Welchen Wert hat Bargeld noch?

13. Mai 2022
5 Minuten Lesezeit

Mir war nach kurzen Recherchen schnell klar, dass das Leben in den USA bzw. in den großen Städten teuer sein wird. Washington D.C. ist eine der teuersten Städte der USA. Miete, Nebenkosten, Kindergarten, Lebensmittel und vor allem die Versicherungen sind sehr teuer. Mir ist das Privileg, eine deutsche Staatsbürgerschaft zu haben, durchaus bewusst und ich frage mich oft wenn ich die Menschen in der Stadt so sehe, wie die sich alle dieses Leben leisten können. Vielleicht sind die Standarts nicht so hoch wie unsere persönlichen? Vielleicht ist diese Person nicht versichert oder die andere hat einfach ein Haus geerbt oder gekauft und dadurch etwas weniger zu zahlen? Die Lücke zwischen arm und reich ist groß, die sogenannten Zeltstädte in der Stadt sprechen für sich. Es gibt halt kein System, um die Leute aufzufangen, die ihren Job aus welchen Gründen auch immer verloren haben. So viel sich in Deutschland über das Harzt IV beschwert wird, ich hoffe jedem ist bewusst, das uns das System eben vor diesem Schicksal schützt.

Preisvergleich Deutschland vs. USA

Der Unterschied zwischen einem normalen Wocheneinkauf in Berlin bei Rewe und dem Discount-Riesen Giant hier in den Staaten für eine vierköpfige Familie ist schon merklich groß. Anhand der Preisschilder merkt man schnell, das Kaufen in Großmengen ist hier viel präsenter als in Deutschland. Es lohnt sich eben, ein dreier-Pack von den Heidelbeeren zu kaufen, auch wenn das Risiko besteht, diese gar nicht aufzuessen bevor der Schimmel kommt. Wobei ich sagen muss, die fehlende Regulierung von zugelassenen Haltbarmachern sorgt dafür, dass die Beeren länger halten als in Deutschland. Es gibt auch in den Staaten verschiedene Märkte und die Preise untereinander schwanken viel stärker, als die Preise zwischen Rewe, Aldi, Lidl und co. Es gibt natürlich auch Mitgliedschaften, ähnlich wie Payback oder die Deutschland-Card. Jedoch hat hier jeder Markt seine eigene. Die meisten verlangen natürlich die üblichen Infos, Adresse, E-Mail, Telefon usw. Andere dagegen wollen keine Info, man erhält einfach nur eine Karte. Insgesamt spart man mit den Karten unheimlich viel Geld. Manche Produkte gibt es zum halben Preis. Sehr viele 1$ oder 2$ auf Produkte. Der Verkauf von den eigenen Daten lohnt sich allemal.

Um einen Überblick zu verschaffen habe ich mal bei den Märkten Giant und Rewe die Online-Einkaufswagen gefüllt und verglichen. Der Preisunterschied hat mich trotz dem Bewusstsein sehr überrascht. Sollten wir mal wieder in Deutschland bei Rewe einkaufen, wird mir alles sehr günstig vorkommen. Die Produkte, die ich gewählt habe sind Produkte die, denke ich zumindest, jeder im Haushalt hat und regelmäßig auffüllt. Die Preise sind in € umgerechnet und die Mengen variieren ein wenig.

ProduktGIANT (USA)Rewe (Deutschland)
Äpfel Gala 1,3 kg5,03 €2,19 €
Hafer flocken 1 kg4,29 €1,38 €
Kuhmilch 3,8 l4,75 €4,36 €
Waschmittel 1,2 l14,18 €5,99 €
Eier 18 Stück4,19 €5,18 €
Käse (Cheddar) 200 g3,69 €2,89 €
Brot (Vollkorn-Toast) 450 g3,91 €1,39 €
Bagels 5 Stück4,66 €1,79 €
Joghurt 680g6,71 €1,56 €
Toilettenpapier 2-lagig 18 Rollen21,84 €4,70 €
Wasser 1 l1,39 €0,37 €
Konfitüre 300 g4,10 €1,29 €
Tax2,20 €inkludiert
Summe80,88 €33,09 €
Stand April 2022

Besonders in der Drogerieabteilung unterscheiden sich die Preise extrem, weshalb wir uns schon gut mit Dingen wie Zahnpasta, Waschmittel, Deo und Hygieneartikeln in Deutschland eingedeckt haben und auch von dem Besuch mitbringen lassen. Bei den Lebensmitteln lohnt sich wie gesagt der Einkauf in Großmengen. Buy 2 get 1 Free oder 3 for 6$ sind nur zwei Beispiele. Unsere Vorratsschränke sind daher meist gefüllt, man kauft mehr als man eigentlich benötigt und vermutlich verbraucht man auch mehr. Die Jagd nach Coupons ist eröffnet!

