Plot Holes – Eine Meta-Kritik des Verlagswesens?

4. März 2024
2 Minuten gelesen
Plot Holes Cover

Mit der „White Knight“ Saga hat sich Sean Murphy bereits ein Denkmal gesetzt. Nun hat der umtriebige Autor und Zeichner einen Versuch gewagt fernab der bekannten Superhelden. In „Plot Holes“ zeigten außerdem die mehrfach prämierten Koloristen Dave Stewart und Matt Hollingsworth was hochklassige Arbeit mit Farben ausmachen kann. Dieser One-Shot erscheint im schönen Hardcovereinband bei Splitter. Der umfangreiche Anhang präsentiert einige Skizzen, Charakterstudien und Aufbau einiger Seiten. Diese Gallerie lässt den Schaffensprozess wunderbar nachvollziehen und gibt den Figuren nochmals mehr Farbe, als sie sie eh schon haben.

Du wirst lektoriert!

Copyright: Splitter

Alieninvasionen, fliegende Oktopoden, blaue Tiger-Barbaren, Vampir-Piraten und eine alte Frau, die den ganzen Laden zusammenhält. So bunt und eigenartig wie diese Aufzählung klingt, ist dieses Werk auch. Es beginnt mit der Einführung der Sondereinheit „Plot Holes“, einer aus ausrangierten Literatur- und Comicfiguren bestehenden Spezialtruppe. Sie sorgen für Ordnung und die saubere Abfertigung des Lektoratsprozesses. Zumeist stoßen sie in Welten, deren Existenz noch gerettet werden kann. Manchmal hingegen müssen sie jedoch die schwere Entscheidung treffen eine Welt und alle ihre Bewohner verschwinden zu lassen. In einer solchen Welt befindet sich Cliff Wieselwitz. Er ist Comiczeichner und wird eines Abends von Ed, besagter Teamleiterin, mit in ihre Meta-Welt genommen. Der Schock ist vorerst gigantisch. Wie hätte Cliff ahnen sollen, dass er „nur“ eine Figur in einer Geschichte sei? Der Frage nach der Perspektive und Wahrnehmung von Realität ist ein Kernmotiv dieses Comics.

Cliff trifft auf das bunte Team aus Figuren aller Genres und Stile. So ist Kevin ein schon in den 30er Jahren in Comicstrips entstanden, wurde aber von den Autoren missbraucht, um Menschen verachtende Inhalte zu verbreiten. Er wurde vor dem Ende der Reihe durch das Lektorat gerettet und ist nun ein ewig Kind gebliebener, neumalkluger, zynischer und rauchender Junge. Ebenfalls im Team sind die besagte blaue Tiger-Barbarin Röar, ein aus einem Mecha-Manga entstammender Mechaniker namens Johnny Manga, die Vampir-Piratin La Rasior und der übermächtige Surge. Gemeinsam kämpfen sie gegen eine unbekannte Bedrohung, die eine Gefahr für alle Welten, egal ob lektoriert oder nicht, ausstrahlt.

Ein Andenken an die Oma

Copyright: Splitter

Im Kern dieses Comics steht jedoch etwas ganz anderes. Wie Sean Murphy in dessen Vorwort bereits erwähnt, befasst sich dieses Werk mit dem Thema Tod, Verlust und Trauer. Es ist seiner Großmutter gewidmet, die ein anscheinend wildes Leben führte und wie jeder Mensch auch mit dem Verlust ihrer Lebensgefährten zu kämpfen hatte. Der wilde Ritt durch hunderte Welten, die unterschiedlicher und häufig fantastische Abziehbilder eines Genre-Klischees sind, und die häufig feinen Dialoge vermitteln einem einen diametralen Eindruck dieser Story. Zum einen wird man durch die Genres und Stile geschüttelt, zum anderen bleibt die Sehnsucht nach der Liebe und die Angst vor dem Vergessen immer bestehen.

Zwar ergibt sich durch jene Prämissen nicht zwingend etwas großartig neues. Jedoch hat Murphys Ideenreichtum zu einigen innovativen und erfrischenden Wendungen und Umsetzungen dieser Thematik geführt. Die Figuren werden ihrerseits alle mit einer einseitigen „Origin-Story“ eingeführt und konsequent weiter entwickelt. Etwas, das nicht jeder Comic auf knapp 130 Seiten schafft. So schätzt man das Team rund um Cliff, den auserwählten Nachfolger Eds, umso mehr und schließt sie in all ihren Facetten und Eigenheiten ins Herz. Vor allem aber erzeugen sie so viel Neugier, das man gut und gern einige Kurzgeschichten zu ihren eigenständigen Abenteuern erleben möchte. Denn einer Sache kann man sich Gewiss sein: die Designs und Zeichnungen Murphys sind auf den Punkt.

Nicht nur die Zeichnungen der Figuren auch die Kolorierung und die Designs der Gegenstände und Welten bestechen durch herausragende Qualität. Diese bis zum Bersten übervolle Ansammlung von Zitaten und Anspielungen zu Filmen, Literatur und Comics macht schlichtweg sehr großen Spaß und weiß zu faszinieren.

Plot Holes Cover
Bunt, vielseitig und umfangreich
„Plot Holes“ ist ein großartiges Werk voller fantastischer Anspielungen und liebevoller Figuren. Die Fülle an Welten, die visuelle Umsetzung und die darüber hinaus tiefgreifenden Themen, schaffen etwas, das man sonst nur in vielen Ausgaben erleben kann. Sie lassen einen mit einem wohlig warmen Gefühl zurück, das nahezu alle Bedürfnisse einer guten Geschichte zu befriedigen weiß. Kennt man Sean Murphys Stil dann kann dieser Comic so manche Selbstreferenz nicht verstecken. Dies tut der Geschichte, noch den Figuren, keinen Abbruch. Es fällt jedoch auf wie ähnlich sich manche Figuren sehen. Die im Comic behandelten Themen werden zu Genüge, wenn auch gelegentlich sehr offensichtlich, verarbeitet. In jedem Fall ist dieses Werk eine perfekte Empfehlung für jeden Hobby-Nerd oder Vollzeit-Geek.
Pro
Kontra

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Über den Autor

Lars Hünerfürst

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