Die unsterblichen X-Men 2 – Süße Albträume

Die Welt der X-Men ist mehr als komplex. Nach knapp 3 Jahren voller Wendungen und Neuerungen hat die Welt der Marvel-Helden ein alles umspannendes Event erlebt. Die Helden der Avengers, X-Men und Eternals erleben auf Grund der von Hickman eingeführten Unsterblichkeit einen alles zermürbenden Tag der Abrechnung. In „Die unsterblichen X-Men 2 – Süße Albträume“ nimmt der aktuelle Kopf der Mutanten Kieron Gillen einen Schritt in Richtung Finale dieses Crossovers. Außerdem macht der Autor eine weitere Tür auf, die in ein ganz eigenes X-Men internes Event führt. Künstlerisch unterstützt wird der Autor von Lucas Werneck und Michele Bandini. Die Nachwuchstalente Werneck und Bandini zeigen wie sehr der internationale Markt mittlerweile bei Marvel Einzug gefunden hat, Werneck stammt aus Brasilien, Bandini aus der Riege der neuen italienischen Schule. Das Paperback erscheint bei Panini.

BAMF!

Das Ende der meisten Lebewesen steht bevor. Die Helden der Erde wollen und können sich jedoch nicht diesem Schicksal ergeben, also schlagen sie zum Gegenangriff. Mit dabei und tief in die Logistik verstrickt ist Nightcrawler, der mit Hilfe seiner Teleportationssprünge die alliierten Helden zum Weltraumgott und Zerstörer springt. Der von einer Fraktion der Eternals geweckte Progenitor, der nun über das Schicksal der Lebewesen richtet, ist jedoch nahezu unbesiegbar. Eine große Zahl der bekannten Helden, wie Captain Marvel und auch Captain America gehen beim Versuch diesen Celestial zu stoppen einfach in Flammen auf und zerfallen zu Asche.

Doch noch haben die Mutanten ihren den Konflikt auslösenden heiligen Ort unendlichen Lebens. So geschieht, was vorher noch nie in Betracht gezogen wurde: Captain America wird von den Mutanten wiederbelebt. Damit allein bricht dieser Comic mit der Kontinuität der Mutanten und macht gleichzeitig viele Fragen zu den Superhelden auf. Ist Captain America nun also auch ein Mitglied der Mutanten und hat somit ein Bleiberecht auf den Inseln Krakoas? Können alle Wesen durch die fünf Mutanten ihr Leben wiedererlangen? Warum dann überhaupt die Auslöschung durch Progenitor fürchten?

Durch einen strategischen Trick ermächtigt sich Nightcrawler der kürzlich von den Mutanten verstoßenen Moira McTaggert, die kurz zuvor ihre eigene Vendetta gegen Professor X und Magneto führte. Sie ist nun Teil des Orchis-Programms, das einzig und allein der Vernichtung der Mutanten gewidmet ist. Nightcrawler gelingt es sie zu einer Kooperation der beiden Fraktionen zu „überreden“ um den Kampf gegen den Celestial zu Gunsten der Erde zu entscheiden.

Sinistre Pläne

Der überwiegende Teil dieses Paperbacks befasst sich mit dem Aufbau des Events „Sinisters Sünden“. Beginnend bei der Vorgeschichte des Nathaniel Essex, dem menschlichen Alias des auf genetische Modifikation und künstliche Reproduktion spezialisierten Wissenschaftlers, nehmen die folgenden Kapitel einige unerwartete Wendungen. Fragen wie: „Bedeutet die Technologie irgendwann den Tod des Menschen?“ werden in den Dialogen angerissen und zeigen einmal mehr, dass Superhelden-Comics auch ein Indikator für aktuelle Debatten sind.

