Der freie Vogel fliegt – Band 2

freie vogel flieg 2 cover

„Der freie Vogel fliegt“ ist eine Kollaboration zweier chinesischer Künstlerinnen. Die Autorin Jidi, namentlich Zu Yale, und die Zeichnerin Ageng, geboren als Pan Liping, haben den von Jidi in China bereits sehr erfolgreichen Jugendroman adaptiert, neu interpretiert und das entstandene Comic in Deutschland zum ersten Mal 2018 veröffentlicht.

Auch dieses Comic wurde vom Verlag Chinabooks E. Wolf in zweisprachiger Ausführung veröffentlicht. Es findet sich also zweimal derselbe Comic in unterschiedlichen Sprachen in einem Buch, daher lässt sich auch der Umfang einer jeden Ausgabe erklären. Dieser Comic hat jedoch hingegen einiger anderer von Chinabooks veröffentlichten Comics eine ausführliche Vokabelliste am Ende jeder Ausgabe sowie ein kleines Glossar zu einigen erklärungswürdigen Begriffen.

Die Handlung und Themen

Im zweiten Band des chinesischen Comics startet die Geschichte in eine Episode mit ihrem kürzlich befreundeten Hu Xu und seiner Freundin, die das Figurengeschäft in ihrer Nähe betreiben. Xiaolu, unsere Protagonistin, die so versucht, Informationen über ihren Schwarm Han Che zu ergattern, öffnet sich dem extrovertierten Ladenbesitzer und Künstler Bruder Xu. Es wird eine witzige Episode erzählt, die zudem auch zum Schmunzeln anregend illustriert wurde, und man taucht wieder in die Welt der Lin Xiaolu ein.

Sie ist das zurückhaltende Mädchen, das sich mit ausgedachten Taktiken sozialen Kontakten verwehrt, sie gar meidet. Diese Taktiken werden im weiteren Verlauf des Comics noch wichtig sein. Es erinnert in diesen Momenten allerdings doch mehr an eine ausgeprägte Sozialphobie. Doch wie das Schicksal es so fügt, treten einige Figuren auf, die bereits im vorangegangenen Buch eine kleine Rolle spielten.

Die zwei Mädchen sind (wie sich herausstellt) Klassenkameradinnen, werden sogar Xialus Freundinnen. Die für dieses Alter so typische Verliebtheit, Schwärmerei und die allzu oft unerfüllte Liebe werden und sind zentrales Thema der neugebildeten Clique. Die neuen Freundinnen werden einem als grundunterschiedlich eingeführt, jede ganz eigen in ihrem Charakter und der Art und Weise mit romantischen Gefühlen umzugehen.

Xiaolu öffnet sich weitergehend, jedoch in ihrem Tempo, und ist die wohl „weltfremdeste“ der Pubertierenden. Sie stellt sich vor, dass eine ihrer Freundinnen beim Aufenthalt über ein Wochenende bei einem befreundeten Mann, gemeinsame Fernsehgymnastik machen oder Abenteuer erleben gehen. Sexualität ist für Xiaolu offensichtlich noch fernab ihrer Wahrnehmung und Fantasien.

Dieser zweite Band bringt uns die Figurenkonstellationen, die Freunde, die Wünsche und Gefühle näher. Dabei gelingt es der Autorin Jidi und der Künstlerin Ageng, einen sanften, alltäglichen und trotzdem märchenhaften Ton anzuschlagen. Die Gefühle und Hoffnungen der drei Mädchen sind ähnlich und doch grundunterschiedlich. Sie alle wollen gesehen, gehört und geliebt werden. Doch bestehen unterschiedliche Gewichtungen in diesen Motiven bei den Freundinnen.

Der Stil

Der Gesamteindruck des Comics ist wieder grundlegend, malerisch und eigenartig schön. Allerdings treten, oder es ist offensichtlicher, in diesem Comic auch seltsame Bilder auf. Figuren, die nicht aussehen wie die Hauptfiguren. Man erkennt zwar, dass beispielsweise Xiaolu dargestellt sein soll, in einigen Panels sieht sie aber so fremd und anders aus, dass dies manchmal fast schmerzt. Auch die Proportionen sind, wenn nicht gerade durch Erklärungstexte der Macher direkt darauf hingewiesen, einige Male seltsam unstimmig. Trotzdem hat das Comic einen märchenhaften, verzaubernden Stil, der in der Mehrheit der Bilder ganz seicht und empfindsam wirkt.

Die in diesem Band auftretenden Gedanken, die visualisiert werden, sind sehr witzig und schaffen es gerade wegen der häufig unperfekten Linien und krummen Striche einen ganz eigenen Humor zu kreieren. Natürlich ist es auch die gut geschriebene Geschichte Jidis, die dort komplementär wirkt. Die Farben wirken sehr beruhigend, denn sie bewegen sich zwischen Pastelltönen und vielen weißen Highlights und Lichtschlägen. Schatten, dunkle Texturen oder besonders viel Schwarz lässt sich nicht oft finden, da sogar die Outlines der Figuren mit leichtem Strich gezeichnet sind und nahezu zaghaft aussehen.

freie vogel flieg 2 cover
Fazit
Der zweite Band spinnt die Geschichte um Lin Xiaolu und ihre geheime Liebe zu ihrem Schwarm konsequent weiter und bringt uns weitere Figuren, eine komplexere soziale Struktur des Schulalltags unter Teenagern und noch mehr Einblicke in die chinesische Perspektive auf Liebe näher. Man muss sagen, dass an vielen Stellen noch sehr heteronormative und vor allem sehr konservative Rollenbilder präsentiert werden. Obwohl dieses Werk nicht sehr alt ist, wird ein kulturell sozialer Unterschied deutlich, der sich in den Zwischentönen herauslesen lässt. Es ist ein Comic, das man sich an einem leichten Nachmittag zu Gemüte führen kann, aber große Spannung wird in diesem zweiten Band leider nicht aufgebaut. Die Charaktere entwickeln sich nur ein kleines Stück, man bekommt hauptsächlich neue Figuren präsentiert und die eigentliche Handlung geht nur langsam voran. „Der freie Vogel fliegt – Band 2“ ist ein doch nur nettes Comic, das es trotz allem schafft, den Leser für einen Moment nach China zu entführen und dies fühlbar macht.
Pro
Charmant, witzig und mit teils schönen Bildern versehen.
Kontra
Teilweise seltsame Bilder; geringer Spannungsbogen.
7

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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