Spider-Man – Die Geschichte eines Lebens

19. August 2022
3 Minuten gelesen

Im August 1962 erschien Peter Parker alias Spider-Man zum ersten Mal auf dem Cover eines Comics. Dies war der Start einer nunmehr 60 Jahre alten Ikone des Superhelden-Comics. Jedes Kind kennt Spider-Man und nahezu jeder weiß, wie er zu dem wurde und was ihn ausmacht. Dass diese Figur so bahnbrechend erfolgreich sein sollte, ahnte zu Beginn noch niemand. Spinnen galten und gelten schlichtweg allzu oft als eklige Tiere, die keineswegs Sympathien verdienten.

Doch dass die maßgeblich von Jack Kirby erfundene Figur einmal zur Legende wird, schien vor allem für die Besitzer des noch jungen Verlags MARVEL und dem Heft „Amazing Fantasy“ undenkbar. Stan Lee, die bis heute bekannteste reale Persönlichkeit aus dem Marvel-Kosmos, gilt als Erfinder Spider-Mans. Sein aktives Wirken an den Figuren wird jedoch seit Jahren kritisch hinterfragt. Viel mehr lässt sich den Künstlern Steve Ditko und besagtem Revolutionär ein massiver Einfluss zusprechen. Stilprägend bis in die heutige Zeit sind ihre Zeichnungen gewesen, die auch in aktuellen Filmen immer wieder aufgegriffen werden.

Das bereits 2019 erschienene „Spider-Man – Die Geschichte eines Lebens“ erscheint zum diesjährigen Jubiläum noch einmal bei Panini Comics in einer Deluxe Edition. Darin sind alle sechs Kapitel der „Life Story“ enthalten, sowie ein weiteres bisher auf Deutsch unveröffentlichtes Heft, das alles zusammen in einem großformatigen Hardcover daherkommt. Chip Zdarsky schrieb dieses eindrucksvolle Werk und Mark Bagley zeichnete spielerisch.

Helden ewigen Lebens

Jedes Heft repräsentiert dabei ein Jahrzehnt und bringt seine damit verbundenen Superschurken mit auf den Plan. So beginnt die Geschichte in den 60er-Jahren, Peter Parker ist noch Student. Dieser Comic ist von Anfang an sehr viel realitätsbezogener als so mancher Superhelden-Comic. Peter findet sich inmitten von Studentenprotesten gegen den Vietnam-Krieg und muss sich gegen einen seiner größten Rivalen, Norman Osborn alias Green Goblin, auf mehrheitlich intellektueller Ebene verteidigen.

Im Weiteren werden die wichtigsten Phase des Peter Parkers exemplarisch, wenn auch anders, durchlaufen. Sie erfahren immer eine Einbettung in reelle historische Ereignisse, wie auch Comic-Historie. Der sonst eher diskrete Spagat zwischen Kritik an der Gesellschaft und den Auseinandersetzungen mit Superschurken, in denen sie ihre subtile Kritik zu Themen der Gesellschaft andeuten, kann auf Grund der zeitlichen Distanz zum Ereignis wesentlich konkreter umgesetzt werden. Chip Zdarsky (Steven Murray), der bereits mehrere Eisner-Awards erhielt und auch für die Arbeit an diesem Werk nominiert wurde, schafft es seinen Figuren Tragik einzuhauchen. Die Dialoge lesen sich wie gut geschriebene Theaterstücke. Es ist also nicht verwunderlich, dass Peter Parker durch alle erdenklichen Krisen und Tiefschläge hindurch muss.

With a little help from my friends…

Natürlich wäre eine solche Lebensgeschichte im Superhelden-Comic überhaupt vollständig, würden nicht auch noch eine große Menge Schurken und Freunde auftauchen. Die „Life Story“ begibt sich durch Comic-Events, wie dem 2025 im MCU erscheinenden „Avengers: Secret Wars“, die Klon-Saga, der in den 80er-Jahren folgenden Jagd durch den bald ins MCU einzuführenden Großwildjäger Kraven, dem filmisch bekanntem Civil War und schließlich der Übergabe an die nächste Generation mit Miles Morales. Es passiert also wahnsinnig viel in diesen sechs Kapiteln, das die knackigen Dialoge und schmissigen Bilder Mark Bagleys erzählen.

