Die mittlerweile auf Netflix ausgestrahlte Serie über den jungen Gus wurde zum Aufhänger genommen, die erste Reihe bei Panini in einer Deluxe-Hardcover-Edition zu veröffentlichen und hat Jeff Lemire selbst wohl noch angespornt, einen sechsteiligen One-Shot „Sweet Tooth – Die Rückkehr“ obendrauf zu legen.
Ob dieser One-Shot ein Zugewinn zur Geschichte des Hirschgeweih tragenden Hybrid-Jungen Gus „Sweet Tooth“ ist, soll an dieser Stelle erörtert werden.
Die Handlung
Das Szenario scheint einem Fan oder Leser der vorangegangenen Reihe seltsam vertraut. Gus träumt merkwürdigste Dinge, er befindet sich in einer Hütte in einer Art Wald. Doch dann beginnt die Geschichte bereits andere Wege zu gehen.
„300 Jahre später“ titelt es nach der Eröffnung – und als aufmerksamer Leser fragt man sich, wie Gus 300 Jahre lang ein präpubertäres Kind bleiben konnte. Auch scheint es nicht der gewöhnliche Wald Nebraskas zu sein, sondern eine künstliche Landschaft in einer Höhle.
Gus wird schnell klar, dass die Figur „Vater“ ihm nicht die Wahrheit erzählt. Dieser ist der sich hinter religiösen Symbolen und Geschwurbel verschränkende alte Mann, der ihn unter seine Obhut nahm, als die Welt ausstarb. „Vater“ erklärt ihm, sie seien die einzigen Überlebenden und er dürfte niemals den Wald verlassen. Die Déjà-vu Dichte nimmt auch bis zum Ende dieses One-Shots nicht ab.
Gus gelingt die Flucht und er realisiert, dass doch alles ganz anders ist, als es ihm erzählt wurde. Er macht die Bekanntschaft mit Penny, einem Mädchen, das selber nicht glauben kann, dass es die Hybriden wirklich gibt. Denn die unterirdisch lebenden Menschen haben seit Generationen nicht ihre Höhle verlassen und selber noch nie Hybride gesehen.
Die „Prophezeiung“ tritt ein und Veränderung beginnt das Camp aufzuschütteln. Es treten weitere handlungstragende Figuren in Gus‘ Leben, darunter ein Elefant-Mensch Hybrid, der zwar nicht reden kann, aber riesig und stark ist und Gus‘ Freund wird. Es werden in Rückblenden einige lose Enden zusammengeführt, das kleine Regime des „Vaters“ näher beleuchtet und offene Fragen innerhalb der ersten zwei Hefte dieses One-Shots geklärt.
Ohne zu Spoilern kommen wir an dieser Stelle nicht weiter, daher lese man es am besten selbst und verschaffe sich so einen ausgiebigen Eindruck.
Der Stil
Wie auch in den vorangegangenen Comics von Jeff Lemire hat er diese sechs Hefte gänzlich selbst gezeichnet und geschrieben. Der Zeichenstil, das Figurendesign und die Hintergründe sind identisch der Figuren aus der Original Reihe „Sweet Tooth“, wenn man auch sagen sollte, dass sie ein klein wenig besser aussehen.
Die Figuren haben immer noch ihren gewohnt kantigen und etwas dreckigen Look, sind aber in vielerlei Hinsicht optisch stimmiger. Die Proportionen der Gesichter sind durchgehend besser und auch die Linienführung scheint sich ein wenig verändert zu haben. Einige Rückblenden und Erinnerungsfetzen zeigen auch alte Panels aus der Vorgängerreihe, in denen die Figuren dann schon anders aussehen. Ob einem der Zeichenstil gefällt, ob nun etwas glatter und verfeinerter oder kantig und ein wenig dreckig, ist natürlich Geschmacksache und sollte jeder Leser für sich entscheiden.
Die farbigen Seiten außerhalb der Panels legen einem nahe, in welche Stimmung sich das Kapitel bewegt. Auch die längere Rückblende in der Mitte des Paperbacks erhält ihren eigenen Look in schwarz-weiß.
Im Gesamten wirkt „Sweet Tooth – Die Rückkehr“ zeichnerisch, von der Kolorierung und der Inszenierung her noch ein wenig routinierter und abgeklärter, gleichzeitig wenig innovativ im Vergleich zum Vorgänger. Es ist ein solide gezeichneter Comic im Lemire-Stil.