Tarzan

10. Juni 2022
3 Minuten Lesezeit
Copyright: Splitter-Verlag

Bereits 1912 erschien mit „Tarzan bei den Affen“ (Tarzan of the Apes) der erste Teil einer 24-teiligen Saga. Anfänglich wurde die Geschichte des Autoren Edgar Rice Burroughs in Pulp Magazinen abgedruckt. Pulp Magazine sind eine ganz eigene Gattung von Medium und würden ihren eigenen Beitrag verdienen. Darin haben sich viele sehr innovative und aufstrebende Autoren ihre ersten Sporen verdient. Viele der abgedruckten Geschichten waren Science-Fiction, Western- oder Detektivstories. Eine vielleicht noch bekannte Figur des Autoren von Tarzan ist John Carter, der auch einen eigenen Film von Disney erhielt.

In dieser Graphic-Novel Ausgabe des Splitter-Verlags hat sich der Autor und Szenarist Christophe Bec mit dem Zeichner Stevan Subic zusammengeschlossen. Bec gehört mittlerweile zu einem der Stammautoren des Splitter-Verlags, dessen Bandbreite von Science-Fiction über Mythologie bis zu Thrillern immens groß ist. Stevan Subic ist noch relativ neu in der Welt der Comics, aber wenn er so weiter abliefert wird es nicht lange dauern, bis die ganz großen Verlage an seiner Tür klopfen. Wie gewohnt bekommt der Leser beim Splitter-Verlag einen hochwertigen Druck auf kräftigem Papier und natürlich immer im Album-Format, also knapp 23×32 Zentimeter groß.

Von Wolfskindern und Affenmüttern

Tarzan Leseprobe 1
Copyright: Splitter-Verlag

Das Motiv des Kindes, welches in der Wildnis von Tieren groß gezogen wird, ist keines der Neuzeit. Bereits seit dem 14. Jahrhundert ranken sich Geschichten und Sagen um Kinder, die eines Tages in die Zivilisation gelangen und von Wölfen, Affen, Ratten oder anderen Tieren sozialisiert und gepflegt wurden. Wenige davon sind wissenschaftlich bestätigt, obwohl dieses Phänomen bis in die heutige Zeit auftritt. Die Fälle sind vermehrt in Ländern mit noch dichter Natur und schier unendlichen Weiten zu verzeichnen.

Die Geschichte des John Clayton, alias Tarzan, ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts situiert. Der Forschungsdrang fremde Kontinente, Spezies und Kulturen zu entdecken bietet sich auf Grund großer weißer Flecken auf der Karte noch als interessantes Ziel an. Dampfmaschinen und große Schiffe überfahren jedoch schon die Weltmeere und verbinden die Kontinente mittels ziviler Schifffahrt.

Tarzan ist ein von Mangani-Affen (eine fiktive Spezies des Autoren) aufgezogener Junge. Die ihm stetig gegenüber gebrachte Ablehnung der Leitmännchen kostet ihn so manches Mal fast das Leben. Seine sorgsame Mutter Kala hingegen behütet ihn bis zu dem Tag, als indigene Äquatorialafrikaner diese mit einer Lanzen erstechen. Tarzans Neugier, seine schier übermenschlichen Kräften und der behände Umgang mit einem Messer stellen seinen Rang in der Gruppe der Affen, gar dem gesamten Dschungel schnell klar. Zu früher Zeit entdeckte er die Hütte seiner einstigen menschlichen Eltern und lernte einiges der menschlichen Sprache, studierte die Bilder in den Büchern und gab sich selbst den Namen Tarzan.

Zivilisation trifft Indigene

Der zur Zeit der Handlung ausgelebte Kolonialismus war Teil des gewöhnlichen Selbstverständnisses des „weißen Mannes“. Ihm gehörte die aufgeteilte Welt und auch alles sich darin befindliche. So zeigt der Autor Christophe Bec diese Attitüde anhand einiger Figuren, die sich auf den Weg in Tarzans Dschungel machten, um dort die evolutionäre Verbindung vom Affen zum Menschen zu finden. Die grobschlächtigen Jäger und ehemaligen Soldaten, die selbstverständlich ein Recht darauf erheben jedes noch so majestätische Wesen zu erschießen und als Trophäe mitzunehmen, verkörpern diesen Geist des Kolonialisten sehr treffend. Leider ist dies kein Phänomen der Vergangenheit, da noch heute Jagdsafaris abgehalten werden. Dabei geht es häufig darum „die großen Fünf“ zu sehen oder gar zu schießen.

