
In Zeiten der Diversifizierung kommt so manches Mal – unter Umständen auch berechtigt – der Vorwand auf, dass es sich um einen vermarktbaren Genderswap handele. So würden Figuren einfach weiblich gemacht, obwohl ihre Handlungen und Dialoge nicht anders sind als die ihrer männlichen Pendants. Sie sind Machos und reproduzieren das Patriarchat nach allen Regeln der Kunst, ohne sich als eigenständige, emanzipierte Frau zu verstehen, frei von konventionellen Rollenbildern, frei von einer weiblichen Bringschuld dem konservativen Konsumenten gegenüber.
Doch zum Glück gibt es das Medium Comic und so fabelhafte Autoren wie Tom King, die ein weiteres Mal beweisen, dass selbst im Kontext einer Heldenfigur mehr möglich ist als zuerst angenommen.
Diese abgeschlossene Mini-Serie mit dem treffenden Titel „Supergirl – Die Frau von morgen“ erscheint beim Stuttgarter Verlag Panini Comics und ist ein absoluter Garant für hochwertige visuelle und erzählerische Unterhaltung.
„Es ist zu viel. Und wir sind zu klein.„
Die Geschichte beginnt mit einem den Ton setzenden Monolog der Erzählerin und Protagonistin Ruthye. In einem scherzend sarkastischen Ton wird den Leser:innen schnell klargemacht, worum es in dieser Geschichte geht: Rache. Denn es begab sich so, dass der sadistische Agent Krem ihren Vater tötete. Als Tochter eines einfachen Steinfarmers mit dem Wenigen, was sie besaß, außer dem Schwert, das in ihrem Vater steckte, begibt sie sich auf die Suche nach jemandem, der ihre Rache ausführen soll.
In einer Taverne stößt sie durch Zufall auf die sturzbetrunkene Supergirl. Sie war gerade im Begriff, ihren 21. Geburtstag zu feiern und wird schneller als sie sich übergeben kann in das Anliegen der Ruthye hineingezogen. Der Agent des Königs und Mörder von Ruthyes Vater hat sie ausfindig gemacht und Supergirls Hund Krypto schwer verwundet. Außerdem stahl dieser Supergirls Raumschiff. Was blieb also, außer eine lange Reise anzutreten und Krem hinterherzujagen?
So reisen die zwei jungen Frauen gemeinsam durch das Universum, besuchen zig Galaxien und Planeten und verfolgen den Mörder auf seiner blutigen Spur durchs Weltall. Er ist von einer Erpresserbande namens Briganten aufgenommen worden, deren Verhandlungsstrategie auf Genozid oder Geld beruht. Lange Zeit einen Schritt zu spät kommen Supergirl und Ruthye also in Kontakt mit diversesten Schicksalen und Tragödien, die allesamt so wahnsinnig gut geschrieben sind, dass sich innerhalb weniger Seiten eine Wucht an Emotionalität einstellt. Nicht selten kann es also vorkommen, dass die Erlebnisse – in ihrer Wirkung durch die Erzählertexte Ruthyes untermalt – zu einem bedrückenden oder hochjubelnden Ereignis entfaltet werden.
Tom King erzählt mehr als nur eine Geschichte der Vergeltung. Es geht um den Verlust, um Trauerverarbeitung, um die Schatten der Vergangenheit und wie man mit alledem umgehen will. Einfühlsam, witzelnd, ironisch, auf den Punkt und ungeschönt voll von harter Gewalt zeigt sich Supergirl in einer neuartigen Gestalt.
Der Stil
Die Künstlerin Bilquis Evely setzt diese Space-Fantasy-Story um, als würde dies ihre Geschichte sein. Es sind wirklich umwerfend schöne Bilder dabei entstanden, die einen in diese bunten und vielfältigen Welten hineinsaugen. Die Figurendesigns zeigen klare, teilweise sogar harte Konturen und sind häufig mit feinen Outlines gezeichnet. Eine stilistische Fusion Sean Murphy (Weißer Ritter) und ein wenig Chris Bachalo kann man darin sehen.
Die Panelstruktur bewegt sich zwischen Story-Board-Stil, vier Panorama-Panels oder einer weiteren sehr konventionellen Aufteilung. Doch dies lässt den Blick nur umso mehr auf die großartigen Szenerien fallen. Sehr viele detailreiche Hintergründe und ein guter Blick für Perspektiven lassen die Figuren einfach wundervoll wirken. Vor allem macht die Kolorierung durch Matheus Lopes einiges her und trifft die Tonalität der Szene einfach perfekt.
Im Kern fühlt man die Superhelden-Story, aber sie wirkt so viel besser als der ganz normale alltägliche Heldenkram.





