Superhelden sind unsterblich, zumindest vermittelt es den Eindruck. Die oftmals 60 bis 80 Jahre alten Figuren erlebten in ihrer Veröffentlichungsgeschichte viele Wiederbelebungen und Neuinterpretationen. Dass der Reiz, eine vermeintlich unsterbliche, fiktive Figur zu einem Ende zu bringen, groß sein kann, wissen wir nicht erst seit Wolverine „Dead Man Logan“ oder „Spider-Man: Geschichten eines Lebens“.
In dem Paperback „The End – Das Ende der Legenden“ haben sich viele namenhafte Autor:innen und Zeichner:innen versammelt, um den aktuell beliebten Figuren des Marvel-Kosmos ein Ende zu verleihen. Es entstand eine Sammlung von sechs Kapiteln, die der Panini Verlag in einer Ausgabe veröffentlicht.
Sechs Helden und ihre letzten Taten
Diese Ausgabe wird mit dem Helden aller Marvel-Helden gestartet: Captain America. Er findet sich in einer dystopischen Zukunft, in der ein Virus die gesamte Menschheit zu Red Skulls mutieren lässt. Er kämpft mit einigen aus dem Untergrund agierenden Menschen gegen die schier übermächtige Bedrohung. Die ihm sonst zugesprochene „I can do this all day“-Attitüde droht ihm jedoch abhandenzukommen, da es keinen Ausweg zu geben scheint. Der mittlerweile ergraute Steve Rogers schiebt Gedanken hin und her, die sich auf eine aktuelle gesellschaftliche Strömung anlegen lassen. Die Hysterie, Massenpaniken und Ängste, eine kollektivistische Bedrohung für die Freiheit des Individuums und die Frage nach ethischen Grundsätzen im Kampf gegen ebensolche Bedrohungen werden hierin angesprochen. Erik Larsen hat diese Episode geschrieben, gezeichnet und getuscht.
Das folgende Kapitel ist Carol Danvers, alias Captain Marvel gewidmet. Geschrieben hat es Kelly Thompson, gezeichnet und getuscht wurde es von Carmen Carnero und es erhielt von David Curiel seine ausgezeichneten Farben. Mrs. Danvers ist wie immer mit der Rettung verschiedener Galaxien irgendwo im Weltraum unterwegs, als sie einen Notruf von der Erde empfängt. In Windeseile begibt sie sich zurück, um dort eine von Monstern geplagte und durch eine nahezu erloschene Sonne unbelebte Welt vorzufinden. Nur einige wenige Menschen und Mutanten haben sich retten können. Die Freude eines Wiedersehens ist auf allen Seiten immens, doch währt dieses Gefühl nicht sehr lange. Carol Danvers muss eine wichtige Entscheidung treffen, um das Fortbestehen des Planeten zu sichern. Dieses Kapitel gehört optisch zu einem der besseren dieses Paperbacks.
Im dritten Teil dieses Paperbacks wird es albern, denn Deadpool tritt auf. Wie gewohnt spielt Wade Wilson mit seiner Rolle als Comic-Figur, bricht die vierte Wand, referenziert sich und vorige Erlebnisse aus alten Reihen in Monologen und folgt keinem konventionellen Handlungsverlauf. Geschrieben wurde dieses Heft von Joe Kelly, einem der Deadpool-Veteranen. Die Zeichnungen hat Mike Hawthorne beigesteuert, welche von Victor Olazaba getuscht und von Ruth Redmond koloriert wurden. Zu dieser Episode kann nicht viel gesagt werden, außer dass sich der Autor durch die Figur möglicherweise über die vielen alternativen Enden in Comics, die möglichen und oftmals grotesken Wege dahinzuscheiden und den Tod einer fiktiven Figur echauffiert.
Des Weiteren bekommen wir eine Episode über Doctor Strange und seinen letzten magischen Kraftakt zu Gesicht. Diese wurde geschrieben von Leah Williams, gezeichnet und getuscht von Filipe Andrade und koloriert von Chris O’Halloran. Visuell ist diese Episode mit seinen kontrastierenden Formen, Strukturen und Designs die wohl spannendste Geschichte.
Ebenso wird Miles Morales alias Spider-Man geschrieben vom derzeitigen Stammautoren Saladin Ahmed, gezeichnet und getuscht von Damion Scott und koloriert von Dono Sanchéz-Almara, der auch die Captain America Episode einfärbte.
Als letztes Kapitel erhalten wir eine Venom-Story, die den menschenfressenden Symbionten in einem neuen Licht zeigt. Adam Warren schrieb, Jeffrey „Chamba“ Cruz zeichnete und tuschte und Guru-eFX kolorierte dieses Kapitel. Dieses Kapitel ist in der Struktur und Perspektive so grundlegend anders, als alle vorher gezeigten, dass es wirklich heraussticht und daher der Genom-Venom mit gutem Grund auf dem Cover gelandet ist.
Die Stile
Die stilistischen Unterschiede sind eklatant. Es reicht von sehr „hässlichen“, überspitzten, ja fast karikierenden Zeichnungen bis zum derzeitigen Standard in der Welt des Comic-Zeichnens. In seinen Extremen sollte man die Captain America- und Miles Morales-Geschichten heranziehen. Diese sind oftmals gänzlich proportionslos, überzeichnet, in ihren Bildern überfrachtet und daher auch leider unübersichtlich. Dazu kommt, dass die Designs nicht mal mit einem kantig-rauen Look aufwarten können, der einen gewissen Reiz hätte.
Die Arbeit an der Captain Marvel Episode ist nicht herausragend, aber extrem solide und schön in der Art und Weise, Farben und Formen zu kombinieren.
Das – wie bereits angedeutet – interessanteste Werk ist wohl die Doctor Strange Episode, die sich an Chris Bachalos Style, den schnauzbärtigen Magier zu zeichnen, orientiert. Allerdings erinnern die Zeichnungen im Detail mehr an klassische Stile der 70er oder 80er, die eine gewisse moderne Fusion erfahren haben.
Das visuelle Spektrum ist recht groß, wenn auch nicht so abwechslungsreich, wie man es vielleicht bei einem Titel dieses apokalyptischen Ausmaßes erwarten würde.