Der Wert von Geld

Die Inflation sorgt dafür, das unser Geld immer weniger wert ist, das merkt man dann an steigenden Preisen und gleichbleibenden Einkommen. Für mich ist ein Erlebnis das beste Beispiel daran, was das Geld besonders in einer teuren Großstadt noch wert ist. Unsere Kinder freuen sich riesig, wenn sie eine Münze finden. In Deutschland ist das eher selten vorgekommen, hier in D.C. finden sie fast täglich mindestens eine Münze. Meistens nur Cents, manchmal aber auch mehr. Und wo eine Münze ist sind meist noch mehr. Das heißt, der Streit darum, wer die Münze halten darf ist schnell gelöst. Wir haben für eben diese Münzen ein Glas zu Hause stehen, wo die Kinder ihre Münzen sammeln. Als wir im Frühjahr bei einem unserer Wocheneinkäufe zum Supermarkt gegangen sind, lagen vor dem Eingang gut 20 Bronzemünzen (ein Cent) auf dem Boden. Drumherum ein Haufen Leute, die auf ihre Autos gewartet haben (trotz Einkaufswagen lassen sich die Leute vor der Tür abholen um einzupacken). Niemand hat Anstalten gemacht diese aufzuheben. Da die Kinder die Münzen nicht entdeckt haben bin ich erstmal einkaufen gegangen. Als wir eine Stunde später wieder raus kamen waren alle Münzen noch da, die Leute waren weg, es saß nur noch ein Bettler da, dem es scheinbar nicht wert war, 20 Münzen aufzusammeln. Die Kinder haben sie entdeckt, ich habe jedem einen Cent davon gegeben, den Rest habe ich aus Verwirrung liegen lassen. Ich weiß, mit einem Cent kann man nicht viel anfangen, auch nicht mit 20. Aber ist denn das Geld so wenig Wert, dass nicht mal ein Bettler dafür Interesse hat? Wir haben in den ersten drei Monaten insgesamt schon vier Dollar in Münzen gefunden. Die größte Summe in Münzen sind hier 50 Cent und da man mit Bargeld hier nicht viel anfangen kann wird fleißig weiter gesammelt. Schon in Berlin haben wir ein Glas für Münzen gehabt und nach ein bis zwei Jahren auch mal 200€ angesammelt. Wer den Penny nicht ehrt ist des Talers nicht wert!

Bargeld oder Elektronisch

Wo man auch hin geht, man kann hier elektronisch zahlen. Das war in Berlin nicht so. Es gab noch Geschäfte, die nur Barzahlung akzeptiert haben oder einen Mindesteinkaufswert festgelegt haben um mit Karte zahlen zu können. Ich habe selten gesehen, dass hier jemand mit Bargeld bezahlt hat. Selbst ein Straßenmusiker hat statt dem Hut oder des offenen Instrumentenkoffers einen Aufkleber mit QR-Code zum Bezahlen über venmo auf dem Koffer kleben. Auch das Kreditkartensystem führt dazu, weniger Bargeld zu nutzen. Gib viel Geld aus und wir geben dir was davon zurück. Was wir in Berlin mit Payback gesammelt haben bietet hier jede Bank über das Kreditkartensystem an. Auch das System des Credit-Scores macht das Bargeld nichtig. Um sich in Deutschland Geld von der Bank zu borgen musste man nachweisen, gut zu verdienen, etwas Geld auf der hohen Kante haben und am besten wenig Ausgaben haben. Hier in den Staaten ist das etwas anders. Die beste Kreditwürdigkeit haben die Leute, die viele Kreditkarten haben und diese auch glühen lassen. Man steigt von Bank zu Bank auf, hat immer bessere Konditionen und dann einen guten Credit-Score, wenn man mit all den Karten zeigen kann, dass man alles auch bezahlen kann. Es ist natürlich Vorraussetzung, dass die Kreditkarten nicht zu Verschuldung führen. Einfach gesagt, bring die Wirtschaft in Schwung und du bekommst was zurück.

Nach all diesen Beobachtungen und Erfahrungen scheint es einfach nicht lukrativ zu sein, Bargeld zu besitzen. Trotzdem frage ich mich, warum man denn mehr oder weniger geschenktes Geld, auch wenn es nur Cents sind, ablehnt. Ich werde weiterhin die Münzen mitnehmen und sammeln. Ich habe mir fest vorgenommen, nicht dem System zu verfallen und konsumorientiert und nicht wertschätzend zu werden. Toitoitoi!

Annegret Hünerfürst

Geboren in der selben Woche, in der die erste Website online kam - gelernte Diätassistentin und Mutter von zwei Kindern

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Über Hünerfürst.de

Einer der bekanntesten deutschen Netzkultur Blogs seit 2009. Nils Hünerfürst und seine Familie schreiben hier auf Hünerfürst.de über Technik, Kultur, Essen und Videospiele.

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Geboren in der selben Woche, in der die erste Website online kam - gelernte Diätassistentin und Mutter von zwei Kindern