Sandman – das berüchtigtste Comic-Epos aller Zeiten?

17. Januar 2022
4 Minuten Lesezeit

Vor über 30 Jahren begann Neil Gaiman die Veröffentlichung des „Sandman“, einem 75 Hefte langen Epos der neunten Kunstform. Nun erscheint demnächst eine Netflix-Adaption und die Fans und Anhänger rasten förmlich aus. Entweder weil sich einige „Ultras“ darin beleidigt fühlen, dass Figuren in der Serien-Adaption ein anderes Geschlecht oder Hautfarbe haben, als die Figuren der Vorlage. Andere flippen einfach vor Vorfreude aus, diese unglaubliche Geschichte nun endlich hochwertig produziert auf Film gebannt erleben zu dürfen. Der Autor Neil Gaiman arbeitet sehr dicht mit den produzierenden Akteuren dieser Serie zusammen und ist als „Creator“ gelistet. Wie er auf Twitter klar gemacht hat, sind ihm Meinungen von eben genannten „Ultras“ (Scheiß)egal, denn er hat 30 Jahre dagegen gekämpft billige Adaptionen seines Werks aus Hollywood sehen zu müssen. Nun ist er stolz dabei sein zu können und eine seiner Erzählung würdige Adaption zu kreieren.

Neil Gaiman, ebenfalls bekannt durch die Comicreihe American Gods und die Romanvorlage zum Film Coraline, arbeitete in „Sandman“ einen extrem umfangreichen Pantheon von Gottheiten, Wesen, fiktiven Figuren und real existierenden Persönlichkeiten aus. Es ist daher nahezu unmöglich dies in seiner Fülle in einer kurzen Rezension zu begreifen. Der Panini Verlag hat die gesamte Reihe mittlerweile in 10 Bänden einer Deluxe Edition entweder im Hardover oder Paperback gesammelt.

Die Handlung

Tja, worum geht es denn in „Sandman“? Man kann behaupten es geht um den Traum, das Surreale, die Fantasie, die Suche, Realität und den Tot.

Es geht ungefähr so los:
Die immer wiederkehrende namensgebenden Figur des Sandman, Dream, auch Morpheus oder einfach Traumweber genannt, wird im ersten Band versehentlich bei einer Beschwörung auf die Erde geholt. Dort wird er für mehrere Jahrzehnte festgehalten und er freundete sich, trotz der Gefangenschaft, mit den Menschen und ihren Schicksalen an. Eines Tages kehrt er in sein Reich zurück und muss schreckliches Feststellen, die Träume und das Reich der Träume sind verkommen. Morpheus beginnt seine Traumwelt wieder aufzubauen und muss das eine oder andere Mal in Welten, die er lieber nicht betreten hätte.

Dies wird sicherlich, den Trailern der Serie zu Folge, auch die Rahmenhandlung der im Frühling oder Sommer auf Netflix erscheinenden Adaption werden.

Da sich aber tatsächlich ab einer gewissen Anzahl an Kapiteln keine durchgehende Handlung beschreiben lässt, kann man das Gesamtwerk mehr wie eine Sammlung verschiedener Kurzgeschichten beschreiben. Immer wieder treten bekannte Figuren auf, die dann Bezug nehmen zu vorangegangenen Ausgaben und Ereignissen, die die Konsequenzen vergangener Handlungen zu tragen haben. Gaiman schaffte es über die vielen Jahre einen losen Verbund von Episoden zu einer großen Saga zusammenzubinden.

