Der vierte Teil dieser umfangreichen politischen und sozialkritischen Reihe bindet die bisher losen Fäden zusammen. In „The Department of Truth 4 – Das Ministerium der Lügen“ kreieren der Autor James Tynion IV und sein Stammzeichner Martin Simmonds eine Realität, die die Leserschaft mit teils verstörenden Bildern zum Nachdenken anregt. Dieser nun wieder in chronologischer Reihenfolge veröffentlichte Teil, erscheint beim Splitter Verlag in gewohnt hoher Qualität als Hardcoverausgabe.
Zwei Geschichten, keine Wahrheit
Diese vierte Ausgabe, die mit dem 18 Heft dieser Reihe. Es beginnt mit einem Auftakt, der eine ungewöhnliche Direktheit und Offenheit zeigt, wie man diese Eigenschaften bisher nicht erhalten hat. Kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs begibt sich der Leiter des Department of Truth nach Moskau. Lee Harvey Oswald trifft sich mit dem Leiter des russischen Pendants seiner Organisation. Sie nennen sich das Ministerium der Lügen. Ihr Dialog erfasst viele interessante Aspekte, die über diese Story hinaus und hin zur tatsächlichen Geschichte der letzten Jahrzehnte und den daraus resultierenden Vorstellungen von Gewinner-Verlierer oder Gut-Böse reichen.
Jener, wie auch ein großer Teil der von Tynion verfassten Dialoge, zeigen eine differenzierte Perspektive auf politische Systeme und ihre Propaganda für die eigenen Zwecke. Als wohl wichtigster Aufhänger dieser Situation bleibt das Ende dieser Begegnung im Gedächtnis. Zum ersten Mal taucht ein gewisser Barker und seine Organisation die Black Hat auf. Dieser ist vor Ort um den erniedrigten und nun arbeits- wie auch perspektivlosen russischen Leiter des Ministeriums der Lügen für seine Verschwörungsmaschinerie zu gewinnen.
Eine Verschwörung im Ministerium?
Wir begeben uns in dieser Ausgabe noch tiefer in die Psyche des Agenten Cole Turner. Seine Obsession mit seiner eigenen Angst, seinem Kindheitstrauma dem Sternenmann der Satanic-Panic, führt zu schlaflosen Nächten. Die zunehmende Abwendung von seinem Ehemann Matt führt nicht nur zu Spannungen innerhalb ihrer Beziehung. Sie öffnet eine Tür für die Beeinflussung durch Black Hat. Vor dem Kollaps Cole Turners nimmt uns Tynion in atmosphärisch dichten Bildern Simmonds mit in den Beginn ihrer Beziehung. Sie beide stehen außerdem im Schussfeuer dieses vom Deserteur Hawk Harrison provozierten und inszenierten Konflikts. Die nahende Spaltung und zunehmende Macht der Black Hat droht das Department zu entmachten.
Cole Turner ist demnach der wichtigste Akteur in der gesamten Geschichte und ein möglicher Schlüssel zur Rettung der Welt. Die Rettung vor ihr, der Frau in Rot, die zunehmend wie „der Teufel“ und „das Böse“ anmutet.
Reinen Tisch machen
Nicht nur dieser Beziehungskonflikt sorgt für eine ganz andere Art der Figurenentwicklung. Der drunterliegenden Konflikt der politischen und ideologischen Systeme kann als gut geschriebene Analogie dazu interpretiert werden. Bisher zeichnete sich diese Serie vor Allem durch das immer dichter werdende Netz aus Verschwörungsmythen aus der amerikanischen „Popkultur“ aus. Nun widme man sich dem Protagonisten und all seiner Brüchigkeit, seinen Sorgen, dem moralischen Dilemma und der Verstrickung in dessen Privatleben. Wieder einmal gelang es Martin Simmonds diese in umwerfende, teils verstörende, verwirrende, aufwühlende und einfühlsame Bilder zu kleiden. Das Farbspektrum, die von einer durchdringenden Dunkelheit und Tristess dominierten Seiten, sind maßgeblich daran beteiligt diese Reihe zu einem der wohl eindrucksvollsten Comics dieser Zeit zu machen. Nahezu nirgendwo sonst findet sich solche visuelle Wucht und Zerrissenheit.
Zugegen der sehr auf die Figuren bezogenen Erzählweise, bleibt es nicht bei einer Panelstruktur, wie man sie aus anderen Comics kennt. Auch diese Ausgabe zeigt einige interessante Kunstgriffe, die die Form und das Layout nutzen, um auf andere Weise originell zu sein. Der Verlust eines drohenden Realitätsbezugs im Agenten Cole wirkt so um einiges effektvoller.
Diese Ausgabe endet mit einem der wohl reißerischsten und vielversprechendsten Cliff-Hanger, die diese Serie bisher wohl gesehen hat.