Die Grippesaison hat begonnen – aber was tut man, um sich zu schützen? #Elternalltag

21. November 2022
4 Minuten gelesen

Der Sommer ist vorbei, der Herbst zeigt sich von einer besonders schönen Seite, bis in den November rein, die Temperaturen sind fast noch sommerlich. Trotzdem, die erste Grippewelle hat uns schon eingeholt. Kein Wunder nach Abstinenz durch Covid und extremen Schutzmaßnahmen in den letzten Jahren. Bisher verliefen unsere Erkältungen recht ähnlich, man konnte abschätzen, wann es wieder vorbei ist, Fieber bei den Kindern hat nie länger als 3 Tage angehalten und Arztbesuche waren fast immer vermeidbar. Jetzt aber hat uns eine Grippe erwischt, die zumindest Atticus völlig aus der Bahn geworfen hat. Sieben Tage Fieber, gar kein Appetit und über 15 Stunden Schlaf am Tag hat mich an den Rand meiner Mutterweisheit gebracht. Wir waren in diesem Fall natürlich beim Arzt, keine Frage. Ob uns das aber überhaupt weiter geholfen hat? Nur mir, ich habe mich nämlich mit dem Thema Tamiflu befassen müssen. Warum wird Tamiflu bei jeder Grippe verabreicht? Warum dürfen Ärzte einem über den Mund fahren? Warum lasse ich mich überhaupt einschüchtern und höre in Anwesenheit von Ärzten nicht auf meinen eigenen Instinkt?

Der Arztbesuch

Wie schon erwähnt, Atticus hatte Fieber. In der Schule war die Anwesenheit im Rekordtief, ein RSV (Humanes Respiratorisches Synzytial-Virus) ging rum, in den beiden WhatsApp Gruppen der Eltern las man überwiegend das gleiche, Fieber, Antriebslosigkeit, Erbrechen und/oder Durchfall. Aber niemand hat von solchen extremen Außmaßen geschrieben. Am vierten Tag habe ich bei unserem Kinderarzt angerufen. Laut Website werden am Tag mehrere Termine für Same-Day-Appointments freigehalten und so konnten wir am selben Nachmittag noch vorbei kommen. Florentine war bis dahin noch gesund, was mich sehr überrascht hat. Nach den üblichen Untersuchungen, Gewicht, Größe und Fieber messen kam eine uns neue Ärztin zu uns und war ganz entsetzt, warum ich erst am vierten Tag mit Fieber komme. Für Tamiflu sei es jetzt ja schon zu spät. Sie hat dann noch in Ohren und Rachen nach Entzündungen geschaut, hat aber nichts gefunden, worüber ich sehr erleichtert war. Trotzdem, ich habe mich erstmal schuldig und schlecht gefühlt, weil ich nicht gleich zum Arzt bin. Aber wie schon gesagt, bisher haben wir selber die Erkältungen in den Griff bekommen und ich kenne nunmal die Philosophie, wenn das Fieber nach drei Tagen nicht weg ist, ab zum Arzt. Die Ärztin hat dann direkt einen Grippetest verordnet, was ich bis dahin noch gar nicht kannte, funktioniert genau so wie ein Coronatest, war in Deutschland noch nie nötig, war dann auch direkt positiv. Das er $40 kostet hat man mir erst beim rausgehen gesagt. Mir wurde dann dringend angeraten mich sofort zu melden, sollte Florentine Anzeichen für eine Grippe haben, dann können wir gleich mit Tamiflu beginnen. Bei Atticus können wir jetzt nichts mehr machen, das muss er jetzt aussitzen und hoffen, dass es keine Lungenentzündung wird.

Die Ärztin war sehr kurz angebunden, wirkte genervt von Atticus weinen und hat mir wenig Raum zum Sprechen gelassen. Ich habe natürlich versucht zu erklären, dass mir vieles noch neu ist und ich keine Ahnung habe was Tamiflu denn eigentlich ist. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich nicht eher hin gegangen bin. Das Fieber war nach sieben Tagen vorbei, Florentine hat einen Tag nach dem Arztbesuch angefangen zu fiebern und ich habe mit Hilfe von Raumluftbefeuchter und viel Bettruhe alles Schlimmere vermeiden können.

Was ist eigentlich Tamiflu?