Ein Gorilla entführt Jane, die an Wissenschaft interessierte Tochter des Expidionsleiters. Tarzan hingegen befreit die ihm bereits aufgefallene blonde Schönheit in einem animalischen Kampf. Es knistert gewaltig zwischen den beiden jungen Menschen, die sich fast nur nonverbal verständigen können. Doch braucht es für gewisse Aktivitäten ja auch keine Worte.

Der indigene Jägerstamm tritt wieder auf den Plan und tötet einige Soldaten und Matrosen, ein wichtiger Begleiter der Gesellschaft wird entführt und es trennen sich die Wege von Jane und Tarzan, für viele Jahre. Doch lest es lieber selber, denn diese Geschichte macht einige Wendungen, die man so noch nicht aus dem doch sehr prägenden und bekannten Disneyfilm kennt.

Tarzan Leseprobe 2
Copyright: Splitter-Verlag

Der Stil

Schon beim Anblick des Covers weckt der Zeichenstil eine immense Neugier und Interesse auf alles, was einen erwarten mag. Stevan Subic zeichnet wirklich begnadet gute Bilder, die fantastisch detailreich und atmosphärisch sind. Dabei gelingt ihm vor allem die Darstellung des Animalischen, die dunklen von Instinkten getriebene Blicke, die durch das Dickicht sein Opfer beobachten. Auch die Anatomie und Dynamik der kämpferischen Auseinandersetzung verkörpert pure Kraft und Macht. So gewaltig und kraftvoll seine Bilder und Figuren auch sind, so grob sind dann leider auch manchmal die Gesichtsausdrücke. Subtile und feine Nuancen im Ausdruck würden diesen wesentlich mehr Kraft und Expressivität verleihen.

Die Arbeit mit Licht und Schatten, vor allem den Schattenschlägen, ist wie auch schon auf dem Cover zu sehen, einfach unfassbar gut. Jedoch muss dazu gesagt werden, dass man an einigen Stellen den Eindruck bekommt, der etwas größer geratene „Ganzkörperschatten“ diene der Arbeitsersparnis. Diese ist nur eine polemische Unterstellung, die nicht auf Fakten beruht. Trotz allem ist die Szenerie wirklich großartig illustriert und ebenso koloriert.

In der visuellen Inszenierung gelingt sehr vieles extrem gut. Die Zeichnungen überzeugen, die Farben saugen einen ein, Licht Schatten und Struktur der Panels ist wirklich super. Dann ist da noch die Panelstruktur und die ist gut, aber in einigen wenigen Teilen verwirrend. Der Lesefluss wird dabei nicht durch Sprechblasenplatzierung oder die Anordnung der Panels intuitiv erfassbar. So kann es passieren, dass sich an ein oder zwei Stellen im gesamten Werk eine falsche Lesereihenfolge einschleicht. Diese speziellen Teile fallen allerdings nicht sehr schwer ins Gewicht beim Gesamteindruck.

Tarzan
Eine zeitgemäßer Tarzan
Du findest Tarzan als Figur gut und wolltest schon immer sehen, wie man den Herrn des Dschungels noch interpretieren kann? Dann greift zu bei dieser tollen Graphic-Novel, die mit aktuellen Thematiken aufwartet, fantastische Zeichnungen innehat und einen Tarzan zeigt, der mindest so brutal und ungeschminkt wirkt, wie das Leben unter Tieren sein würde. Auf Grund der gezeigten Gewalt und der teils sehr düsteren Atmosphäre ist diese Geschichte sicherlich erst für etwas größere Kinder oder gar Erwachsene geeignet. Mit „Tarzan - Herr des Dschungels“ startete Christophe Bec und Stevan Subic eine Reihe, die Mitte diesen Jahres mit „Tarzan - Am Mittelpunkt der Erde“ fortgeführt wird. Also im Ganzen eine Empfehlung für Neueinsteiger und Liebhaber des Mediums Comic.
Pro
grandios düstere und ungeschönte Illustrationen des Lebens im Dschungel
thematisch und in seinen Werten sehr aktuell
Kontra
feine Nuancen in den Expressionen der Figuren zünden manchmal nicht
9

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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