Aya und die Hexe

Wer Studio Ghibli hört, denkt sicherlich sofort an „Prinzessin Mononoke“, „Mein Nachbar Totoro“ und natürlich „Chihiros Reise ins Zauberland“. Nachdem der Gründer und prägende Regisseur Hayao Miyazaki 2013 seinen letzten Film selber Regie führte („Wie der Wind sich hebt“), wähnten viele Fans die Ära des Filmstudios beendet. Nach einer jahrelangen Phase der Umstrukturierung und mehreren Gerüchten zur Schließung der Produktion von Filmen haben es doch noch einige Kurzfilme und sogar dieser nun zu besprechende Film „Aya und die Hexe“ auf die Leinwand geschafft. Goro Miyazaki, der Sohn des Gründers Hayao Miyazaki, führte in diesem auf einem Kinderbuch basierenden Film Regie.

Die Handlung

Große Spannung, eine Verfolgungsjagd bei Regen, eine Mutter, die ihr Kind vor einer unbekannten Bedrohung retten will, all das eröffnet diesen Film. Doch nun geht es schnell in eine andere Richtung, denn die Mutter muss ihr Kind „Earwig“ zur Sicherheit vor den Verfolgern in einem Waisenheim abgeben. Dort wäre sie sicher und es gäbe den besten „Sheppards Pie“.

So wird dem Zuschauer schnell vermittelt, dass das Kind einen neuen Namen von der Heimleiterin erhält, nämlich Aya, und dass Aya eine gewiefte Manipulantin und Lügnerin ist. Mit ihrer listigen Art wickelt sie alle dort arbeitenden Menschen um ihren Finger, eine Redensart, derer sie sich selber des Öfteren in diesem Film bemüht.

Doch eines Tages wird auch die sich im Waisenheim wohlfühlende Aya adoptiert. Die ominöse Frau Bella Yaga, die Referenz zur russischen Baba Yaga ist mehr als offensichtlich, und der geheimnisvolle dämonische Mandrakus adoptieren die kleine Aya, um sie bei sich im Haushalt als Haushaltshilfe zu benutzen. Aya stellt schnell fest, dass die zwei tatsächlich eine Hexe und ein Dämon sind, die Aya nur adoptierten, um sie für die Herstellung von Zaubertränken auszunutzen. Als Gehilfin der Bella Yaga verlangt Aya im Gegenzug, dass sie zur Hexe ausgebildet wird.

Als kleiner tierischer Sidekick führt der Film den schwarzen Kater Tomas ein, der von Bella Yaga auch fürchterlich behandelt wird. Er verkriecht sich ständig und meidet die Gegenwart der Hexe gekonnt. Die zwei hecken Pläne aus, mischen Tränke, um den Fängen der Bella Yaga zu entkommen, und freunden sich an.

Aya wird nicht müde, die Hexe Yaga auf ihr „Versprechen“ hinzuweisen und ihr fortan das Leben schwer zu machen. Nach Abschluss ihrer Kritik wird sie zur Strafe von der Hexe Yaga geschlagen, mit der flachen Hand an den Kopf.

Aya lässt sich nicht entmutigen und wagt sich nun an den mürrischen und stillen Mandrakus heran. Sie schafft sich mit ihm eine Vertrauensbasis und scheint sich mit der Situation dieses Lebens im magischen Haus mit der Hexe Yaga und Mandrakus anzufreunden. An dieser Stelle des Films wird das Mysterium des eigentlichen Namens Ayas begonnen, sich zu entmystifizieren. Es werden einige Flashbacks in die Vergangenheit der Yaga und Mandrakus vorgenommen und man erhält eine wage Idee von den einstigen zwischenmenschlichen Beziehungen der „Erwachsenen“ des Haushalts, in dem Aya lebt.

Dann macht der Film einen Zeitsprung und löst noch einige weitere Fragen auf, die die Geschichte zuvor gestellt und im Raum hat stehen lassen.

Der Stil

Dieser Film ist ein vollständig Computer generierter Animationsfilm. Allerdings ist diese Animation bei Weitem nicht das, was man sonst von den Filmen des Studio Ghibli gewohnt ist oder erwartet. Abgesehen von einigen interessanten und liebevoll gestalten Hintergründen und Umgebungen wirken die Figuren tatsächlich allesamt extrem einfach und günstig produziert. Es erinnert stark an eine im Nachmittagsprogramm eines beliebigen Fernsehsenders für Kinder laufende Serie. Die Figuren sind oft einfach designed, haben wenige Oberflächenstruktur in ihrer Kleidung, Haare sind dicke Strähnen mit ein paar Linien darauf, Schatten- und Lichtspiele findet man sehr selten und die Gesichter haben entweder eine extrem grotesk überzeichnete Mimik oder sind langweilig glatt. Ayas Gesichter, die sie vor allem in ihren diabolischen Momenten zieht, sehen zudem teilweise sehr abschreckend fies, gruselig und irgendwie stark deplatziert aus.
Das wohl schönste Stück Animation in diesem Film ist die Hexenküche, die mit ihren vielen Fläschchen, Töpfchen und Zutaten sehr viel Detailliebe präsentiert.