Das erste was ich zu Hause also gemacht habe, ist googeln. Was ist denn eigentlich Tamiflu? Und warum scheint es, hier in den Vereinigten Staaten das Wundermittel Nummer 1 sein? Ich war in Chemie und Biochemie leider nie besonders gut, lag bestimmt auch an den Lehrern, daher gibt es keine chemisch ausführliche Antwort von mir. Tamiflu oder Oseltamivir ist ein Neuraminidase-Hemmer und soll virostatisch wirken. Das heißt, es soll die Viren an ihrer Verbreitung hindern und somit die Grippe, soweit es sich um Influenza A oder B Viren handelt, verkürzen. Klingt ja erstmal gut. Wenn es um Unsicherheiten bezüglich kranken Kindern geht, frage ich neben Google aber auch immer meine Schwester. Da bekomme ich immer die richtige Sichtweise, wonach ich genau googeln soll, immerhin gibt es mehr als nur eine Meinung im Internet, und auch immer ein aufmunterndes Wort, in diesem Fall eben, dass ich nicht zu spät zum Arzt bin. Dank meiner Schwester wusste ich dann also wonach genau ich googeln muss und habe schnell sehr viel Kritik an dem Arzneimittel und dessen Sicherheit gefunden.

Das Mittel Oseltamivir ist Ende der 90er zugelassen worden und hat im Jahr 2009, als die Schweinegrippe durch die Länder zog, ihren Durchbruch auf dem Markt erlebt. Eine Impfung gab es nicht, eine Pandemie wurde befürchtet und so kam es dazu, dass die Regierungen Tamiflu horteten. Selbst die WHO (World Health Orginazation) hat Tamiflu empfohlen. Eine Pandemie blieb letztendlich aus. Warum Tamiflu auf einmal so hoch gelobt wurde ist nicht wirklich bekannt. Es gibt Kritik, dass das Pharmaunternehmen Roche, welches der Hersteller ist, indirekt mitgewirkt hat und die Wirksamkeit in den Medien als seriösen journalistischen Beitrag verbreitet hat, was eigentlich als Werbung hätte laufen müssen. Das British Medical Journal hat über mehrere Jahre ohne Erfolg versucht, einsicht in die Rohdaten zu nehmen und auch schon früh Unstimmigkeiten in Studien und Veröffentlichungen gefunden.

Die ganze Geschichte ist zu lang und wissenschaftlich zu kompliziert um sie genau wieder zu geben. Heute weiß man, die Nebenwirkungen sind zu extrem um die Einnahme zu gerechtfertigen. Übelkeit, Erbrechen und Magenschmerzen, Verschlechterung bereits bestehender Erkrankungen sind die häufigsten. Es gibt aber auch neuropsychiatrische Vorfälle, die bisher bei Jugendlichen und Kindern aufgetreten sind, weshalb ich am meisten zurückgeschreckt bin und weshalb meine Schwester mir auch abgeraten hat. Die ersten bekannten Fälle gab es in Japan, wo das Arzneimittel schon etwas eher geboomt hat und wo man heutzutage auch Halluzinationen und Bewusstseinstrübungen als Nebenwirkung vermerkt. Obwohl bis zum Jahr 2006 auch in den USA über 100 neuropsychiatrische Fällen bei Kindern und Jugendlichen geprüft wurden, gibt es von der FDA (Food and Drug Administation) nur den Hinweis auf der Verpackung, den Patienten zu überwachen.

Fazit

Tamiflu wird noch heute von der WHO empfohlen. Trotz allem, was über das Medikament ans Licht gekommen ist und der Tatsache, dass die Grippe letztendlich nur um einen Tag verkürzt werden kann wird in den hiesigen Praxen Tamiflu verschrieben. Ich bin sehr froh, dass uns dieses Mittel in Deutschland nie über den Weg gelaufen ist bzw. dass es von den deutschen Kinderärzten scheinbar nicht so einfach verschrieben wird. Ich werde auch bei allen Gelegenheiten ablehnen irgendwem Tamiflu zu verschreiben.

Wir werden uns alle diese Jahr noch gegen die Grippe impfen lassen, vielleicht fällt die nächste dann nicht ganz so extrem aus. Auch wenn ich bei der jährlichen Grippeimpfung nie mitgemacht habe, vielleicht wäre es dieses Jahr sinnvoll, nach so langer Isolation den Körper auf das was noch kommt vorzubereiten. Und was auch immer das sein wird, wir werden witerhin mit Fiebersaft und im Falle von Husten auch Hustensaft und Inhalation und viel Ruhe die nächsten Grippewellen auch überstehen. Das gehört zum Eltern sein eben auch dazu.

Annegret Hünerfürst

Geboren in der selben Woche, in der die erste Website online kam - gelernte Diätassistentin und Mutter von zwei Kindern

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