Mit dem Abschluss der Mini-Serie „Noir Burlesque“ landet Enrico Marini stilsicher auf beiden Beinen des Genres Noir. Diese bei Carlsen verlegte Hardcover Ausgabe beendet die Kurzgeschichte aus dem Mafia-Millieu der 1950er Jahre der USA. Es ist ein Werk voller Klischees und Anspielungen an berühmte Film- und Literaturvorlagen. So lassen sich einige Handlungsklassiker hierin finden. Man kann also behaupten, dass das Rad nicht neu erfunden werde. Jedoch gibt Marini seinen Figuren und der Handlung eine gewisse Empfindsamkeit, in Mimik und Gestik der Figuren, die vielleicht nicht immer garantiert war, als das Genre Noir noch neu war.
Nahtlos und rasant
Im vorigen Band endete man mit einigen Erkenntnissen, die das bisherige Geschehen in neuem Licht erscheinen ließen. Nun befinden wir uns in Mitten dieser Auflösung des Konflikts. Ohne Umschweife wirft uns Marini in die Handlung und knüpft ohne Pause den Plot weiter. Es fällt auf, dass auch keine Rückgriffe, Anmerkungen oder Expositionen durch Figuren gegeben werden, um Leser:innen wieder aufzufangen. Man sollte diesen zweiten Band kurz nach der Lektüre, also Back-to-Back lesen.
Unser Protagonist befindet sich in einer misslichen Lage. In einem emotionalen Zwiespalt bezüglich der Femme-Fatale Debby und unglücklicherweise noch in der Schuld und Machenschaften der Mafia. So soll er, um seine besagte Schule zu begleichen, einem Mafia-Boss einen Picasso entwenden. Dieser Diebstahl, an den noch ganz beiläufig eine Entführung der Tochter des Mafioso Zizzi angehängt werden soll, eskaliert komplett. Die Slick zur Seite gestellten Handlanger stellen sich als schießwütige Idioten heraus und so kommt was kommen muss: eine Schießerei. Diese sehr gut inszenierte und spannende Actionszene soll nicht die Letzte in diesem Band sein.
Die große Schießerei im Haus des Zizzi führt zur Beschädigung des Gemäldes, was auf Enttäuschung bei Slicks Auftraggeber stoßen könnte. So kümmert er sich schleunigst um die Reparatur und spürt einmal mehr den festen Würgegriff seiner skrupellosen „Vorgesetzten“. Sie gehen so weit das Leben seiner Schwester und seines Neffen zu bedrohen. Etwas, wo jeder Protagonist eines gut geschriebenen Crime oder Thriller-Titels, die Grenze zieht. Slick beginnt also einen Gegenschlag zu planen und zieht dabei alle Register.
Stilistisch treffend und ästhetisch
Parallel zu dieser Kriminal-Mafia-Geschichte erfahren wir als Lesende mehr zu den Hintergründen der Femme-Fatale. Diese bisher etwas kurz gekommene Figur erhält nun eine Origin-Story, ihre Motive kommen ans Licht und außerdem dürfen wir eine wunderbar inszenierte Szene in einer Bar betrachten. Die cineastischen Perspektiven, das Spiel mit Licht und Schatten, die Highlight-Farbe Rot an Debby und das fantastisch eingefügte Lied, welches sie für Slick singt, lässt die Panels im Kopf lebendig werden und erklingen. Die Beziehung zu Slick, dem als harten Hund mit gutem Kern erzählten Helden, ist kompliziert und wie fast immer in diesem Genre von einer unerfüllten Liebe gekennzeichnet. Marini ließ es sich nicht nehmen die zwei einsamen und vom Leben gezeichneten Figuren Slick und Debby eine weitere gemeinsame Nacht zu erleben. Die Bilder sind zwar als jugendfrei (nackte Oberkörper werden gezeigt) gestaltet, dennoch liegt viel Sexualität in der Luft dieser Szene.
Es soll jedoch nicht sein. Debby, in den Fängen des Unterweltbosses und Auftraggebers des in Schuld stehenden Slick, kann sich nicht binden und plant überdies hinaus ihr eigenes doppeltes Spiel. Ebenso wie der harte Hund Slick, der mittels einiger Finten und schlauen Ablenkungen sein und das Leben seiner Schwester retten will.
Von Anfang bis Ende fühlt sich diese Geschichte stimmig an. Sie ist stilistisch auf den Punkt getroffen, sieht fantastisch aus, spielt mit Klischees und nutzt die Erwartungen, um auch damit einige Überraschungen zu inszenieren. Doch am Ende bleibt und ist es eines, ein Crime-Noir. Jedes Klischee und auch jeder angestrebte andere Weg, um dieses Genre aufzufrischen, führt schlussendlich zu einer Geschichte, wie man sie erwartet. Es bleibt leider an einem Punkt stehen, der den Figuren noch mehr Dimensionalität verleihen könnte, mehr Tiefe. Innerhalb der Handlung dieses zweiten Bandes lösen sich Konflikte außerdem zunehmend mit Waffengewalt. Viele der Szenen enden in Schießereien oder Flucht vor derselbigen.