Der Stil Bagleys ist für viele Comic-Leser wohl eine nostalgische Reise in die Kindheit der 90er und 2000er-Jahre. Denn es war niemand anderes als Herr Bagley, der die bereits angesprochene „Klon-Saga“ in den 90er-Jahren für den Autor David Michelinie illustrierte und mit Autor Brian Michael Bendis den Ultimativen Spider-Man über 11 Jahre als künstlerisches Team prägte. Kein Wunder also, dass man den ikonischen Stil Mark Bagleys sofort mit irgendeiner gelesenen Spider-Man Geschichte verbindet. Für alle Fans seiner Kunst wird es in Zukunft auch spannend bleiben. Wie kürzlich bekanntgegeben wurde, wird Bagley zusammen mit Dan Slott den kommenden Run Spider-Mans übernehmen. Slott ist maßgeblich für die Entwicklung des Spinnenfreundes verantwortlich. Die „One More Day“ Geschichte ist teilweise die Vorlage für „Spider-Man: No Way Home“ und seine Arbeit am „Spiderverse“ diente als Ausgangsmaterial für den allseits beliebten Film „Into The Spider-Verse„. Es lässt sich zukünftig also großes Storytelling im Bagley-Zeichenstil erwarten.

Die Bilder in „Spider-Man – Die Geschichte eines Lebens“ zeigen eine Fusion aus klassischer Golden-Age Stilistik, also Close-ups, starke Emotionen und aktuellen Einflüssen, was Perspektiven, Szenerie, Splashpages und Posen angeht. Die Panelstruktur verhält sich daher eher klassisch, wenn auch gelegentlich schöne künstlerische Kniffe darin zu finden sind. Es fühlt sich einfach von vorn bis hinten wie eine waschechte Spider-Man Geschichte an. Sie liest sich zudem gar nicht gewöhnlich überladen. Die Action ist reduzierter als sonst, da der Fokus weitaus mehr auf den Menschen hinter der Maske liegt. Die Figur Spider-Man erhält mit dieser Geschichte eine sehr eigene, authentisch menschliche Tiefe. Etwas, das man bisher nur in Marvels findet.

Fantastische Fantasie
Wenn man noch nie einen Comic gelesen haben sollte, aber großer Fan der Spider-Man Filme ist, dann sollte man „Spider-Man - Die Geschichte eines Lebens“ auf jeden Fall lesen. Es ist der menschlichste Spider-Man, den man sich vorstellen kann. Zudem führen Chip Zdarsky und Mark Bagley durch die Historie der Figur, als wäre es ein leichtes 60 Jahre Geschichte zusammenzufassen. Der Mehrwert dieser Ausgabe für jeden Spidey-Enthusiasten ist enorm. Für viele Fans ist dies die beste Spider-Man Geschichte, die es bisher gab. Dem kann man sich ganz problemlos anschließen und es dringend weiter empfehlen.
Pro
Ikonische Bilder treffen auf großartige Historie
Eine Übersicht und ausgiebiege Charakterisierung Spider-Mans
Kontra
10

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

1 Kommentar

  1. […] Superhelden sind unsterblich, zumindest vermittelt es den Eindruck. Die oftmals 60 bis 80 Jahre alten Figuren erlebten in ihrer Veröffentlichungsgeschichte viele Wiederbelebungen und Neuinterpretationen. Dass der Reiz, eine vermeintlich unsterbliche, fiktive Figur zu einem Ende zu bringen, groß sein kann, wissen wir nicht erst seit Wolverine „Dead Man Logan“ oder „Spider-Man: Geschichten eines Lebens“. […]

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