Dieser Ausgabe von „Nightwing“ ist eine zum Feiern. Es markiert die 100. Ausgabe dieser von Tom Taylor und Bruno Redondo geführten Serie, die ihrerseits bereits wichtige Preise wie den Eisner-Award gewann. In diesem bei Panini erschienenen Paperback findet sich die Annual-Ausgabe von 2022, in der sich eine große Riege von Zeichner*innen und Autor*innen in drei kurzen Kapiteln ihr Bestes zu zeigen. Glücklicherweise ist selbst dieses Annual sinnvoll in dieses Paperback eingearbeitet. Es steht viel für Dick Grayson auf dem Spiel, denn es geht um „Blockbusters Erbe“.
Ein Vakuum der Macht
Der gefährlichste und einflussreichste Unterweltboss Blockbuster ist tot. Die langen Auseinandersetzungen mit Dick Grayson alias Nightwing haben den Gangster unachtsam werden lassen und führten schlussendlich zum Ableben. Doch nicht etwa der Titelheld selbst hat dazu beigetragen, es war der seit Anbeginn dieser Serie eingeführte Antagonist Heartless. Dieser erhält nun einen großen Teil in dieser Ausgabe, worin die Origin erzählt wird. Dass Nightwings Origin und die des Gegenspielers miteinander verbunden sind, macht diesen Helden umso interessanter. Der als psychopathisches Kind erzählte Heartless sieht seine Bestimmung darin Dick Grayson zu quälen und zu töten.
Um dies zu erreichen will er die Stadt Blüdhaven ins Chaos stürzen. Dafür zerstört der Herzen raubende und technisch augmentierte Schurke das Stadtgefängnis. In diesen Wirren möchte er sich seinem Opfer Nightwing nähern und wittert seine Chance. Doch hat er nicht damit gerechnet, dass Dick Grayson von seinen Freunden und Teamkollegen den Titans Unterstützung erhält. Von Flash über Beast Boy sind alle dabei und sie heizen den von Heartless mit Masken ausgestatteten Häftlingen gehörig ein. Außerdem schwingt sich Red Hood mit ins Getümmel, eine Doppelseite in der sich Nightwing vs Red Hood in dynamischer Pose präsentieren.
Ein interessantes Motiv zeigt sich in dem die Handlung bestimmenden Konflikt: der Verlust vor Bestrafung durch Anonymisierung. Inwieweit diese Analogie als Metapher zur aktuellen Welt zu deuten sei, bleibt den Lesenden selbst überlassen.
Kleine und große Besonderheiten
Als kleines Bonbon springt diese Ausgabe, zur Auflockerung der Handlung, in eine Geschichte mit großem Comic-Relief. Der kleine Formwandler Nite-Mite erscheint und zeigt Nightwing eine wundersame und bunte Parallelrealität. Eine dieser Realitäten zeigt eine Hochzeit zwischen Dick Grayson und seiner Partnerin Barbara Gordon. Ob nun also bald die Glocken für die Zwei läuten sollen? Es bleibt abzuwarten.
Im Weiteren führt dieser Comic etwas aus, das häufig angedeutet wurde: die Vater-Sohn-Beziehung zu seinem Adoptivvater Batman. Als Nightwing Robin war, musste dieser einem harten Training ohne Mitgefühl unterlaufen. So sieht sich Nightwing selber in der Lage dem neuen Superman Jr. ein paar Lektionen zu vermitteln. Im Folgenden wird die aufgebaute Spannung zwischen Batman und Nightwing mit einer großen Bitte aufgelöst. Nightwing wird von Wonder Woman und Batman als neuer Anführer der Justice League vorgeschlagen. Ein Schock und ein Moment der Freude zugleich.
Die Stile
In „Nightwing 5“ verbinden sich eine Vielzahl von Künstler*innen, die alle ihre eigene Interpretation hervorbringen. Die Übergänge von Stil zu Stil gelingen zumeist sehr glatt und fallen nicht sehr oft stark ins Gewicht. Alle versuchen sich am Stil Bruno Redondo und Geraldo Borges zu orientieren. So bleiben eine klare Formsprache, dynamische Kämpfe, einfühlsam ausgestaltete Mimik und ein ausgewogenes Niveau an Details in jedem Panel. Dies macht diese Reihe allgemein gesprochen zu einer sehr empfehlenswerten Serie. Man kann daran einfach nicht viel aussetzen, denn jede Seite ist so überzeugend und in idealer Perspektive und dem Erzählstrang angemessen umgesetzt.
Die Vielfalt in den Geschichten und künstlerischen Ausarbeitungen macht dieses Paperback zu einem bunten Topf voller interessanter Kunst, aber wirkt gleichzeitig nicht übers Knie gebrochen oder gewollt vielfältig.