Die Geschichte ist etwas, das als Quelle der Inspiration und der Lehren fungieren könnte. Nicht immer lassen sich die Ereignisse so gut abstrahieren und auf die heutige Zeit übertragen, wie in dieser. „They Called Us Enemy“ ist der gelungene Versuch die Erfahrungen als japanisch-amerikanischer Bürger zur Zeit des zweiten Weltkrieges zu beschreiben. Der Erzähler und Autor dieses Werks ist George Takei, der als Sulu in der Serie „Star Trek“ zu Berühmtheit gelangt ist. Diese Graphic-Biography haben Justin Eisner und Steven Scott inszeniert. Harmony Becker illustrierte das beim Cross-Cult Verlag erschienene Werk ganz im Stile eines japanischen Comics.
Geschichte ist Erinnerung
Mittlerweile ist eine Zeit erreicht, in der immer weniger Zeitzeugen der jüngeren Geschichte, noch unter uns weilen und ihre Erinnerungen erzählen können. Ins Besondere die Schrecken des zweiten Weltkrieges ist eine Episode des 20. Jahrhunderts, welche in ihren Spätwirkungen bis heute anhalten. George Takei, geborener US-Amerikaner mit japanischen Eltern, erzählt in dieser Graphic-Novel aus seiner Kindheit.
Kurz nachdem Japan Pearl Harbor angriff, geschah etwas, das sich so glücklicherweise nicht wiederholt hat. Obwohl man sagen muss, dass die Mechanismen dessen in anderer Form auch heute noch Verwendung finden. Denn als Japan die USA attackierte wurden alle Japano-Amerikaner kategorisch als feindlich betrachtet. Dies führte dazu, dass innerhalb weniger Monate eine gesamte Ethnie von ungefähr 130.000 Menschen im eigenen Land entwurzelt wurde. Sie wurden in Internierungslager, im Grunde notdürftig erstellte Camps für politische Gefangene, umgesiedelt. Ihnen wurde ihr Eigentum, ihre Rechte und ihre Identität als Amerikaner aberkannt.
Realität oder Verklärung
Takei schildert diese Erlebnisse im Rückblick. Die kindliche Naivität, die Neugier und Begeisterung für ein solches Abenteuers kommen glaubhaft heraus. Anfangs war es ja auch wie ein Abenteuer für viele der Kinder. Teilweise lange Bahnreisen, in denen sie nicht von der Öffentlichkeit gesehen werden durften, so dass sie immer, wenn sie eine Stadt passierten, die Jalousien herunterziehen mussten. Es durfte nur mitgenommen werden, was getragen werden konnte. So verloren viele Familien ihre gesamte Existenz, teilweise für immer. Im Falle der Familie Takei gelang es durch viel Fleiß und Aufopferung des Vaters eine gewisse Verantwortungsposition innerhalb des Camps zu erlangen. Dies ermöglichte ihnen auch mal so etwas wie Freigang.
Doch die allgemeine Realität sah anders aus. Mittels von erlassenen Gesetzen und Verordnungen durch die Roosevelt-Regierung waren sie der Willkür des Staates, den sie nicht mal mehr ihre Heimat nennen konnten, ausgesetzt und ausgeliefert. Innerhalb weniger Jahre musste sie mehrere Male Erniedrigungen unmenschlichster Art durchleben. Erst verloren sie alles, um dann einige Jahre darauf als Freiwillige für das Land ihrer Pein in den Krieg nach Europa zu gehen. Ein Fragebogen, der lange Zeit für Kontroversen innerhalb der Gefangenen sorgte, spaltete die Internierten in zwei Gruppen. Es gab jene, die der USA ihre Treue und Kampfeswillen gelobten und sich gleichzeitig von „ihrem Kaiser“ absagten. Dann gab es aber auch jene, die auf diese Fragen mit zweifachem „Nein“ antworteten. Man klassifizierte sie intern dann zu „Nein-Neins“ siedelte sie deshalb sogar noch einmal um. Von dort an lebten sie in einem Hochsicherheitsgefängnis unter freiem Himmel.
Erinnerungen sind Bilder
Dieser Graphic-Novel gelingt es außerordentlich gut das Erlebte und die Erinnerung in Bildern zu greifen. Der Erzählung der kulturellen Perspektive angepasst, ist der Stil eines Mangas, also ausschließlich schwarz-weiße Bilder, in diesem Werk zu finden. Klassische Illustrationsmethoden wie die Rasterfolie oder Speed-Lines lassen sich ebenfalls entdecken. Trotz der oftmals erschütternd traurigen Thematik sind die Protagonisten George und sein Bruder Henry in einem eher witzig, optimistischen Stil gezeichnet. Große runde Augen und große Runde Gesichter treffen auf Sternchen umrahmte Freude.
Selbst die vermeintlich tristen Augenblicke, wie die Erstbegehung ihres neuen „Hauses“ im Camp, die Pein und Scham der Eltern beim Ausfüllen des Antrags und einige weitere emotional ergreifende Szenen sind in ihrer Tonalität eher hell. Dies wirkt sehr erfrischend und verfehlt zeitgleich nicht die Wirkung der jeweiligen Szene. Die gezeichneten Emotionen transportieren sich sehr gut über die Gesichtsausdrücke. Allerdings geht der Dramatik und Verwerflichkeit dieser gesamten Situation etwas verloren.
Die Panelstruktur dieses Werks ist dem Sujet angemessen und daher konventionell. Nur in einigen wenigen Szenen, wie denen der Aufstände und Unruhen in den Camps, zeigen die Künstler eine wildere und losere Aufteilung einer Seite. Immer wieder wird außerdem die Erzählerperspektive, also der Rückblick des bereits gealterten George Takei, in teilweise nur einem Panel aufgegriffen und eingeworfen. Diese kleinen Einwürfe reißen einen wieder heraus aus der Kindergeschichte, die sich manchmal so überzeugend wie eine andersartige „Slice-of-Life“ Story liest. Das Timing dabei ist immer ideal, da es einen daran erinnert, dass diese Geschichte eine Perspektive auf reale Begebenheiten der US-amerikanischen Geschichte sind.