Artistoteles – eine kleine Einführung in die Philosophie

6. Januar 2024
3 Minuten gelesen
Aristoteles Cover

In den letzten Jahren erschienen eine ganze Reihe von biografischen Comics. Diese Graphic-Biografie nutzt die Mittel beider erzählerischer Welten und Stilistiken, um eine spannende und anregende Geschichte zu erzählen. „Aristoteles“ von Tassos Apostolidis inszeniert und von Illustrator Alecos Papadatos ausgearbeitet, bezeugt man die lebendige Geschichte einer der einflussreichsten Philosophen der Antike. Auf über 200 Seiten geballter und didaktisch gut aufbereiteter Lebensgeschichte, verfolgen wir das Wirken und Leben des für die „Metaphysik“ und die Ausbildung Alexander des Großen bekannten Philosophen und Universalgelehrten. Dieses hochwertig gedruckte Hardcover der historischen Annäherung an das Leben Aristoteles erscheint beim Carlsen Verlag.

Die Geschichte in der Geschichte

Bevor dieses Werk sich in den Werdegang des Aristoteles vertieft, erblickt man eine Zeittafel. Auf dieser zeigen die Künstler vorab alle relevanten historischen Fakten, die die Region des heutigen Griechenlands beeinflussten, prägten und nennen auch einige für das Leben Aristoteles relevante Ereignisse hervor. Wer nun glaubt einfach eine Abfolge von Daten und Stationen lesen zu müssen, der werde sich täuschen. Zwar ist diese Geschichte, streng der Chronologie eines menschlichen Lebens folgend, jedoch nicht konsistent. Denn die Biografie wird uns Lesenden durch die Perspektive eines seiner engsten Vertrauten und langjährigen Mitstreiter erzählt, Theophrastos von Eresos. Dieser war der Nachfolger der aristotelischen Schule und langjähriger Leiter des von Aristoteles gegründeten Lykeions. Durch diesen rhetorischen Trick lassen sich auch einige fiktive Passagen dieser grafischen Biografie leicht rechtfertigen, denn es bleibt in diesem Zusammenhang eine Geschichte des seinen Meister verehrenden Theophrastos.

Copyright: Carlsen

Was diese Biografie von anderen unterscheidet, fragt man sich. Zum einen wird von Beginn an auf die soziokulturellen und politischen Gegebenheiten verwiesen, die viele der Entwicklungen zu verantworten hatten. Zum anderen lässt diese Geschichte gekonnt vermeintlich Unwichtiges aus und vertieft sich dann umso mehr in die Theorien, die Herleitung und die Rezeption der Theorien des Aristoteles. So lassen sich einige seiner prominentesten Theorien und Werke in ihren Ursprüngen beobachten. Die Gedankenanstöße und auch die lebendige Kritik an den selbigen, hat dabei jedoch auch eine Relevanz. Einige der Ideen werden sogar in Diskussionen und Kontroversen der Zeitgenossen im Rahmen dieser Handlung diskutiert.

Von der Theorie zur Gestalt

In der Tradition Platons, bei dem Aristoteles knapp 20 Jahre lernte, befasst sich Aristoteles viel mit der Suche nach „dem Einen“, also der universellen Einzigartigkeit in allen Dingen. Jene Theorien und Ausarbeitungen bleiben allerdings häufig in Form von Zitaten einiger Kernaussagen verhaften. Man darf nicht erwarten in die Theorien und Gedanken Aristoteles einen tiefen Einblick zu erhalten. Zumal ein großer Teil der heute überlieferten Werke vermutlich auch „nur“ Mitschriften einiger seiner Schüler seien. Jene Quellenlage veranlasst dazu, ins Besondere im Rahmen einer grafischen Erzählung wie jener vorliegenden, auszuschweifen und die Kreativität zu nutzen Gegebenes neu zu Kontextualisieren.

Doch eben diese künstlerische Freiheit, sei sie noch so gut recherchiert und mit zahlreichen historischen Fakten untermauert, macht dieses Werk so leicht zugänglich. Denn nicht nur die lebendigen Figuren, die Kontroversen, die Konflikte, die vielen Versuche der jeweiligen Herrschaft und ihrem Machtbereich zu entkommen oder eben jene zu Nutzen machen die Lektüre zu unterhaltsam. Jedoch ist diese Graphic-Biografie nicht rein des Selbstzwecks, der reinen Unterhaltung, geschaffen worden. Dafür steckt zu viel einer umfänglichen Recherche darin, die sich auch zeigt, wenn man die Akteure um den Protagonisten genauer betrachtet. Viele der Menschen, die in dieser Geschichte in Berührung mit Aristoteles kamen, hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Es gelingt den beiden Künstlern vermeintlich authentische Charaktere zu erzählen, die außerdem durch die visuelle Umsetzung häufig als liebenswürdig gelesen werden.

Copyright: Carlsen

Form und Inhalt

Die leichten, geschwungenen Formen, die großen Expressionen und die schon fast drolligen Entwürfe aller Akteure wirken unfreiwillig komisch. Gleichzeitig ist eben jene Art der Illustration sehr nahbar. Vielleicht rührt diese Verbundenheit und der damit einhergehende Wohlwolle auch daher, dass dieser Stil kindliche Erinnerungen an frühere Comics wachruft. So könnte man behaupten, dass sich so manche stilistische Referenz zum französischen „Asterix & Obelix“ fänden lassen. Die charmanten Figuren sorgen, trotz der vermeintlich trockenen Thematik, für so manches Schmunzeln.

In seiner farblichen Gestaltung bewegt sich der Illustrator Alecos Papadatos zwischen zwei Farbstimmungen. Die Erzählperspektive des Theophrastos wird in Blau dargestellt, hingegen die Geschichten aus Aristoteles Leben und Wirken in einem seichten Terracotta-Orange koloriert sind. Der Simplizität dieser Farbgebung folgend, ergeben sich in der künstlerischen Gestaltung sich Grenzen. Diese wurden jedoch durch schöne Farbgradienten und unterschiedliche Intensitäten des jeweiligen Farbtons fantastisch umspielt.

Der Chronologie einer Biografie zu folgen, kann ermüdend sein. Dieser Graphic-Biographie gelingt es eine Balance zu finden aus historischem Kontext und situativer Fiktion. Denn man muss sich zwischen den Schaubildern, belegten Briefwechseln und Zitaten aus Aristoteles Werk darüber vergewissern, dass die Quellenlage nicht ausreichend genug ist, um viele der Situationen zu belegen. So bleibt diese Geschichte zu einem großen Teil auch eine fiktive Erzählung mit unterhaltend, bildendem Wert.

Aristoteles Cover
Hervorragende Unterhaltung mit Bildungsanspruch
Die Graphic-Biografie „Aristoteles“ schafft neue Standards für biografische Comics. Die Illustrationen, der Humor und die auf einfache Weise näher gebrachten Theorien der Philosophie funktionieren einfach tadellos. Man wird auf hoher Qualität unterhalten, belehrt und bleibt auch danach noch angeregt nachdenklich mit den Gedanken des Meisters der Metaphysik infiziert.
Pro
weckt Neugier zur Person und seinen Theorien
charmante Illustrationen
historischer Kontext zum Verständnis der Lebensrealität
gut dosierter Humor
Kontra
10

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Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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