Eine Pandemie, eine 30-jährige Abschottung der USA und ein Team diverser Charaktere, die eine spektakuläre Reise für ein Heilmittel des Virus unternehmen, ist genug Stoff für ein Comic besonderer Art. Diese von Scott Snyder und Charles Soule erdachte Welt beweist ein weiteres Mal, was Fantasie und Kulturreferenzen alles hervorbringen können.
Die visuelle Umsetzung erfolgt wie bisher gewohnt vom Zeichner Giuseppe Camuncoli, dem Tuscher Leonardo Marcello Grassi und dem Koloristen Matt Wilson (diesjähriger Eisner-Award Gewinner). Der Verlag Cross Cult bringt diese Reihe in seinen hochwertigen Hardcovern heraus, denen außerdem viele Extras wie Konzeptzeichnungen und eine Cover-Galerie angefügt sind.
Ein amerikanisches Meisterwerk
Nachdem das Team um die Geschwister Graves bereits die postapokalyptische Zone Schicksal und die technologisierte Zone Einheit überlebte, sind sie nun in etwas gänzlich anderem angekommen. Die dritte Zone mit dem Namen Möglichkeit hält ebengenau das bereit. Sie werden, wie bisher gehabt, von der künstlichen Intelligenz des Dr. Sam Elgin begrüßt und ihnen wird die Aufgabe dieses Inselreichs erklärt. Sie befinden sich in der Zone der Kreativen, also einer Zone der unbegrenzten Möglichkeiten. Ihre Aufgabe, um die nächste Zone betreten zu dürfen, wird es sein, ein amerikanisches Meisterwerk zu schaffen.
Es dauert nicht lange, da werden sie von einer ganz in schwarz-weiß gehaltenen Crew eines Mafia-Bootes angegriffen, worauf ein Treffen mit ausgedienten Superhelden folgt, die verzweifelt jemanden suchen, den sie retten können. Nach diesen expositorischen Begegnungen führt sie der dieses Mal als Pirat erscheinende „Uncle Sam“ zu niemand Geringeren als George Washington persönlich. Dieser erklärt dem Team, dass sich der Teufel einst der Zone bemächtigte. Ein Aufstand gegen diesen verlief katastrophal.
Sie machen sich auf zur Insel „Mix“. Dort befindet sich die letzte „Alles-Möglich-Maschine“, mit der das Meisterwerk geschaffen werden soll. Doch vorerst muss das Team am Wächter dieser Maschine vorbei, der One-Man-Band. Es ist eine aus Instrumenten legendärer Künstler zusammengesetzte Intelligenz, die auf der Suche nach einer Inspiration für ein neues Stück ist. Niemand außer Opiyo Kenyatta, der mit der Kultur der USA vertraut ist wie kein Zweiter, wäre dafür geeigneter. Er ist in dieser Ausgabe auch die Person, die tiefergehend beleuchtet wird. Seine frühe Faszination für alles Amerikanische und der Ursprung seines Alter-Egos Ace Piñata wird aufgedeckt.
Diese Ausgabe stellt viele Fragen zur Kulturdominanz der USA in den Jahren vor der Isolation. Es wird außerdem hinterfragt, wie, was und wann ein Meisterwerk ein ebensolches ist. Die zahlreichen Anspielungen und Hommagen an bekannte Figuren und Persönlichkeiten macht diese Ausgabe zu einer interessanten und unterhaltsamen Reise durch die amerikanische Kulturlandschaft.
Der Stil
Scharfe Konturen, kantige Formen, kräftige Outlines, detailreiche und durchdachte Figurendesigns sind die wohl prägendsten Eigenschaften dieser von Guiseppe Camuncoli entworfenen Welt. Die farbliche Tonalität wird vorzüglich vom Koloristen Matt Wilson getroffen. Sei es ein Aufeinandertreffen der Gründungsväter und Vordenker amerikanischen Gedankenguts, das in orange-braunen Tönen gestaltet wird, oder die Darstellung des Teufels, der in tief dunklem Rot-Schwarz zu schimmern scheint, das Team Camuncoli und Wilson liefert sehr beständig und hochwertig ab.
Die Erzählstruktur ist konventionell zwischen fortlaufender Handlung und Rückblick aufgeteilt. An den gut gewählten Punkten, an denen zwischen den Erzählerebenen gewechselt wird, verändert sich zumeist auch die farbliche Atmosphäre. Außerdem wird die Seitenfarbe, also der sonst weiße Rand, in Schwarz gehalten.
In diesem dritten Band wird dem Superhelden-Comic und der raffinierten Coolness verschiedener Stilepochen und Medien gehuldigt. Es gelingt dem illustrierenden wie auch dem schreibenden Team, dies nach allen Regeln der Kunst in eine große Hommage zu packen. Fantastische Splashpages reihen sich ein bei nebenläufig ausgesprochenen Zitaten großer Künstler und einer Menge herzlicher Selbstironie.
Zum ersten Mal wirkt „Undiscovered Country“ als wirklich selbstkritisch im Umgang mit der teils subtil verpackten Lobpreisung amerikanischer Werte. Diese Ausgabe begibt sich auf Kulturkritik, das dünne Eis der „Softpower“, mit der die USA die Welt kolonisiert, und widmet sich der ikonischen Strahlkraft einiger äußerst fraglicher Persönlichkeiten.
[…] Undiscovered Country 3 – Möglichkeit […]