleiht es dem Mythos Japan vor allem eines: etwas Zauberhaftes und Verträumtes.