Trotz allem …Liebe

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Es war Liebe auf den ersten Blick. Doch die Zeit, das Leben und die Anstrengungen darin seinen Platz zu finden sollen so manche Verbindung nicht ermöglichen. Manchmal begegnet man Menschen mit denen eine Art der emotionalen Einheit gebildet wird, die alles überdauert und sich doch niemals zu einer Vereinigung finden kann. In dieser Graphic-Novel nimmt uns Jordi Lafebre mit auf eine jahrzehntelange Reise Liebender. Der Splitter-Verlag hat dies in gewohnt hoher Druckqualität im Hardcover-Format auf den Markt gebracht.

Die Zeit ist relativ

Copyright: Splitter-Verlag

Schon Einstein behauptete Zeit sei relativ. Eine Aussage, die mittlerweile durch verschiedenste Experimente belegt wurde. Dass jedoch Zeit rückwärts verlaufen kann bleibt noch der Klärung offen. Diese Geschichte verläuft jedoch rückwärts, beginnend beim Treffen der beiden Protagonist:innen Zeno und Ana. Bereits ergraut und mit faltigem Gesicht schlendern sie durch ihren Heimatort und schwelgen in vergangenen Tagen. Ihre große Zuneigung zueinander ist spürbar und wird mit einem äußerst romantischen Kuss besiegelt.

Im Stile des Films Memento bewegt sich diese Graphic-Novel nun in der Chronologie rückwärts, erzählt dabei jedoch jede Episode vorwärts. So erfährt man in den nächsten Kapiteln, dass Ana die ehemalige Bürgermeisterin des Ortes am Meer ist, eine erwachsene Tochter hat, eine Enkelin und einen Ehemann, der von ihrem Jugendschwarm weiß. Ebenso erzählt uns Lafebre davon, wie das Leben des ergrauten Zenos dieser Tage aussieht. Er hat sich entschieden seine vererbte Buchhandlung zu verkaufen und hat endlich seine Doktorarbeit abgegeben und seinen Doktor der Physik erhalten. Seiner Theorie nach kann Zeit rückwärts verlaufen, es bräuchte nur ein großes außerhalb des Systems zu verortendes Phänomen, das der Gravitation und damit Zeit ermöglicht die Richtung zu ändern.

Auf dieser Theorie basierend bewegt sich die Geschichte um den philosophischen Matrosen Zeno, der es nie lange an einem Ort aushält und der energisch ambitionierten Bürgermeisterin Ana weiter in der Zeit rückwärts. Häufig sind die Briefe, die sie sich schicken wichtige erzählerische Mittel, in denen sie sich ihre Situation und Gefühle offenbaren. Mindestens genau so wichtig ist deren unregelmäßiger, jedoch kontinuierlicher Telefonkontakt, den sie miteinander pflegen. Jede dieser Korrespondenzen ist angereichert mit romantischen Avancen durch subtile Untertöne und voll von Respekt und Achtung für den jeweils anderen.

Wenn Form und Inhalt eine Symbiose bilden

Es ist wirklich eine wunderschöne Geschichte, die zugleich in einer traumhaft tollen Art und Weise illustriert wurde. Der Charme und die wunderbare Atmosphäre, den jedes Bild innehat ist meisterhaft. Außerdem gelingt es Jordi Lefebre die Panels so miteinander zu verzahnen, dass sich die Bilder vor dem inneren Auge mit Leichtigkeit zu einer fließenden Bewegung verschmelzen. Ebenfalls weiche Übergänge schafft der Künstler bei der schleichenden Verjüngung der Figuren, trotz der manchmal größeren zeitlichen Sprünge zwischen den Episoden.

Copyright: Splitter-Verlag

Schon das Cover spielt einen nicht allzu unterschätzenden optischen Trick mit einem. Man schaut beim Anblick der zwei Hauptfiguren, wie sie eingehakt miteinander spazieren gehen, in die Spiegelung einer Pfütze. Dieser kleine visuelle Trick zeigt die ausgeklügelte metaphorische Visualisierung dieses Werks. So werden die Scheinbilder, denen man sich anfänglich aneignet, da die Geschichte rückwärts verläuft, immer mehr entzaubert. Die teilweise nüchterne Realität erklärt Stück für Stück worauf beide anspielen. Sie lassen den Leser immer häufiger die ungespiegelten Tatsachen erkennen.

Der Zeichenstil ist außerdem eine wahre Augenweide. Würde man es nicht besser wissen, könnte man meinen, dass Lefebre eine Zeit für Disney/Pixar gearbeitet hätte. Dies soll nicht abwertend klingen, denn tatsächlich gelingt es den Animationsstudios liebenswürdige Charaktere zu entwerfen. So auch in dieser Graphic Novel. Die Designs der Figuren, die Gesichtszüge und ihre Körpersprache sprühen vor Energie, Emotionen und subtilen Momenten. Ein Großteil der Szenen zeigt zudem aufwendig detaillierte Szenarien, die in Hülle und Fülle mit schönen Perspektiven, großartiger Illustration von Architektur oder Natur gesegnet sind.

Ebenso ist Kolorierung fabelhaft gelungen. Von der ersten Szene an spürt man förmlich in welcher geografischen Region und welcher Stimmung man sich wiederfindet. Teilweise vermitteln die Farben und das Szenario so viel Authentizität, dass es nicht schwer fällt sich die Geräusche und Gerüche dazuzudenken.

Trotz allem …Liebe
Großartig
Soll es einfach schön, vielleicht sogar ein wenig kitschig sein und möchte man in einem seeligen Gefühl von der Kraft der Liebe schwelgen, dann ist diese Graphic-Novel genau die richtige! Jordi Lafebre hat mit „Trotz allem …Liebe“ ein wunderbares Feel-Good Werk geschaffen, das optisch und erzählerisch grandios ist. Es gelingt eine Geschichte über einen Zeitraum von fast vierzig Jahren zu erzählen, die nicht abgehoben oder drüber erscheint. Dieses Werk würde eine fantastische Vorlage für einen Film bieten, der zudem auf Grund seiner inne liegenden Erzählstruktur nicht nur irgend eine weitere Romantic-Comedy wäre. Alle Daumen hoch für dieses Werk und eine wärmste Empfehlung für alle Schwärmer und Idealisten der übersinnlichen Liebe.
Pro
Feel-Good
herzerwärmend
fantastische Illustrationen
Kontra
es ist ein wenig kitschig

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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