Die von Nick Spencer gestartete Reihe um die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft hat nun bald ein Ende. Mit dem Heft #74 von „Spider-Man“ wird der Autor das Zepter an Zeb Wells und Patrick Gleason abgeben. Der zeichnerische Kniff dieser Reihe war von Anfang an Ryan Ottley, der besser bekannt ist für seine ikonische Arbeit an „Invincible“. Diese Ausgabe hingegen ist übervoll mit verschiedenen Künstlern und Stilen. Das massive, knapp 300 Seiten schwere, Paperback erscheint bei Panini und bietet schon zu großen Teilen einen gefühlten Abschluss einer sehr durchwachsenen Reihe. Die Comic-Bubble ist selber sehr uneinig darüber, ob der Spencer-Run zu empfehlen oder zu verteufeln sein wird.
Du musst nur an dich glauben…
Die Handlung dieses massiven Paperbacks bewegt sich über viele Handlungsorte und Plotpoints hinweg. Eines bleibt jedoch als Konstante bestehen. Wilson Fisk, der da noch Bürgermeister, sucht nach einem Artefakt, um jemanden wieder ins Leben zu holen. Jenes Artefakt besteht aus mehreren Fragmenten, deren Orte der Mitbewohner Peter Parkers und ehemalige Schurke Boomerang alias Frederick Myers kennt. Ihre Leidensgemeinschaft, zu Anfang dieses Runs noch versucht voreinander geheim zu halten, entwickelte sich zu einer Freundschaft auf Probe. Nun streifen sie durch New York um die Teile des Artefakts vor der Schurkenschar Fisks zu ergattern. Dieser nämlich setzte hohe Finderlöhne für das Artefakt aus und beauftragte die Unterwelt gleichzeitig den sehr häufig als einfältig beschriebenen Fred Myers zu finden.
Zeitgleich kämpft der vom Green Goblin befreite Norman Osborn damit seinen Sohn vor Fisk zu retten. Harry verfiel der Rache und wurde zum großen Antagonisten und Drahtzieher dieser ganzen Reihe, Kindred. Dieser von Anfang an hoch gehaltene Name schien eine anhaltende Bedrohung zu werden und konnte schlussendlich leider nur enttäuschen. Nun befindet sich Osborn Junior gefangen im Wesen Kindred, das wiederum von Fisk inkarzeriert ist. Als Leiter des Ravencroft Asylums bietet es sich für Dr. Norman Osborn an die psychologische Untersuchung und den Verhör an seinem Sohn selber zu leiten. Fisk hingegen sieht das Problem der Befangenheit und möchte sofortige Ergebnisse, egal mit welchen Methoden.
Beide Handlungsbögen lassen sich in ihrem Kern immer wieder auf ein Motiv herunterbrechen: Veränderung ist möglich, wenn man sie nur stark genug will. Diese Annahme wird nahezu wie ein Mantra wiederholt und in vielen Facetten immer wieder neu aufgebrüht. Von Anfang bis Ende exerziert Nick Spencer diese Idee der Veränderbarkeit durch. Doch passiert nichts, die zu lernenden Lektionen fallen auf trockene Böden, Konsequenzen bleiben aus, Figuren verblassen und fallen in die Bedeutungslosigkeit unter vielen Actionszenen.
Wilder Ritt
Die schiere Anzahl der daran teilhabenden Künstler spricht für sich. Mit dabei sind Mark Bagley, Roge Antônio, Ze Carlos, Marcelo Ferreira, Patrick Gleason, Carlos Gómez, Federico Sabbatini und Federico Vincentini. So kann man sich denken, dass sich keine stilistisch kohärente Erzählung ergibt. Wobei man den Künstlern zusprechen muss, dass sie sich untereinander teilweise ergänzen und den Versuch wagten einige stilistische Referenzen zu behalten. So sind die Designs teilweise ähnlich. Allerdings bricht die Erzählung und der Stil, wenn Peter Parker den auf dem Cover zu erkennenden Anzug beginnt zu tragen. Diese Spielerei, bezahlt von Spider-Mans ehemaligem Hetzer J. Jonah Jameson, ist eine nette Idee und bietet überdies hinaus einige Fläche über die Wirkung von Medien allgemein zu diskutieren. Dieser Platz wird jedoch auch nur oberflächlich ausgenutzt.
Die Action der Zeichner ist gut inszeniert, mal mehr oder weniger ästhetisch, die Schurken und der Suspense findet an den richtigen Stellen Raum und das klischeehafte „gebrochen sein“ Peter Parkers darf auch stattfinden. Das Team der Künstler weiß, wie man Spider-Man solide bearbeitet, jedoch stellt sich kein großer Überraschungseffekt ein.