Der Joker: Der Mann, der nicht mehr lacht 1 – Kann Joker noch überraschen?

23. Februar 2024
2 Minuten gelesen

Der Joker, eine Figur voller Kontroversen und Projektionsfläche für psychologische und soziologische Diskussionen. In diesem Neustart der Figur Joker in Matthew Rosenbergs Reihe „Der Joker: Der Mann, der nicht mehr lacht“ zeichnet der höchste renommierte und für seine neuartigen Interpretationen bekannte Künstler Carmine Di Giandomenico. Diese, wie auch alle anderen Reihe des neu gestarteten DC-Kosmos, machen vieles richtig und treffen den Kern der Figur. Zeitgleich gelingt es den meisten Künstlerteams außerdem ihren Protagonisten eine neue Wendung, ein neues Problem und aktuelle Strömungen und Probleme in ihre Comics zu integrieren. Kann aber der Joker, also der Mann, der lacht, überhaupt noch neu gedacht werden? Kann die Figur durch eine weitere Reihe wachsen?

Eene, Meene, Muuh und tot bist du

Copyright: Panini

Diese bei Panini erscheinende erste Ausgabe startet mit einem Knall. Der Joker ist zurück und hat sogleich die Anführer aller Untergrundorganisationen entführt. Nachdem auch der letzte Gangsterboss vom Dinnertisch hinfort geschnappt wurde, beginnt eine Abrechnung. Er richtet jeden Einzelnen hin. Selbst die Intervention einige seiner Superschurken-Kollegen, wie Scarface scheint keinerlei Konsequenzen und Veränderung herbeiführen zu können. Dem wirren Geist des Jokers folgend, der in seinem Größenwahn den Platz in Gotham City räumen will, reisen wir nach Kalifornien. Dort angekommen nimmt er sich nahezu ungehindert seine neue Machtposition als Kopf des organisierten Verbrechens, mit einem Knall und aus Fenstern fliegenden einstigen Bossen.

Zeitgleich geschieht etwas eigenartiges in Gotham. Ein weiterer Joker taucht auf, mit Gedächtnislücken und daher vielen Fragen zur eigenen Identität und Aufgabe in der Welt. Er sucht nach Antworten und stößt wiederum nur auf Gewalt und Ablehnung, Hass und Niedertracht. Es scheint fast so, als wäre dieser Joker nur noch mehr Opfer seiner Umgebung und stellt somit in der Tradition des „Killing Joke“ die Frage nach der Kausalität von Gewalt und Gegengewalt. Denn niemand geringeres als Jason Todd alias Red Hood hat es auf den Gotham City Joker abgesehen. So stellt sich schnell die Frage wer der echte Joker sei, ob dies alles nur ein doppeltes Spiel ist, das versucht möglichst viel Chaos und Zerstörung zu hinterlassen? Ist der Joker vielleicht doch mehr, als ein wirrer Geist mit dem Hang zur scheinbar grenzenlosen Gewalt?

Viele dieser Fragen werden von Matthew Rosenberg in feinen Dialogen behandelt. Einige davon lassen außerdem auf einen weitreichenden Plan und einen möglichen neuen Ansatz für die Figur schlussfolgern.

Ideale Fusion der Stile

Copyright: Panini

Der Stil Carmine Di Giandomenicos ist einzigartig und unverkennbar. Seine Panels sind präzise, verschroben, manchmal übertrieben, fast immer perfekt auf den Punkt. In der Dichte der Details vieler Panels kann man sich gar nicht sattsehen. Diese Szenen werden perfekt kontrastiert von Action-Sequenzen, die mit starken Perspektiven und ikonischen Anspielungen auf bekannte Actionfilme nur so jonglieren. So überrascht es auch nicht, dass dann auch die einfühlsamen Szenen, eben jene mit tiefer gehenden Dialogen, eine nötige Wahrung der Form zeigen und nicht in überstilisierte Klischees verfallen. Man kann nun also nur „Cherry-Picking“ betreiben, um diesen Auftakt in seiner visuellen Kunst zu kritisieren. Dies ist nicht der Ort dafür, zumal auch dieser Stil als subjektiv hässlich empfunden werden kann. Es ist eben recht „erwachsen“ und wenig Kaugummi-Glamour der Marvel-Helden darin zu finden.

Allerdings überrascht diese Ausgabe auch auf andere Art und Weise. Im letzten Kapitel erwarten den Kurzgeschichten über den Joker. Diese eher auf komödiantische Art erzählten Geschichten wurden von Francesco Francavilla gezeichnet und sind alles andere als typisch. Nicht nur die teilweise sehr alberne, gleichzeitig makabere Art eine Geschichte zu erzählen, auch die nach Cartoon oder Karikatur aussehenden Panels sind ungewohnt anders. Ob es diesen gesamten Teil zwingend gebraucht hat im Paperback, ließe sich diskutieren. Ob sich darauf Bezug nehmen lässt ist fraglich, da diese Kurzgeschichten zu großem Anteil überaus skurrile und selbst für Superhelden-Comics ungewöhnliche Themen anspricht. Es ist unterhaltsam, wenn auch sehr drüber!

Vielversprechender Auftakt
Der Auftakt von „Der Joker: Der Mann, der nicht mehr lacht“ macht eine Punktlandung und sehr viel Lust auf mehr von Rosenberg und Giandomenicos Zusammenarbeit. Die Charaktere, die Handlungsetappen und die aufgebrachten Fragen zu Gesellschaft funktionieren fantastisch. Sowohl der Zeichenstil, als auch von Matthew Rosenberg ausgeschriebene Figur wirken wie ein echter Neustart, der trotzdem nicht seine Wurzeln zur Figur verloren hat. Es bleibt sehr spannend wie diese Reihe weitergeführt wird, denn die Erwartungen sind nun sehr hoch.
Pro
fantastisch geschriebene Figuren
interessantes Setting und Prämisse
passende Stilistik des Giandomenico
Kontra
Abschluss mit Kurzgeschichten?!
es braucht ein wenig Vorwissen
7

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Über den Autor

Lars Hünerfürst

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