Die US-Präsidentschaftswahlen – mittendrin und mitgefiebert

8. Januar 2025
5 Minuten Lesezeit
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Unsere erste Präsidentschaftswahl als Bewohner der Vereinigten Staaten liegt nun hinter uns. Die letzten Monate waren lang, Nils musste viel arbeiten und war mittendrin im Geschehen und auch ich habe mich mittendrin gefühlt, leben wir doch im politischen Zentrum der USA. Wie also hat sich diese Wahl auf unseren Alltag ausgewirkt? Wie war die Stimmung vor den Wahlen, wie ist sie danach? Wie sieht so ein Wahltag aus? Und was bedeutet das Ergebnis für uns? Es soll dabei nicht um politische Ansichten gehen, ich möchte hier nur erzählen, wie es so ist, eine der historischsten Wahlen der Geschichte mitzuerleben.

Vor den Wahlen

Durch unsere Berufe im Journalismus sind wir natürlich den stetigen Nachrichten ausgesetzt. Vor allem den Nachrichten im Land, den vielen Kampagnen, Debatten und alles um die Präsidentschaftswahlen drum herum. Im Büro laufen rund um die Uhr drei verschiedene Nachrichtensender damit man auch nichts verpasst. Auch in den Channels von Teams ging es ab der ersten Convention im Juli, wo der Kandidat für die Republikaner gewählt wurde, fast nur noch um die kommenden Wahlen. Zu Hause und in unserem direkten Umfeld aber blieb es überraschend ruhig. Die Stadt Washington D.C. ist zwar weder durch einen Senator noch durch einen Governor vertreten, für die Präsidentschaftswahlen darf die Stadt aber doch wählen. Und schon immer hat D.C. blau gewählt, die Demokraten also. Und da D.C. nur 3 zu den 270 benötigten Wahlmännern beiträgt, gibt es keine Rallies oder Kampagnen die abgehalten werden, um die Bevölkerung zu gewinnen. Wenn wir mit anderen Eltern Small-Talk gehalten haben kam selten das Thema Wahlen auf, und wenn doch, dann nur ein kurzes ‚Please don’t remind Me‘. Erst als Präsident Joe Biden seinen Rücktritt aus der Wahlkampagne angekündigt hat und kurz darauf Kamala Harris zur Kanditatin gewählt wurde, hat man es langsam gemerkt. Die Leute waren eher offen, über die Wahlen zu reden und es lag ein Schimmer Hoffnung in der Luft. In den letzten Wochen vor den Wahlen tauchten dann auch plötzlich die Kampagnen-Schilder und Flaggen in den Gärten auf, immer für Harris-Walz. Auch ich habe versucht, mir ein T-Shirt des offiziellen Kamala Harris Shops zu bestellen, bin aber nicht weit gekommen, denn als nicht US-Bürger darf ich die Wahlen in keiner Form finanziell unterstützen. Natürlich hätte ich mir auch einfach ein Shirt woanders kaufen können, es ging mir aber eher darum, die Kampagne zu unterstützen.

Auch für Nils ging es langsam in neue Gewässer. Die beiden riesigen Conventions, viele Trump und Harris Rallies und auch Trips in Orte wie Springfield, Ohio, wo laut Trump Haustiere verspeist werden, häuften sich. Die Trips waren in den Jahren davor immer recht weit im Voraus geplant, zu den Wahlen aber musste schnell und spontan reagiert werden. Aber auch diese Zeit haben wir gut gemeistert, vor allem mit den Kindern allein zu Hause. Zumal die Trips nicht allzu lange dauerten, es waren eher viele kleine Trips hintereinander.

Photo by Nils Huenerfuerst on Unsplash

In der Schule wurde natürlich einigen darüber gelehrt, wie Wahlen funktionieren, wofür sie wichtig sind und so weiter. Dabei wurde nie auf die aktuellen Wahlen direkt eingegangen, stattdessen gab es in der Grundschule eine eigene Oreo-Wahl. Dabei wurden vier Oreo-Sorten vorgestellt, die Kinder durften probieren, sich für eine Sorte entscheiden und dann für ihre Sorte werben. Nach ein paar Tagen sponsoring gab es dann schulweite Wahlen und siehe da, die Mint-Oreos haben gewonnen!

Wahltag

Schon kurze Zeit vor dem großen Wahltag, der immer Dienstag nach dem ersten Montag im November stattfindet, begann die Zeit der Briefwahlen und Frühwahlen. Besonders deutlich habe ich in dieser Zeit wahrgenommen, dass die Medien Angst verbreiten – Wahlbriefe verschwinden, Drop-In-Boxen für Briefwahlen brennen, technische Probleme in den Wahlkabinen. Probleme die es in Deutschland nicht gibt, Wahlbetrug in großem Maße. In vielen Staaten beginnen schon Wochen vor dem großen Wahltag die Frühwahlen, doch die meisten Leute gehen am Wahltag wählen. Da es sich um einen Wochentag handelt, sind hierfür nicht die Schulen verfügbar, die meisten Wahlstationen befinden sich in Bibliotheken aber auch in Recreation Centers. Schon auf dem Weg zur Arbeit habe ich lange Schlangen vor Bibliotheken gesehen, den ganzen Tag über hat man Reporter und Nachrichtenteams vor Wahllokalen gesehen, die ersten Ergebnisse kamen langsam am Abend durch, noch nicht bedeutend aber. Durch die verschiedenen Zeitzonen dauert es natürlich besonders wenn man an der Ostküste wohnt lang. Bei den letzten Wahlen im Jahr 2020 kamen die Ergebnisse erst Tage nach dem Wahltag, das hatte aber überwiegend damit zu tun, dass durch Covid viel mehr via Brief gewählt wurde.

