„Peanuts für alle Lebenslagen“ im Modern Graphics Berlin mit Lars von Törne und Naomi Fearn

7. September 2023
4 Minuten gelesen

Warme Sonnenstrahlen erleuchteten die Kastanienallee am Spätsommerabend des vierten Septembers. Während sich hunderte Menschen auf dem Weg zum Abendessen befanden, sammelten sich eine kleine Gruppe vor dem hiesigen Comicladen. Es blieb genügend Zeit, um sich das Angebot des „Modern Graphics“ zu Gemüte zu führen. Doch kurz nach sieben Uhr verschlossen sich dann die Türen der Laufkundschaft für die anstehende Präsentation. Diese 2016 eröffnete Zweigstelle des Berliner Comichändlers liegt mitten im Zentrum der kulinarischen Kultur des Prenzlauer Bergs. Die im kleinen, liebevoll dekorierten und bis unter die Decke mit Comics, Mangas und Graphic Novels gefüllten Laden zu findenden Schätze sind multilingual und durch alle Epochen hinweg breit aufgestellt.

An diesem Abend sollte eine Brücke geschlagen werden, die tagesaktuelle Themen mit dem Wirken und Schaffen eines Kultklassikers verbinden konnte. Die kürzlich beim Reclam Verlag erschienene Ausgabe „Peanuts für alle Lebenslagen“ bot den Anlass. Sie war gleichzeitig Wegbereiter für einen interessanten Ausflug in den Berufsalltag einer umtriebigen Tageszeitungs Comic-Schaffenden.

Ein Treffen unter Freunden

Die beiden in der Szene bekannten Persönlichkeiten Lars von Törne, seinerseits Redakteur und Autor des Bereichs Comics (mit all seinen erdenklichen Facetten), wie auch die seit nunmehr einem halben Jahrzehnt für den Tagesspiegel schreibende und zeichnende Künstlerin Naomi Fearns führten durch den Abend. Eingeleitet und begrüßt wurde das rund 30 Personen große Publikum, das sich im schmalen Gang des Ladens nebeneinander aufgereiht sitzend, aufgeweckt und neugierig drängte, von den Initiatorinnen des Reclam Verlags der zu besprechenden Ausgabe der Peanuts.

Nebst den Sprechern versammelten sich weitere Persönlichkeiten der Berliner Comic-Szene im Laden in der Kastanienallee. Es fühlte sich wie ein Treffen unter Freunden und gute Bekannten an. Sie brachten sich auf den aktuellen Stand, diskutierten gemachte Urlaubspläne und besprachen anstehende und bereits erschienene Publikationen. Eingerahmt von den Abertausenden und zumeist fantasievollen Geschichten, die dort in den Schränken auf Lesende warteten, waren die Kunst- und Kulturschaffenden ganz nahbar und öffneten ihre Ohren für Fragen und Diskussionen.

So überhörte ich, dass wohl auch schon ein Nachfolgeexemplar für die Universalbibliothek des Reclam Verlags geplant sein solle. Im kommenden Frühling würde demnach die Fortsetzung in „Snoopy für alle Lebenslagen“ auf den Markt kommen. Die nahezu zwei Jahre Vorbereitung, die es brauchte, um die Lizenzen zu erhalten, waren die größte Hürde im Entstehungsprozess. Da diese Angelegenheit nun bereits geklärt sei, kann der Folgeband nun umso schneller erscheinen. Für diese, wie auch für die aktuelle Veröffentlichung „Peanuts für alle Lebenslagen“, würde der an diesem Abend vortragende Lars von Törne das Nachwort schreiben. Diesem Text allein kann man eine Fülle an Informationen zur Rezeption und Entstehung des Werks von Charles M. Schulz entnehmen.

