#Comictober Neon Genesis Evangelion 2 – Perfect Edition

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Neon Genesis Evangelion 2 Perfect Edition Rei Carlsen Cover

Als der Autor Hideaki Anno und Künstler Yoshiyuki Sadamoto 1994 den ersten Manga zur bereits geplanten Anime-Serie „Neon Genesis Evangelion“ veröffentlichten, rechnete noch niemand mit einem solch großen Erfolg. Die bis 2013 laufende Reihe würde ein gesamtes Genre prägen und bis heute viele Fans vereinen. Nun hat der Carlsen Verlag diesen Kultklassiker neu aufgelegt und veröffentlichte die ganze Reihe als dicke Perfect Editions. Darin sind wie auch in der ersten Ausgabe zwei gewöhnliche Mangabände enthalten. Man erhält also eine ganze Menge für sein Geld. Zumal die Druckqualität des Spotlacks und das Papier sich sehr wertig anfühlen. Doch was erwartet einen, wenn man sich auf diese Geschichte einlässt?

Die Suche nach der Identität

Die Hauptfigur Shinji Ikari ist zum Startpunkt der Handlung gerade Mal 14 Jahre alt. Er leidet schwer unter seiner disfunktionalen Bindung zu seinem Vater. Seine Mutter verstarb vor Jahren und er wuchs bei seinem Onkel auf. Sein Familienname wiegt jedoch schwer auf die von Unsicherheiten und Minderwertigkeitskomplexen geplagte Psyche des Jungen. Durch einen Notfall wird er, als einer der wenigen kompatiblen Menschen dieses Planeten, mit der Aufgabe konfrontiert die Welt zu retten. Dafür wird er in eine der Hochhaus großen humanoiden Maschinen, den Evangelions, gesteckt. Sein erster Kampf ging vorsichtig gesagt erfolgreich aus und er wurde zu einem festen Teil der Organisation NERV. Seine Schutzberechtigte und Bezugsperson wurde die unkonventionelle Misato, mit der er fortan zusammen leben sollte.

Als weiteres Teil des japanischen Abschnitts dieser weltweit agierenden Organisation steht Rei Ayanami an seiner Seite. Diese stoische, unnahbare und kalte junge Frau ist ebenfalls eine Pilotin einer EVA, wie die riesigen Kampfmaschinen auch genannt werden. Zusammen sollen sie nun Schutz vor den ebenfalls hoch technisierten Monstern bieten. Diese unregelmäßig auftretende Bedrohung trägt in dieser Welt den ironischen Namen „Engel“.

Copyright: Carlsen

Die zwei Teenager Rei und Shinji sind eine Zwangsgemeinschaft und kommen sich Stück für Stück näher. In einer Szene sogar überraschend körperlich. Sie sind immerhin die einzigen Menschen Japans, die die Welt vor den Engeln beschützen können. Doch leben sie beide isoliert von der Selbigen. Die erste Hälfte bietet sehr viele Charaktermomente und fast schon intime Dialoge zwischen den beiden Kindern. Ein gemeinsam koordinierter Angriff hat die EVA-00 schwer beschädigt und Rei verletzt. In diesen Momenten zeigt sich die immer wieder angedeutet Love-Story zwischen Shinji und ihr.

Ein neues Teammitglied

Da die Reparaturen an der von Rey geführten EVA-00 noch anhalten und Shinjis Fähigkeiten bei Weitem nicht ausreichen, um die unberechenbaren Bedrohungen der bisher noch ungeklärten Herkunft zu bekämpfen, holt sich die japanische Division eine neue Pilotin ins Team. Die US-Amerikanerin Asuka Langley trifft in der japanischen Zentrale ein. Ihr Ruf eilt ihre Voraus, denn sie ist eine der begnadetsten und agilsten Kämpferinnen in den monströsen Mechas, die der Planet zu bieten hat. Die Erwartungen sind groß, doch ihr Charakter lässt sich am ehesten als zwigesichtig beschreiben. Zu den Vorgesetzten gibt sie sich anbiedernd und freundlich. Ihren neuen Kollegen und gleichaltrigen Pilotinnen gegenüber ist sie kritisch, unfreundlich und arrogant.

