One Piece – ein Real-Make mit Vision? 

25. September 2023
One Piece Serie Strohhutbande

Eine filmische Adaption vom Manga-und Anime-Giganten „One Piece“ mit realen Darstellern zu produzieren, ist ein gewagtes Unterfangen. Die zahlreichen, traurigen Versuche der letzten Jahre andere Anime-Adaptionen zum Erfolg zu führen, zeigen, dass nicht alles, was animiert brilliert auch in die Realität übertragbar ist. Nun hat sich Netflix dem One Piece angenommen und schlug damit bei den Fans ein wie eine Kanonenkugel.

Bisher wurden 8 Episoden veröffentlicht. Immer zwei Episoden lang führten Marc Jobst, Tim Southam, Emma Sullivan und Josef Kubota Wladyka Regie. Die Darsteller rund um den Hauptdarsteller Iñaki Godoy (Monkey D. Luffy) sind Emily Rudd (Nami), Mackenyu (Roronoa Zoro), Jacob Romero (Usopp), Taz Skylar (Sanji), Vincent Regan (Garp), Morgan Davies (Koby) und noch viele weitere Figuren von abwechselnder Relevanz. Insgesamt 8 Stunden seriellen Films kann man sich also nun aus der bunten Welt des Aspiranten des Titels Piratenkönig geben. Ob man in der Zeit vielleicht lieber den Anime sehen oder den originalen Manga lesen könne, soll nun an dieser Stelle geklärt werden. 

Als kleiner Disclaimer: Der Autor dieses Textes hat die Mangas nur bis Ausgabe 50 und den Anime nur bis ungefähr Episode 240 konsumiert und ist kein Hardcore-Fan des Franchise.

Eine Serie wie der Manga

Eines muss man der Serie lassen: sie ist unheimlich nah am Original. Doch da lässt sich prompt eine Problematik herausstellen: die Serie ist unheimlich nah am Original. Was ist damit gemeint?  Zum einen nimmt die Serie die ersten knapp 45 Episoden des Animes und formt daraus eine eigene auf den Kernpunkten der Handlung basierende Rahmenhandlung. So wird in einem immer gleichen Ablauf, ganz der Vorlage folgend, Figur für Figur eingeführt. Dies hat zur Folge, dass man fast acht Episoden lang einer Exposition beiwohnen muss. Der drumherum aufgestellte Plot wird immer wieder von den Akteuren und den Sketchen des Protagonisten Monkey D. Luffy in den Hintergrund gedrängt. 

Weiterhin bedient sich die Serie einer Stilistik, die man als eigentümlich, befremdlich und in mancher Hinsicht als unglaublich anstrengend beschreiben könnte. Ganz dem Ausgangsmaterial getreu sieht man die Figuren häufig in Close-Ups. So kennt man es aus Animes, Mangas und anderen Comics. Dass diese künstliche Nähe, in den häufig unpassendsten Momenten, irgendwann anfängt befremdlich zu wirken, wundert da nicht. Diese Art der Einstellung wurde bisher im Kanon der Kameraführung genutzt, um Spannungen zu erzeugen und/oder Nähe zu schaffen. Man soll ganz nah dran an der Figur sein, erfährt die maximale Exposition der Gefühle der Schauspielenden. Es ist diesbezüglich reichlich unpraktisch, wenn die Darsteller der Piratenbande flacher Spielen als jede noch so ruhige See es sein könnte. Nur wenige Ausreißer dieses unergreifenden Schauspiels lassen sich wie ein Piratenschatz in den unerwartetsten Momenten entdecken. Was dann zur Folge hat, dass die besagten Kameraeinstellungen anfangen unfreiwillig komisch und seltsam zu wirken. 

Träume sind Schäume

Dies führt prompt zum nächsten Punkt der Kritik am offenen Herzen jedes One Piece Fanatikers. Man kann die Serie einfach nicht ertragen. In ständiger Wiederholung schleift einen der naive (dies macht ihn ja zum Sympathieträger) Kopf der Bande Monkey D. Luffy in Situationen, in denen nur das richtige „Mind-Set“ zum Erfolg fehlt. So gut wie jede Episode betet das selbe Mantra herunter: „Folge deinen Träumen“ und „Träumen darf man nicht im Wege stehen“. Es wird einem teilweise mehrfach in der selben Episode so brachial und plump an den Kopf geworfen, dass spätestens mit dem vierten Mal ein Alptraum daraus wird.