Tagein, tagaus ein Lebensbegleiter

Lars von Törne nahm die Zuhörer mit auf die Reise in die Vergangenheit und die Entstehung der Peanuts. Mit selbst angefertigten Fotografien im Heimatort des Charles M. Schulz, spannenden Querverweisen und viel Charme leitete er durch die Historie. 1950 starteten die bis heute einflussreichsten und ein ganzes Genre definierenden Comic-Strips. Ganze 50 Jahre verarbeitete der alleinige Autor und Zeichner Charles M. Schulz seine Jugend, seine Melancholie, Gruppendynamiken und Witz in wenigen Panels. Die Präzision der Worte und Bilder verleiht den vermeintlich wenigen Bildern und schlichten Figuren eine Strahlkraft, die bis heute anhält. Nicht ohne Grund sind die ikonischen Figuren immer noch auf Babystramplern, in tausenden Souvenirläden und einer Vielzahl von Adaptionen in Cartoon und Film zu finden.

In „Peanuts für alle Lebenslagen“ finden sich eine Auswahl an Comic-Strips aus der Ära der „Classics“. Diese Bezeichnung meint die letzten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts der Peanuts. Die Themen mit denen sich Schulz auseinandersetzte sind zeitlos und bieten viel Raum sich persönlich und andere darin zu spiegeln. Nach solch Bereichen wie „Von Liebe, Freundschaft und anderen Katastrophen“ oder „Vom Lob der Gelassenheit“ sortiert, darf man eine exzellent getroffene Auswahl an Comicstrips genießen. Während der Lektüre dieses 127 seitigen Büchleins, kommen eine große Bandbreite an Emotionen und Gedanken auf. Häufig lösen sie sich mit einem Schmunzler, einem Lachen oder einem bedrückenden Gefühl auf.

Nah dran und aktuell

Anders als Charles M. Schulz, dessen Comic-Strips auf bis zu 10 Wochen im Voraus vorbereitet waren, arbeitet die aktuelle Comiczeichnerin des Tagesspiegels Naomi Fearn. Sie berichtete im Laufe der Buchpräsentation von ihrem Arbeitsalltag. Wie sich rausstellt, bedarf es eines hohen kreativen Outputs in wenigen Minuten. Der Ablauf ihrer Arbeit klang, dank ihrer gelassenen Erzählweise nicht all zu drastisch, wenn auch nicht weniger stressig und gelegentlich hektisch. Nach der Lektüre der Tageszeitungen, also der Sammlung einiger Ideen und aktueller Themen, setze sie sich daran eine Auswahl an Skizzen zu erstellen. Die Redaktion des Tagesspiegels entscheide dann, welcher der manchmal bis zu acht eingereichten Strips, in welcher Version der Pointe dann in die Reinzeichnung gehen soll. An manchen Tagen bliebe dann nur eine knappe Stunde zur abgabefertigen Herstellung.

Wie auch die Peanuts haben Naomi Fearns „Berliner Schnuppen“ große Köpfe für eine bessere Verständlichkeit der Mimik. Die dazugehörigen Texte zeigen schmissige Berliner Schnauze, gepaart mit intelligentem Wortwitz. Immer im Bezug zu Gesellschaft, Politik und manch anderen Absurditäten des Berliner Alltags bleibt ein humanistischer und positiver Blick bestehen. Zwischen all der Politik und den wildgewordenen Tieren, die man vor allem in den Sommerlöchern der Medien und Politik immer öfter in Berlin entdeckte, bleibt Naomi Fearn doch Optimistin und bewahrt sich ihre liebenswürdige Perspektive auf das bunte Treiben Berlins.

Diese absolut lesenswerte Ausgabe „Peanuts für alle Lebenslagen“ macht sehr viel Lust auf mehr von den Peanuts. Die damit verbundene Präsentation und die anregenden Fragen des Publikums beweisen außerdem, warum sich das Medium Comic in Bereiche des Lebens erstreckt, die man im ersten Moment nicht wahrnehmen würde. Popkultur, Literatur und Zeichenkunst sind nur die offensichtlichsten darunter. Denn nicht nur dem Eskapismus sind die bebilderten Geschichten dienlich, sie helfen auch so manches Mal einen Gedanken zu greifen, diesen zu reflektieren und das in allen Lebenslagen.

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