Die zehn Jahre währende Zusammenarbeit der Autorin Jidi, namentlich Zu Yale, und der Zeichnerin Ageng, geboren als Pan Liping, findet in diesem sechsten Band der Manhua-Reihe „Der freie Vogel fliegt“ ihr Ende.
Die beiden Künstlerinnen sind, dem eigenen Urteil aus dem Nachwort zu entnehmen, mit diesem Werk selber künstlerisch gewachsen und auch ein Stück erwachsener geworden.
Eine Besonderheit dieses Comics, wie auch von einigen anderen Titeln des Verlags Chinabooks E. Wolf, ist die zweisprachige Ausführung. So lässt sich der Umfang leicht erklären, da man den identischen Comic zusätzlich in chinesischer Sprache erhält. Nebst der vielen Lernmaterialien für Chinesisch, die der Verlag anbietet, ist diese Eigenschaft sehr ambivalent zu betrachten. Hat man kein Interesse daran, die Sprache zu lernen, kommt man nicht umher, die doppelt so dicken und schweren Bücher in Kauf zu nehmen. Ist man jedoch Feuer und Flamme fürs Lernen der chinesischen Sprache kann ein solcher Comic eine ideale Bereicherung im Bücherregal sein.
Die Handlung
Von Beginn an merkt man diesem Comic an, dass er noch einmal tief ausatmet. Es wird einigen Figuren noch einmal ein wenig Charisma eingehaucht, ihnen wird etwas mehr Lebendigkeit verliehen. So erhält Guo Xiaoyue noch etwas mehr Tiefe, indem unsere Protagonistin Xiaolu mit ihr das gemeinsame Familienalbum durchblättert. Weil Xiaoyues Familie lange sehr arm war, ist das Album gänzlich gezeichnet oder gemalt. Sie reden dabei über das Erwachsensein, Beziehungen und Familie, wobei Xiaolu einige Rückschlüsse auf ihre eigene Familiengeschichte zieht.
Die Abschlussprüfungen sind geschafft! Die Leben aller SchülerInnen beginnen nun, sich in unterschiedlichste Richtungen zu entwickeln und so folgt, dass die gerade gewonnene Freundin Xiaoyue in eine andere Stadt zieht, um ihr Studium zu beginnen. Xiaolu genießt ihre Freiheit und die Ruhe vor dem Sturm, bis sie einen Anruf von ihrer langjährigen Freundin Su aus Barcelona erhält. Barcelona war für Xiaolu seit dem Tag, als sie ihre heimliche Liebe Hán Chè eine Wand mit einem Gebäude aus einem Antonio Gaudi Buch über Barcelona malen sah, eine innige Verbindung zu ihren Gefühlen und den Fantasien mit ihm. Sie fasst den Entschluss, selber einmal an diesen Ort zu reisen.
Und so reisen sie und ihre Mutter in die Stadt ihrer Fantasie. Dort erleben wir eine surreale, traumartige Sequenz zwischen Erinnerung, Selbsterkenntnis und Hoffnungen an ihr Leben und die Liebe. Bei der Begegnung mit ihrem kindlichen Ich sagt sie sich die Sätze, die man für diesen Band und die gesamte Reihe „Der freie Vogel fliegt“ in Xiaolu lesen kann:
„Eines Tages aber schlüpfen wir aus unserem Kokon, und unsere Schönheit übertrifft alle Erwartungen. Doch der Weg dahin ist voller Leid, und manchmal verlieren wir den Mut und fühlen uns angesichts der reißenden Flut der Wirklichkeit klein und ohnmächtig. […] Wir müssen nur tun, was wir können, und alles wird gut. Versprochen“
Als sie dann (bereits Jahre später) über einen Markt in Chengdu geht, trifft sie auf ihren Schwarm und heimliche Liebe Hán Chè an einem Stand. Wie genau sie reagiert und ob die zwei eine Zukunft teilen, sollte man sich jedoch selber zu Gemüte führen.
Der Stil
Die Zeichnerin Ageng hat in diesem abschließenden sechsten Band noch einmal ihr ganzes Können unter Beweis gestellt. Die Protagonistin Xiaolu ist sichtlich erwachsener geworden in ihren Zügen und ihrer Wirkung. Die Figuren sehen durchweg gut aus, auch wenn hier und da einige Inkonsistenzen der Gesichter zu vermerken sind. Die Traumsequenzen sind farblich und zeichnerisch sehr schön.
Mit ihrem sehr eignen Stil aus realistischen Details im Hintergrund oder der Kleidung der Figuren, die auch an einigen Stellen sogar Cover der vorhergegangenen Bände in ihren Designs zitiert, wie die manchmal krummen Linien der Gebäude oder Umgebung, wirkt jedes Bild super handgemacht und echt. Man muss es nicht mögen, aber es transportiert viel Gefühl für die Atmosphäre der Szene und gibt diesem chinesischen Comic seine ganz eigene Note.