#Comictober Kaleidoskop

26. Oktober 2023
2 Minuten gelesen

Ein süßes Tierchen schläft auf dem Cover dieser beim Verlag Reprodukt erscheinenden Hardcover Ausgabe. Jenes Wesen hält einen in Spektralfarben glimmenden Edelstein in den Pfoten. Dies ist ein elementarer Teil des „Kaleidoskop“, die Vielseitigkeit. Dies Werk ist eine Sammlung verschiedener Kurzgeschichten der Künstlerin Moki aus den letzten 15 Jahren ihres Schaffens. Sie studierte und lebte viele Jahre in Hamburg an der Hochschule für bildende Künste, wo sie unter anderem Teil mehrerer Kollektive und künstlerischer Netzwerke war. Diese Sammlung ist ihr aktuellstes Werk, das eine bunte Mischung aus fast zwei Jahrzehnten zusammenrafft. Ein immer wiederkehrender Teil dessen ist das Leben in Berlin, das sie zu ihrer Wahlheimat machte. Doch steckt noch viel mehr in diesen fantasiereichen und manchmal psychedelisch eigensinnigen Welten in ihren Geschichten.

Ein Kaleidoskop der Gefühle

Copyright: Reprodukt

Jeder kennt das Kaleidoskop als Kinderspielzeug, durch das man hindurchsieht, um die Welt in vielen bunten Farben sehen zu können. Dass das Wort übersetzt „Schönseher“ bedeutet, macht keinen großen Unterschied für das kindliche Entdecken seiner Sinne. Nimmt man nun diese Wortbedeutung dennoch her, um sich das vorliegende Werk in all seinen Facetten und von möglichen Winkeln in seinen Reflexionen zu betrachten, so fällt einem schnell etwas auf.

Die Motive, die in der Mitte dieses durch Spiegel unterteilten Röhrchen, das uns die Künstlerin Moki in die Hand gibt, liegen sind tiefgreifende Basisemotionen: Angst, Freude, Wut, Ekel, Überraschung. Auf diesen fünf Säulen aller menschlicher Emotionen scheinen die Geschichten zu fußen. Die Künstlerin bildet mittels intelligent chiffrierter Analogien ein Teppich der Empfindungen und Situationen, die durch die Abstraktion ihrer Figuren eine mystische Reise anbieten. Ob man sich als Leser:in darauf einlassen kann, obliegt jeder Person und einem Quäntchen Willen, dies nicht als schön illustrierte Bildergeschichten zu verstehen.

Es schwing immer ein wenig mit…

Copyright: Reprodukt

Die 21 Geschichten changieren in ihrem Umfang, Layout und auch der Sprache. Manchmal Englisch, manchmal Deutsch, oft ganz ohne Worte nimmt Moki uns mit in ihre Welt der Empfindungen. Dabei lassen sich einige spannende Layouts und Designs beobachten. Einige Geschichten fließen ohne Panels vom Anfang bis zum Ende, teilweise sogar parallele Erzählstränge, über die Seiten. Andere hingegen lassen sich auf einer Doppelseite in einer Art kompaktem Schaubild erschließen. Wieder andere, zumeist mit starkem Realitätsbezug zum Leben in Berlin Kreuzberg, erinnern mehr an das konventionelle Layout und Design einer Graphic Novel.

In fast allen Geschichten lässt sich eine tiefe Ergriffenheit und Schwere entdecken. Die meist recht putzigen Figuren, fast immer eher Tier als Mensch, wecken streng dem Kindchen-Schema nach eine grundlegende Sympathie und ein Mitgefühl. Doch oft kommt es vor, dass eben jene Figuren leidend, trauernd oder scheiternd gezeigt werden. Natürlich ist nicht jede Geschichte eine der Traurigkeit, denn oft genug wird man mit einem herzerwärmenden Gefühl aus einer Episode verabschiedet. Dennoch kann man sicher einer gewissen melancholischen Stimmung in vermeintlich schönen Momenten nicht erwehren. Davon finden sich viele in diesem Werk. Momente des Miteinanders, des Füreinanders und des gemeinsamen geteilten Leids, um in der Gemeinschaft ein schöneres Leben führen zu können.

Die Bildsprache

Copyright: Reprodukt

Wie bereits angedeutet ist dies eine Sammlung einer 15 Jahre andauernden Schaffensphase. Es lässt sich also schwer von einem kohärenten Stil sprechen, wenngleich man eine unverkennbare Handschrift erkennt. Die Formen der Welten, Gegenstände und Wesen, sofern sie fiktiv und weitestgehend mystisch sind, leben von verschnörkelter Weichheit. Die dazu komplementär wirkenden gedeckten Sepia, Braun, Orange, Grün und Gelbtöne ergeben ein rundum warmes Bild einer verträumten Welt. Da in jeder Geschichte und jeder Illustration gleich mehrere Ebenen der Deutung verschlüsselt sein können, macht sich die Lektüre manchmal etwas sperrig und kann den Charakter eines Buchs mit Suchbildern erinnern. Bis man sich während einer langsam fortschreitenden Lektüre die Bedeutung des Gesehenen klar macht, wird man schon von der nächsten Seite mit einer Fülle von Formen und Figuren konfrontiert.

Inwieweit sich die Zusammenstellung der Geschichten ergänzt oder konkurriert, lässt sich nur vage sagen. Auffällig ist jedoch, dass der Kontrast zwischen Fiktion und illustriertem Erlebnisbericht, einer ist, der hart und unvorbereitet trifft. Möglicherweise ist es aber auch genau das: das erbarmungslose Erschlagen werden von der Realität.

Kaleidoskop-Cover Reprodukt
Eine kunstvolle Introspektive
„Kaleidoskop“ ist im wahrsten Sinne eine facettenreiche Abbildung eines komplexen Gefühlslebens. Die visuelle Qualität zeugt von großer handwerklicher Kunstfertigkeit und ist zudem eigensinnig und originell. Diese Sammlung der Werke der Künstlerin Moki bildet einen exzellenten Einblick in das Innenleben der Künstlerin. Darüber hinaus ergreifen die Geschichten auf einer ganz anderen Art und Weise, da sie von Themen des Menschsein erzählen. Es ist mit diesem Werk gelungen, ganz der Wortbedeutung Kaleidoskop getreu, eine durch Spiegelung und Projektion geschaffene Welt voller Wunder und ergreifender Einzelheiten zu kreieren.
Pro
fantasiereiche Welten
fantastische Designs und Layouts
Kontra
stark chiffrierte Geschichten
Auswahl und Anordnung der Kurzgeschichten
7

Über Hünerfürst.de

Einer der bekanntesten deutschen Netzkultur Blogs seit 2009. Nils Hünerfürst und seine Familie schreiben hier auf Hünerfürst.de über Technik, Kultur, Essen und Videospiele.

Über den Autor

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

Sportwetten Tipps von Overlyzer

Das Neueste von Comics

WYND 1: Seltsames Blut

Wie würde eine Welt aussehen, in der magische Wesen zwar existieren, aber diskriminiert sind? In „WYND 1: Seltsames Blut“ spielt der Eisner-Award prämierte James

Many Deaths of Laila Starr

Wie würden wir Menschen handeln, wüssten wir darum unsterblich zu sein? In „The Many Deaths of Laila Starr“ wird das Thema Tod in allen