Der Mr. Sinister des Jetzt strebt die Beendigung des ewigen Wiederbelebens an und gerät dabei selber in einen „Täglich grüßt das Murmeltier“-Loop. Dank der gestohlenen Fähigkeiten in Moira McTaggerts Genen kann Sinister nun wieder und wieder erfolglos versuchen seine Zielperson zu töten. Hope ist die Anführerin und stärkste Mutantin im Zirkel der Fünf, die für die Wiederbelebungen verantwortlich sind. Es geht daher brutal her im Stillen Konzil, dem Rat der Mutanten auf Krakoa. Körperteile fliegen durch die Gegend, Mutanten explodieren und viele Tode werden gestorben. Doch der Plan Sinisters ist erfolgreich.

Nicht damit rechnend, dass ein Mutant wie Synch (kann kurzweilig die Fähigkeiten/Erinnerungen anderer Kopieren) einspringt und Hope Summers wieder ins Leben holen wird. Ab dann versuchen die Mutanten im Kampf gegen Sinister und sein gesamtes Arsenal an über die vielen Jahre erschaffenen Kreationen anzukämpfen. Es ist ein Schlachtfest und die Panels explodieren und überschlagen sich förmlich.

Eine Festival der Explosionen

Diese Ausgabe ist voll von großen Kämpfen, Explosionen, Lichtblitzen, Blut, sehr viel Blut und wie gewohnt unkenntlich gemachten Schimpfworten. Die X-Men Titel zeichnen sich bereits seit einiger Zeit durch ihre zunehmende Härte aus, auch wenn diese Ausgabe einige Schritte weiter geht in der expliziten Schau von Gewalt. Ein Beispiel ist der Hüfte aufwärts zerberstende Mutant Exodus, dem Sinister kurz vorher einen Sprengsatz in den Mund stopfte. Solche harten Szenen sind zwar seltener zu sehen, zeigen aber ganz klar, dass auch an dieser Stell Grenzen dessen verschoben werden was gezeigt werden darf. Schimpfworte, nein Danke. In einzelne Teile explodierende Körper, gar kein Problem.

Stilistisch reitet Lucas Werneck die Welle des aktuellen Status-Quo der Superhelden-Darstellung, ganz so als wäre damit groß geworden. Dieser sich erst seit einigen Jahr etablierende Look zeichnet sich durch eine gute Balance aus detailreichen Designs, großen Expressionen und dynamischen Posen aus. Immer wieder lässt sich darin auch noch ein charmanter ironischer Humor finden, der von einzelnen Figuren getragen und verkörpert wird.

Michele Bandinis stilistischer Ausflug hingegen zeigt weichere Formen, mehr Spielraum für Farbverläufe und Cell-Shading Kolorierung, anstatt seine Designs mit Schraffuren und vielen Details zu versehen. Diese leichtere und geschmeidigere Art der Illustration passt perfekt auf die dargestellte Zeit des späten 19. Jahrhunderts. Außerdem gelingt es Bandini sich zu weiten Teilen der Stilistik seines Kollegen Werneck anzupassen. Der Wechsel ist daher merklich, jedoch nicht aufdringlich.

Die Kolorierung durch David Curiel verbindet die Stile der Zeichner zu einem sinnvollen Ganzen. Kurzum er trifft einfach den richtigen Ton und lässt diese schräge Welt der Mutanten und Superwesen in einem ausladenden Spektrum der Farbpaletten erstrahlen.

Überbordend und manchmal überfordernd
„Die unsterblichen X-Men 2 - Süße Albträume“ ist ein gnadenlos actionreiches Paperback, spannend und voller gut inszenierter Anknüpfungspunkte für die kommenden Events. Die Fülle an Handlung wird nur noch durch die fast überbordenden und schrillen Illustrationen übertroffen. Kaum eine Reihe ist derzeit so groß angelegt, so komplex und so überfordernd für Einsteiger wie die der X-Men. Es bleibt also abzuwarten, ob nach dem anstehenden Event wieder mit kleinerer Flamme und weniger eigenständigen Reihen ein ebenso unterhaltsamer Brei gekocht werden kann. Große Comic-Unterhaltung mit Potential zum großartigen Event.
Pro
fantastische Zeichnungen
viel Handlung und angerissene Themen
Kontra
viel Handlung und "nur" angerissene Themen
Aufteilung des Paperbacks -> für Event relevante Handlung in andere Reihe gepackt
6

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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