Themen die Sandman anregt

Sehr häufig werden die zur Zeit der Entstehung dieser Reihe von der Gesellschaft ausgeschlossenen Menschen wie Obdachlose, Homosexuelle, Nichtbinäre Geschlechteridentitäten oder einfach von der „Norm“ abweichend denkende Menschen zum zentralen Handlungsträger einer Episode. Allein auf Grund dessen entstehen häufig Erzählungen und Themen, die man in den 90ern vergeblich in Comics, wenn sogar den populärkulturellen Medienerzeugnissen fand. Die Reihe bietet nebst des großen und vielfältigen Figurenkanons extrem spannende metaphysische Thematiken. Das eine oder andere Mal fand ich mich selber in Diskussionen über etwas gerade gelesenes zur Realität eines Traums, der Bedeutung von Vergangenheit und Zukunft im Bezug auf das Träumen.

Diese Reihe regt an, verstört und überrascht des Öfteren. Als Kritik dazu muss aber auch gesagt werden, dass die Art und Weise zu erzählen, vor Allem die zeichnerische Darstellung keines Weges jedem gefallen wird.

Der Stil

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Sandman hat nicht den einen zeichnerischen Stil. Wenn man dieser Reihe einen prägenden Stil zuordnen müsste, dann könnte man diesen als konventionellen Stil der 80er Comics beschreiben. Ein recht ähnlicher Zeichenstil lässt sich im originalen „Watchmen“ von Alan Moore finden.

Da aber Neil Gaiman in seinen 75 Heften unzählige Künstler für seine Ideen und Geschichten an seine Geschichten ließ, kann man wirklich nicht von dem einen Stil reden.

Grundsätzlich sind es fast hauptsächlich „Old-School“ Zeichnungen, die mit klaren Farbflächen, meist einem etwas dreckigen Look im Character-Design und häufig einfach gestalten Hintergründen glänzen. Es ist aus heutiger Sicht sicherlich eine große Umgewöhnung, aber das ist auch die Geschichte als solche. Daher kann man sich die visuelle Darstellung in Verbindung zum andersartigen und surrealen Inhalt ganz gut als Komplettpaket denken. Sollten die Zeichnungen einen natürlich so abschrecken, dass man sich der Geschichte nicht hingeben kann, wäre das sehr schade. Dann heißt es wohl warten bis die Serie erscheint.

Fazit

Allein die Tatsache, dass Comiclisten zum Thema „besten Comics aller Zeiten“ oder „Comics die man lesen muss, bevor man stirbt“ immer wieder Sandman-Titel aufführen, dass Verlage wie Panini von Zeit zu Zeit eine neue Edition auf den Markt bringen und wohl offensichtlich immer noch sehr guten Absatz findet, spricht Bände darüber, wie viel Interesse immer noch an diesem Werk besteht. Die davon ausgehenden Einflüsse sind auch auf die folgenden Comics und Filme nicht unerheblich. So könnte man spitzfindig behaupten, dass einige Charaktere der sehr erfolgreichen Reihe „Deadly Class“ von Rick Remender starke Anlehnung an Figuren des Sandman-Universums zeigen.

Die Art und Weise einen Kosmos aufzubauen, der so spielerisch vielfältige und komplexe Figuren hantieren kann, ist sicherlich auch etwas, das Neil Gaiman als besonderen Autor dieser Zeit auszeichnet. So haben es auch viele Komitees beurteilt und ihm einige der wichtigsten Preise für Sandman, wie auch sein gesamtes Werk verliehen.

Die bereits anfänglich genannte Hysterie um den Serienstart und die im Internet gestartete Kontroverse zu Geschlecht und Hautfarbe einiger Figuren, zeugt davon, wie sehr sich die Fans immer noch mit dem Sandman-Universum identifizieren, wie wichtig und dogmatisch sie mit diesem Stoff umgehen. Dies spricht nicht unbedingt für die geistige und moralische Einstellung der Fans, aber es zeigt wie präsent und aktuell dieser schon 30 Jahre alte Comic immer noch ist.

Sandman gilt als Kult unter Comic-Lesern und als „muss man gelesen haben“ unter Enthusiasten. Man muss es aber tatsächlich nicht gelesen haben, verpasst aber eine gute Menge innovativen Story-Tellings und anregende Gedankengänge, die man in dieser Form nur selten findet.

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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