Seit dem Sommer 2022 erscheinen diese massiven Re-Prints des Manga-Klassikers bereits. Die Rede ist vom wohl viel Genres prägenden Manga „Lone Wolf & Cub“. Diese „Master Edition 6“ enthält, wie auch alle vorigen Panini Ausgaben, ein Glossar mit Erklärungen zu Übersetzungen, kulturellen Besonderheiten und Historischem. Mit seinen insgesamt 12 geplanten Ausgaben, sind wir nun bei der Hälfte angelangt und man kann ein Zwischenfazit ziehen.
Dieser Manga, geschrieben von Kazuo Koike und gezeichnet von Gôseki Kojima, gehört zu einem der einflussreichsten Werke der letzten 50 Jahre. Bis heute wird das darin befindliche Motiv des unverwüstbaren Helden, der entwurzelt durch die Lande streift und dabei einen unschuldigen Schützling hat mehrfach kopiert. In nur 6 Jahren schufen Koike und Kojima ein insgesamt 28 Manga-Sammelband (ähnlich den Mangas in Deutschland) und schufen stilistisch neue Welten.
Kultur, Kampf und Krisen
Wie schon in vorigen Artikeln zu dieser Reihe benannt, ist diese Reihe mehr als nur ein Action-Samurai-Hau-Drauf-Manga. Uns als Lesenden wird eine komplexe Welt zu Teil. Nicht nur die Gedanken des Protagonisten Ogami Itto, der als ehemaliger Henker des Shogun höchstes Ansehen genoss, ganz besonders aber die Gefühle des dreijährigen Sohnes Daigoro, können wir erleben. Außerdem ist die Fülle an Einblicken zur japanischen Lebensart, Traditionen, Ritualen, Alltagskultur und Problemen der Bevölkerung immens groß.
Die Annäherung zu jenen Aspekten des gewöhnlichen Lebens wird zumeist über das Zusammenkommen von Interessen inszeniert. Soll bedeuten, dass ein Problem dargestellt wird, welches nur mit dem Schwert und Ogami Ittos kompetenten Händen gelöst werden kann. Denn mehr als häufig sind es Banden, ihre Macht missbrauchende Beamte oder Verbrecher, die die Menschen quälen und ausbeuten. In vielen dieser Fälle ist es Daigoro, dessen naiver Entdeckergeist und freundliche Art viele Arme und Türen öffnet. So wird in dieser Ausgabe über fahrendes Volk, also eine Zaubershow, der fürstlichen Falknerei, dem Leben als Polizisten, das Dasein als Zofe und das Familienleben und Erziehung geschrieben.
Unnachgiebige Verschwörung
Diese sechste Ausgabe widmet sich jedoch noch mehr dem alles überspannenden Komplott. Ogami Itto wurde vom Yagyu-Clan (ein tatsächlich bestehender Familienclan des feudalen Japans) verraten, um mehr Macht zu erhalten. Ogami war der Hof-Henker und hatte ein hohes Ansehen, viel Respekt, und wurde trotz der haltlosen Vorwürfe durch den Yagyu-Clan zum Seppuku (ritueller Selbstmord) aufgefordert. Er widersetzte sich und schlug den „Pfad der Verdammnis“ ein, den Weg in die Hölle. So geschieht es immer wieder, dass Auftragsmörder dem Leben der zwei trachten, andere Fürstentümer sich mit viel Opportunismus verdeckt in den Dienst der Yagyu. Ogamis sagenumwobener Kampfstil und seine versatile und überraschende Ausrüstung am Kinderwagen sorgen bisher jedoch immer dafür, dass er siegreich aus den Duellen und Kämpfen hervorgeht. Auch bezüglich der Etikette des Kampfes, dem Ritual und der Ehrerbietung seinem Gegenüber lehrt uns dieses Werk immer wieder erneut, was es heißt Respekt zu wahren.
Ein Zwischenfazit
Bereits 6 jeweils knapp 2 Kilogramm schwere massive Hardcover-Ausgaben, mit Lesebändchen, separatem und abnehmbaren Umschlag und einigen zusätzlichen Informationen später kann man ein kleines Fazit ziehen. Sollte man Interesse an der feudalen Welt Japans haben, ist diese Reihe ein Muss! Man erhält mit dem Lesen dieser Werke weitaus mehr, als reine Kampfkraft. Zudem jene Szenen meist so stilistisch ikonisch und wunderbar inszeniert sind, dass sie nicht nur das Schlachtfest eines x-beliebigen Shonen-Mangas darstellen. In „Lone Wolf & Cub“ wird erhält man eine allumfängliche kulturelle Einführung, so viel kann man sich zumindest einbilden. Die jeweiligen Vorworte und das angehängte Glossar verstärken diesen Eindruck, da sie sich auf historische Fakten und überlieferte Alltagspraktiken beziehen. Also kann man behaupten, dass dieser Manga mehr als der „Kult-Manga“ ist, den man auf die meist wortlosen Duelle, die Western-Film typischen Close-Ups auf die sich anstarrenden Augenpaare der Kämpfenden und blitzende Klingen reduzieren könnte.
Visuell entzückend
Nebst der zahlreichen Lehrstücke zu Kultur und Alltagspraxis dürfen wir in dieser Reihe einen Zeichenstil bestaunen, der für sich einzigartig ist. Weiche minimalistisch Linien treffen auf ein manchmal dichtes Gewirr aus Details, zarte Formen auf hart Konturen, liebevolle Expressionen Daigoros auf eiskalte und mörderische Blicke seines Vaters in den Kämpfen. Man kann hierin vieles finden, das begeistert und anregt.
Vor allem sind es die Perspektiven, die wie bereits angedeutet an Western erinnern und auch noch heute in Filmen oder anderen Comics Verwendung finden. Die Protagonisten als solche sind bereits sehr spannend und bieten viele Spannungen in ihrer Charakterisierung und Ausformung, was die Lektüre von Mal zu Mal spannend hält. Ins Besondere der als „die Unschuld“ beschriebene und durch die vielen beobachteten Tötungen durch seinen Vater extrem abgebrühte Daigoro scheint die Figur zu sein, die diese Geschichte erst menschlich macht. Das Leid, Leben und Liebe, welche Daigoro durchlebt und widerfährt ist fast fesselnder, als der überspannende politische Komplott.