Was wäre ein solches Setting nun ohne das klassische Motiv der Verbindung durch einen gemeinsamen Feind, das Wachsen durch ein gemeinsames Ziel. Misato kommt auf die Idee die zwei Teenager in ein gemeinsames Zimmer ziehen zu lassen. So sollen sie sich für den großen Kampf aufeinander einstimmen. Ein sich klonender Engel hatte ihnen kurz zuvor den Garaus gemacht, sie in ihre Schranken gewiesen, nahezu zerstört. Eine Katastrophe steht bevor, da auch Shinji und Asuka die vorgeschlagene Methode zur Synchronisierung ihres Angriffs, eine gemeinsam einstudierte Tanzchoreografie, nicht zu meistern scheinen.

Erst durch die Annäherung und das gemeinsame Kennenlernen gelingt es dem neu geformten Team die Konflikte und Vorurteile voneinander abzubauen. Ob es jedoch reichen wird den Engel zu besiegen, ist eines der Haupthandlungen dieser Ausgabe und soll daher nicht vorweggenommen werden.

Stil und Worldbuilding

In dieser zweiten Ausgabe erhalten die Lesenden einige Informationen zu den Hintergründen und Herkunft der Engel, der Funktionsweise der Evangelions und wird noch näher an die vorhanden Figuren geführt. Die relevantesten Figuren wie Misato und der Vater von Shinji, der auch der wissenschaftliche Leiter hinter den EVAs ist, werden tiefergehender charakterisiert. Außerdem werden weitere mysteriöse Gegebenheiten, wie das kurze Einführen des ersten menschlichen Wesens gezeigt. Dieser konservierte Embryo wird so kurz in die Handlung geworfen und verschwindet sofort wieder, dass sich daraus nichts, als ein vages Gefühl einer noch viel verstrickteren und komplizierten Welt erahnen lässt.

Copyright: Carlsen

Mindestens so verstrickt und auf kleine Details achtend, kommt der Stil der gesamten Reihe daher. Die detaillierten Zeichnungen der kalten und scharfkantigen Maschinen steht im harten Kontrast zum Fokus auf die Expressionen der Kinder. Es gelingt dem Künstler Yoshiyuki Sadamoto die feinen Nuancen in der Mimik und durch eine fabelhafte Wahl des richtigen Bildausschnitts zu zeigen. Die Schwere und seelische Belastung des Shinji, die überhebliche Erhabenheit der Asuka und die Kälte Reys werden allesamt mit viel Aufmerksamkeit illustriert.

Hat man jedoch die einmal die Animeadaption gesehen, in der auch die EVAs in knalligen Farben animiert wurden, so fällt es einem schwer diese Farben nicht in den Manga hineinzudenken. Da die Mechas und viele der Strukturen eine minimalistische Ausgestaltung der Oberflächen präsentieren, bleibt viel Weiß im Panel. Dies lässt die eigentlich sehr bedrohliche Ausgangslage dieser Welt und den anstehenden Bedrohungen an Drastik verlieren. Das Tempo dieser Teenage Drama-Komödie ist gemäßigter Geschwindigkeit und Spannung, wobei sich andererseits einige sehr aufregende Szenen in Windeseile weglesen.

Neon Genesis Evangelion 2 Perfect Edition Rei Carlsen Cover
Beziehung, Kampf und Verletzungen
„Neon Genesis Evangelion 2 - Perfect Edition“ offenbart einen einfühlsamen und weichen Kern. Die Action ist gut inszeniert, die Kämpfe dynamisch und die Dialoge zeigen Witz und Charme. Was in einigen wenigen Andeutungen zum Worldbuilding verlautbart wird, macht ein wenig neugierig. Insgesamt ist diese zweite Ausgabe sehr fokussiert auf die Beziehungen der Figuren, ins Besondere der zwischen Shinji und Rei, wie auch Asuka. Man hat mit dieser Ausgabe einiges an Material zu lesen und ist wegen der gut gesetzten Spannungsbögen zügig durch und möchte mehr der Geheimnisse ergründen.
Pro
dynamische Kämpfe
zarte Charaktermomente
Kontra
großer, angedeuteter Master-Plan dieser Reihe noch nicht zu erkennen
vorhersehbare Figurenkonstellation und Beziehung zueinander

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris

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