Es ist fast schon anbiedernd, wie die Naivität des Protagonisten eine Lebenseinstellung kolportiert, die alleinig auf der uneingeschränkten Verfolgung des Traums basiert. Sei die Gefahr oder die Anstrengung noch so groß, mit nur genügend Traum-Kraft, würde man alles erreichen. Dies ist natürlich die Prämisse des gesamten Werks, doch hätte dies auch in einer einmaligen Ausführung bei Weitem gereicht. 

Anstelle dessen vermitteln einem der gesamte Figurenkanon eine Struktur eines streng gläubigen Kults, den Kult der Träumer. Vorne weg der Strohhut tragende Pirat Luffy, der als primäre Identifikationsfigur dient. Es ist vermeintlich einleuchtend herzuleiten, warum gerade in Zeiten in denen Kriege, Klimakrisen und die Angst vor dem Niedergang der Zivilisation eine Figur solchen Ausmaßes so aufdringlich und ungeschminkt vom immer selben Glauben an den Traum einer besseren Zukunft redet. Nicht weniger erschreckend ist der gänzlich unkritische Umgang aller anderen Figuren damit. Selbstredend kümmert dies keinen, weil die Vorlage, also der Manga, ja eben genau so funktioniert. Jedoch ist der Manga auch schon über 20 Jahre alt (deutsche Erstveröffentlichung bei Carlsen im Jahr 2001) und man ist als Regisseur und Drehbuchautor nicht gezwungen eine direkte Kopie zu inszenieren. 

Form und Farbe

Diese Welt ist eine voller Fantastereien und abgedrehter Weser, die im Laufe der Handlung nur noch mangaesker und überdrehter werden. Natürlich wird in diesen Tagen selten auf Special-Effects, also echte Explosionen, Sets und Stuntmänner in komplexen Kostümen, gesetzt, sondern auf CGI. Dass diese Entscheidung zumeist eine ist, die fast immer aus finanziellen Gründen getroffen wird, überrascht nicht. Allerdings überraschend ist die gräuselige Qualität des CGI in dieser Serie.

Ein so lange erwartetes Real-Make eines weltweiten Fan-Phänomens, kann es sich nicht leisten Renderings zu liefern, die nicht aussehen wie ein Videospiel? Innerhalb der ersten paar Minuten fallen einem schlechte Green-Screen Szenen, Body-Morph-Effekte Luffys und eine riesiges Monster auf, das plastischer und künstlicher kaum aussehen könnte. Die Immersion in die Welt wird dadurch mit einer weiteren Hürde versehen, die diese eh schon sehr künstliche und überspitzte Welt zu einer noch weniger glaubhaften und authentischen Fiktion werden lässt. Wie die Figuren, die in Zukunft Teil der Bande beitreten, umgesetzt werden sollen, bleibt dabei völlig unklar und es entsteht schon ein kleiner kalter Schauer beim Gedanken an den werdenden Schiffsarzt, der die Erscheinung eines Miniatur-Elches hat.

Als besonders hervorzuheben sind jedoch Kostüme, Sets und das Gespür für Farben. In vielen Einstellungen stechen die vielfarbigen Outfits der Strohhut-Band in knackig, gesättigten Farben hervor. Da die Figuren eine eh bunte Anordnung von Temperamenten und symbolisch umgesetzten Farben darstellen, kann man dies jedoch kaum als die Serie rettend erfassen. Lediglich lässt sich festhalten, dass die Macher der Requisiten und Kostüme sich bei aller Mühe und guter Arbeit nicht gegen die enttäuschenden CGI-Shots wehren konnten. 

Was bleibt? 

Nun kann man all diese Punkte zusammenfassen als eine zerschmetternde Kritik. Doch muss dazu auch gesagt werden, dass das momentane Angebot der Serien und Filme, die unter Netflix produziert werden, gelinde gesagt dünn ist. So sticht dieses Real-Make eines Kult-Animes mit vielen dann doch irgendwie unterhaltsamen Aspekten hervor. Man könnte sich an dieser Stelle fragen, warum unbedingt Netflix die Zustimmung von Eiichiro Oda erhalten hat und nicht etwa Disney oder Amazon. Sicherlich liegt viel zur Lösung dieses Rätsels darin, dass die Lizenzen und Rechte nicht dem Urheber entwendet werden. Dies sind allerdings lediglich Vermutungen. 

Hat man also mal Lust auf ein quietschfideles Piratenabenteuer, das in gewisser Weise einen eigenständigen Look präsentiert, dann kann man sich mit zumindest 8 Stunden lang von One Piece fesseln lassen. 

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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