
Diese mit „Leviathan Band 1“ gestartete Mini-Serie hat es in sich. Das bereits Neugier weckende Cover, das Carlsen gewählt hat, sticht aus der Masse der meist quietschbunten Covers heraus. Der von Shiro Kuroi entworfene Manga begann seinen langen Weg in Form von Skizzen auf Manga-Conventions. Der in den 90er Jahren aufgewachsene Künstler, fand seinen Weg in die Welt der Mangas vor dem Hintergrund der Großmeister, wie Akira Toriyama (Dragonball) und den Zeichnungen von Hayao Miyazakis Werken, sowie dem Meisterwerk „Akira“ von Katsuhiro Otomos.
„Leviathan“ entstand als lose Sammlung von Skizzen und ist nun zu diesem überaus spannenden und philosophische Tiefe anbietenden Werk geworden.
Der Leviathan
Die Figur des Leviathan ist seit der jüdischen Mythologie existent. In jener ist es ein riesiges Seeungeheuer, das von Gott am Ende der Welt zur Strecke gebracht würde. In der christlichen Deutung dieses Wesens verwandelt sich die Bedeutung wiederum zu etwas neuem. Es ist das von Gott gesandte Böse, das die Sünder am Tag des jüngsten Gerichts verschlingen soll. Hier lassen sich bereits einige Parallelen zum Manga ziehen. Dazu jedoch später.
Eine weitere, vielseitig relevantere Herkunft oder Begriffsdeutung findet sich jedoch in Thomas Hobbes Philosophie über den Staat. Das 1651 entstandene Werk „Leviathan“ formulierte das Überkommen des Naturzustandes in Angst und Unsicherheit, indem sich die Individuen einem Herrscher unterwerfen. Diese auf einem Staatsvertrag zwischen Herrscher und Beherrschten beruhende Gesellschaftsordnung begründete Hobbes mit dem vielseitig zitierten „Der Mensch ist des Menschen Wolf“. Durch die Annahme, dass sich der Mensch ohne Herrschaft gegenseitig zu Grund richten würde, deutet der Titel dieses Mangas bereits einiges voraus. Es wird in „Leviathan Band 1“ nämlich genau in diese Kerbe schlagen.
Es begann…
Ein riesiges Raumschiff treibt durch die Unendlichkeit des Weltalls. Eine kleine Gruppe Plünderer finden dieses monströse Wrack und beginnen ihre Suche nach Schätzen darin. Das einzige, was sehr schnell entdecken, ist ein Tagebuch, welches die letzten Tage dokumentiert. Es geschah ein Unfall, der dieses Schiff (namens Leviathan) und die vielen Passagiere langsam, aber gewiss in den Untergang treiben sollte. Eine unerklärliche Explosion zerstörte das Schiff. Es ist fortan ohne Funksystem, ohne steuerungsfähige Brücke, es gibt nicht genüg Proviant für die vielen Schulklassen, die auf dem Weg waren zu einem Schulausflug und der Sauerstoff wird knapp. Die einzige Rettung ist eine Kryostase-Kapsel. Eine Kapsel.
Der von Mobbing betroffene Kuki ist der Erzähler und Tagebuchschreiber dieser Geschichte. Wir erfahren also zeitgleich zum fortwährenden Eindringen der Plünderer in das Wrack des Schiffs, was sich dort während der letzten Tage abgespielt hat. So viel sei gesagt: es geht schnell ans Eingemachte. Innerhalb weniger Seiten dieses Mangas sterben Leute. Ab einem gewissen Punkt erinnert es an den Roman „Herr der Fliegen“, was schon Hinweise darauf geben kann, was innerhalb dieser Geschichte von Statten geht.
Visuell und dramaturgisch einnehmend
Diese von Shiro Kuroi entworfene Geschichte „Leviathan Band 1“ ist ein echter „Page-Turner“. Die schnell etablierte Rahmenhandlung, das zeitgleiche Entdecken des Wracks und damit eine gewisse Grundspannung, die durch einige erzählerische Kniffe aufgebaut wird, ist immens einnehmend. Das rasante Tempo dieser Geschichte, die zu Beginn nur eine Exposition ist und dann hoffentlich mehr wird, als ein reiner Survial-Thriller, lässt einen diesen Manga nicht zur Seite legen. Der entstandene Konflikt des Protagonisten Kuki und der sich schnell als gänzlich frei von Moral entpuppenden Nikaido etabliert eine Atmosphäre der Skepsis. Diese wird großartig durch die Zeichnungen und Inszenierung unterstützt. Das Spiel von Licht, Perspektive und der Weglassung funktioniert schlichtweg fantastisch.
Kurois Arbeit in diesem Manga zeichnet sich durch eine Mischung verschiedener Techniken aus. Zum einen wirken viele der Panels ganz klassisch gezeichnet, mittels Rasterfolien schattiert und voller Details, die diese Welt glaubwürdiger und atmosphärisch machen. Zum anderen sehen manche Expressionen und Panels ein wenig so aus, als wären sie am Computer in einer Dreidimensionalität entworfen. Diese scheinen dann auf die Zweidimensionalität des Mediums Papier adaptiert zu sein. So entsteht manchmal eine gewisse unfreiwillige Stilmischung, die gegebenenfalls unstringent wirkt. Dem allgemeinen Eindruck und der Stimmung dieses Werks schadet dies jedoch nicht, im Gegenteil es fügt sich gut ein und lässt ausgewählte Panels hervorstechen.