Möglicherweise ist dieser Stil dem Zielpublikum von geschätzten 6-10 Jahren angenehmer und gewohnter beim Zusehen.

Kritik

Angefangen bei der wirklich erschreckend plumpen Handlung, die nahezu sinnlos aufeinanderfolgende Episoden erzählt, über die Hauptfigur Aya, die als unangenehme Manipulantin eiskalt die Menschen ihrer Umgebung benutzt, bis zu den dort gezeigten Stereotypen von Mann und Frau und Erziehung ist dieser Film leider ein sehr abschreckendes und enttäuschendes Exemplar des Hauses Ghibli. Vom Stil der Animation soll an dieser Stelle gar nicht erst begonnen werden, es ist ja schließlich eine Sache des Geschmacks.

Die Geschichte beginnt und endet in derselben Art, unvermittelt und ohne Erklärung. Die Mutter verschwindet und taucht auf, ohne dass irgendeine Rechtfertigung oder genauere Erläuterung gebraucht wird. Man erfährt zwar, warum sie verschwindet, allerdings bleibt es genau dabei. Es wird nur gesagt, nichts damit getan und man kann sich weitere Fragen stellen, die das Plot-Device (ein Objekt/Umstand, der die Handlung vorantreiben soll) noch weniger logisch erscheinen lassen.

Die Figur Aya wird sehr schnell als unbarmherzige und doch emotional unterkühlte Person eingeführt, die sich ohne mit der Wimper zu zucken und ohne sich umzudrehen von ihren ach so geliebten Freunden und dem Waisenhaus abwendet und ihren neuen Zieheltern folgt. Nur ein Mal im gesamten Film äußert sie, dass sie einen ihrer Freunde wirklich vermisse, in einer Szene, ungefähr 10 Sekunden lang, das war alles. Die Figur Aya soll sicherlich Charakteristika präsentieren, die in der heutigen Zeit wichtig sind: Stärke, Ideenreichtum, Unabhängigkeit und der Wille, sein Ziel zu erreichen. Allerdings schafft der Film es nicht, all diesen Eigenschaften einen liebenswerten Anstrich zu geben. Die Hauptfigur wirkt leider schnell intrigant, hinterlistig und übermäßig egoistisch.

Hinzukommt die Tatsache, dass die Rollenbilder ziemlich überaltert wirken. Der Mann Mandrakus dieser Familie ist mürrisch und lässt sich am Frühstückstisch bedienen, möchte seine Ruhe beim Schreiben seiner Romane und fährt schnell aus der Haut, wenn mal etwas nicht nach seinem Pläsier verläuft. Die Frau Bella Yaga ist chaotisch, unordentlich, aufopfernd, herrisch und lästert über ihre eigenen Kunden. Es scheint, als hätte man die Romanvorlage von 2011 (geschrieben von Diana Wynne Jones) mit aller Kraft versucht, in einen Film zu pressen. Dass die Werke der Autorin gute Vorlagen für Studio Ghibli Filme sein können, ist mit „Das wandelnde Schloss“ eindrucksvoll gelungen. Dieser Film wurde allerdings auch noch vom Meister Hayao Miyazaki selber inszeniert.

Fazit
Es ist ein Kinderfilm, der eine fragwürdige Moral zeigt, mit unspektakulär einfacher Animation umgesetzt wurde und leider nicht viel Tiefe bietet. Die Hauptfigur Aya durchgeht keinerlei charakterliche Entwicklung, sie formt sich ihre Umgebung einfach, wie sie es möchte. Der Soundtrack besteht aus einem Song, den man an verschiedenen Stellen einfach als Hintergrund einspielt. Genau so scheint es um diesen Film, wie eine Wiederholung eines gleichen Musters, das je nach benötigtem Handlungsstrang ein wenig anders präsentiert wird. Es entsteht daher wenig emotionale Bindung zu den Figuren, weil man sie nicht in herausfordernden Situationen wachsen sieht oder einfach in nahbaren Momenten erlebt. Dass der Film auf einem „Happy End“ urplötzlich absetzt und der Abspann anfängt zu laufen, scheint daher an dieser Stelle schon fast irrelevant. Die Filme des Studio Ghibli waren bisher unterhaltsam für große und kleine Kinder. Dieser Film wird wohl allerhöchstens für kleine Kinder spannend sein. Jedoch aufgepasst, was die gezeigten Rollenbilder/Stereotypen angeht, wie auch die psychische/physische Behandlung der Hauptfigur Aya durch ihre Zieheltern. Ist man, was das angeht, sensibel oder möchte solchen Umgang nicht kultivieren, sollte man diesen Film vielleicht meiden. Unglaublich so etwas einmal über einen „Ghibli-Film“ sagen zu können.
Pro
Teilweise detailreiche Animationen.
Kontra
Fragwürdige Rollenbilder, viele Stereotypen und der Animationsstil wirkt billig.
3

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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