„Träumen Androiden von virtueller Liebe?“ ist nicht nur eine Anspielung auf den 1982 erschienen Film „Blade Runner“ von Ridley Scott, der – basierend auf dem Roman von Philip Kendrick Dick aus dem Jahr 1962 – spannende Fragen aufmacht: Haben künstliche Intelligenzen, die sich außerdem ihrer Existenz als Androide Lebensform bewusst sind, Träume, fühlen sie Zuneigung und können sie ein humanes Leben führen, wenn man ihnen den Raum dafür gibt?
Der Stil
Das Ende dieser zweiteiligen Mini-Serie, geschrieben und konzipiert vom fantastischen Tom King, wurde ebenso grafisch umgesetzt wie der Vorgänger.
Gabriel Hernandez Walta und Michael Walsh sind das Zeichner- und Tuschergespann, das auch diesem zweiten Band den nach Aquarellfarben aussehenden Look gegeben hat. Schatten in den Umgebungen der Figuren sind häufig Tinteschraffuren auf den vorhandenen Farbflächen.
Die Charaktere selbst wurden, um ihnen mehr Dimensionalität zu verleihen, mit Schattierungen der bereits benutzten Farbe umgesetzt, was den Charme des Aquarell-Looks festigt. Die Linienführung ist nie ganz sauber innerhalb der Panels; einige Striche ziehen sich über die Ränder der Panels hinweg. Dieser Effekt stärkt den sehr handgemachten Eindruck immens.
Die Seiten, die einen Rückblick erzählen, haben indes keine Ränder um die Panels, alle kontinuitätsbildenden und in der Geschichte fortlaufenden Seiten tragen den so üblichen schwarzen Rand um jedes Panel.
Ein kleines Detail, dass zudem eine Box darüber informiert, in welcher Zeit wir uns in der Geschichte befinden, ist sehr schön und unterstützt die Wirkung noch mal. Die Erinnerungen haben oft keine Ränder und sind flexibel in ihrer Nacherzählung, je nach Zeit und Ort.
Die Erzähler-Boxen sind in dieser Ausgabe nahezu durchgängig rot, was – der Covergestaltung nach – keine Fragen offenlässt, wer in diesem Band die Geschichte erzählt. Wem diese Geschichte erzählt wird, lässt der Comic natürlich bis zum Ende ungeklärt.
Die Themen
„Vision 2“ beginnt mit einem Rückblick auf die Beziehung zwischen Vision und Wanda Maximoff, bekannt als Scarlet Witch, die gerade ganz frisch zu sein scheint. Die tiefgreifende Zuneigung der beiden und die Entwicklung der Beziehung wird im ersten Kapitel umrissen, mit allen Höhen und Tiefen. Die Verbindung, die die beiden haben, scheint unendlich tief zu sein. Krisen, die über ihre Zeit entstehen, entwickeln sich jedoch zu unüberwindbaren Klüften und führen dann schließlich zur Trennung der zwei Helden.
Die elliptische Erzählweise zeigt, wie sich Menschen in Beziehungen verändern und doch einige Eigenheiten dieselben bleiben, und dass ein Neuanfang einer Beziehung immer ein Anfang für noch viel mehr neue Erfahrungen bürgen kann.
Im Weiteren wird die Figur Victor, ein Bruder Visions und Kreation Ultrons, eingeführt, der sich bei den Visions als Freund und zutraulicher Onkel fabelhaft eingliedert. Seine Intentionen sind jedoch nicht durchsichtig, was ohne zu hinterfragen zweifelhaft wirkt. Die Familienmitglieder tragen jedoch alle genügend emotionalen Ballast mit sich, dass eine Schulter zum Anlehnen mehr als dankend angenommen wird und sich daher keiner diese Frage ernsthaft stellt. Die Bedeutung von Familie und der ausgesprochenen Wahrheit wird, wie im ersten Kapitel dieses Bandes stark hervorgehoben.
Die immer wieder auftretenden Referenzen an Shakespears „Kaufmann von Venedig“, die sich auch durch Vin zitiert bereits in der ersten Ausgabe von „Vision“ finden, sind natürlich nicht zufällig und fügen sich fantastisch in die Handlung beider Ausgaben. Umso treffender kann daher gesagt werden, dass die gesamte von Tom King verfasste Geschichte einen Bogen zwischen Shakespear und Philip K. Dick spannt, der an keiner Stelle konstruiert wirkt. Da an dieser Stelle keine Spannungs- oder Handlungspunkte vorweggenommen werden sollen, bleibt es bei der Umschreibung dessen, was weiterhin behandelt wird. Vision, der sich als der Logiker auszeichnet und selbst versteht, wird zu emotionalen Handlungen gezwungen beziehungsweise manipuliert. Es folgen Verluste auf allen Seiten und ein Ende, das diesem zweiten Band sowie der ganzen Mini-Serie eine grandios erzählerische Finesse verleiht. Man bleibt auf einer hoffnungsvollen, Vision das Beste wünschenden, aber auch traurigen Note stehen.