Am Abend der Wahlen habe ich im Hintergrund des üblichen Abendtrubels zu Hause den Fernseher mit einem Nachrichtensender laufen lassen. Überraschend schnell gab es die wichtigsten Ergebnisse der sogenannten Swing States. Schon früh gab es die ersten Vermutungen, dass diese Wahlen eindeutig von Donald Trump gewonnen werden. Noch in der Nacht war das Ergebniss bekannt. Nils war derweilen in D.C. auf dem Gelände der Howard University, hier hatte Kamala Harris ihre Watch-Party. Schon früh am Tag standen Tausende Menschen an, um mit ihr zu feiern, nach dem Wahlergebnis aber ist sie gar nicht erst auf die Bühne gekommen.

Die Tage danach

Der Tag nach den Wahlen war an unserer Schule nur ein halber Schultag, daher war ich nicht arbeiten an diesem Tag. Schon am Morgen beim Abgeben der Kinder haben die Lehrer, die den Kindern aus den Autos helfen, aufmunternde Worte gerufen um die überwiegend depressive Stimmung der Eltern nicht auf die Kinder zu übertragen. Wirklich geredet wurde aber über das Wahlergebnis nicht. Im Laufe des Vormittags kam dann eine E-Mail von der Schulleitung, in der gesagt wurde, wie schwer diese Ergebnisse zwar sind, dass die Schule aber weiterhin höchsten Augenmerk auf Inklusion und Integration legt. Und auch ein paar Telefonnummern und hilfsbereite Namen wurden genannt, sollte es kinder mit starken Ängsten geben, die seelische Hilfe benötigen.

Nach der Schule waren die Kids und ich zu einem Playdate eingeladen. Zum Glück hatte die Schule an diesem Tag um 12 schon zu gemacht, denn in der Stadt war an diesem Tag doch so einiges los. Kamala Harris hatte eine Rede an der Howard University angekündigt, wo sie am Abend zuvor all ihre Fans hat sitzen lassen. Die Rede war für vier Uhr geplant und wenn ein Vice-President durch die Stadt fährt gibt es extreme Straßensperren. Während des Playdates bei der anderen Mutti, die an einer stark befahrenen Straße wohnt, bemerkte ich dann auch plötzliche Ruhe und tatsächlich war die Straße ruck zuck gesperrt und zehn Minuten später kam auch schon Harris und ihre vielen Sicherheitsdienste in rund zwanzig Autos an uns vorbei gefahren. Mit der Autokolonne des Präsidenten muss man natürlich jederzeit rechenen wenn man in der selben Stadt wohnt, in einer Wohngegend zum üblichen Feierabendverkehr ist es aber eher unüblich und wirklich ärgerlich wenn man deswegen rund 30 Minuten länger nach Hause braucht.

Aussichten

Mittlerweile ist es Dezember, das erste Entsetzen ist abgeflaut, jetzt geht es eher darum, sich nicht von den Nachrichtensendern mitreißen zu lassen und allem glauben zu schenken was der zukünftige Präsident so von sich gibt. Auch wenn es oft so dramatisch dargestellt wird, vieles was Donald Trump plant muss erst durch den Senat abgesegnet werden. Und es gibt tatsächlich Licht am Ende des Tunnels, denn dies wird seine letzte Präsidentschaft sein. Denn mehr als zwei mal kann kein Präsident seit Franklin D. Roosevelt gewählt werden. Für uns hat das Wahlergebnis erstmal nicht viel zu bedeuten. Es kamen ein paar besorgte Nachrichte, ob uns diese Präsidentschaft irgendwie betrifft aber da wir als non-immigrants und vor allem legal hier sind, sollten wir nichts zu befürchten haben. Auch wenn Trump damit droht, die von ihm ernannten Fake-News alle wegzusperren, bleiben wir erstmal unbesorgt. Und ein weiterer positiver Aspekt von all dem ist, dass die Inauguration im Januar friedlich von statten gehen wird. Denn das war eine meiner größeren Ängste, was passiert, wenn Harris gewinnt und Trump die Ergebnisse nicht anerkennen wird, wie er es schon angekündigt hat. Denn einen Tag wie vor 4 Jahren, als das Kapitol gestürmt wurde, möchte ich nicht aus der Nähe miterleben.

Was die nächsten Monate bringen, mit einem Senat, einem Haus und einem Präsidenten in der republikanischen Mehrheit wird spannend. Man darf aber nicht vergessen zu unterscheiden, dass nicht jeder Republikaner auch allem Unsinn von Trump zustimmt. Es gilt hier immernoch zwischen MAGA und nicht-MAGA zu unterscheiden.

Annegret Hünerfürst

Geboren in der selben Woche, in der die erste Website online kam - gelernte Diätassistentin und Mutter von zwei Kindern

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Über Hünerfürst.de

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Geboren in der selben Woche, in der die erste Website online kam - gelernte Diätassistentin und Mutter von zwei Kindern