Origins

„Origins“ ist eine Graphic Novel, wie man sie sehr selten in den Händen halten kann. Bereits das Cover weckt Neugier und lässt – sowohl hinsichtlich des Settings als auch durch die Illustration – Referenzen zu anderen Werken wach werden.

Ein Autorenteam, bestehend aus Arash Amen, Lee Krieger und Joseph Oxford, hat sich diese Welt erdacht. Der Texter Clay McLeod Chapman hat die Dialoge gesetzt. Die atemberaubenden Zeichnungen wurden vom polnischen Newcomer Jakub Rebelka beigesteuert und von Patricio Delpeche koloriert. Für den Cross Cult Verlag hat es Frank Neubauer übersetzt.
Man mag meinen, viele Köche verderben den Brei. In diesem Fall schufen sie einen absolut überzeugenden und wirklich spannenden Comic One-Shot.

Die Handlung

Beginnend mit einer Rückblende, sehen wir eine vom Menschen verlassene und vollständig von Pflanzen überwachsene Welt. In den Erzählerboxen wird parallel in Form einer Gutenachtgeschichte erzählt, wie der Protagonist gefunden wurde. Die Erzählerin streifte durch die verlassene Welt und fand das menschliche Skelett eines Kindes, woraus sie eine genetische Kopie eines Säuglings erschuf. Dieser wird fortan ihr Schützling sein, er heißt David.

David wächst heran und streift mit seiner Wächterin Chloe durch die lebensfeindliche Welt. Sollte man denken, dass Pflanzen und Tiere dem einzigen Menschen auf Erden nichts anhaben könnten, so irrt man gewaltig. Die Welt, wie sie hierin gezeigt wird, ist bevölkert von einer Schwarmintelligenz aus Nano-Bots, die mit jeder Lebensform symbiotisch leben. Diese Intelligenz wird „das Netzwerk“ genannt. Jede Pflanze ist also potenziell gefährlich, wenn nicht sogar tödlich.

Der Stil

Es wird klar, dass David aus einem Grund auf dieser Erde verweilt. Chloe lädt ihn ein, seine Vergangenheit zu ergründen, indem sie ihm Erinnerungen einführt. Chloe selber ist ein Android und besitzt daher übermenschliche Fähigkeiten (wie eben genannten Upload). David wird sich (wegen des Uploads seiner Vergangenheit und den damit einhergehenden Erinnerungen) bewusst darüber, welche Verantwortung und Aufgabe er nun trägt.

So startet eine Reise durch diese idyllische und gleichzeitig gefährliche Welt, in der die Nano-Technologie zu allen Lebensformen eine Symbiose eingegangen ist. Das Schicksal liegt nun in Davids Händen. Doch kann er der Last der Erinnerungen, den Erwartungen und einer Zukunft gerecht werden?

Dieser One-Shot Comic ist eine absolute Pracht.

Die Zeichnungen zeigen eine immense Bandbreite an Dynamik, Ruhe, Flora und auch Technologie der Kategorie Science-Fiction. Eine feine Gratwanderung, die dem Zeichner Jakub Rebekka und dem Koloristen Patricio Delpeche mit diesem Werk gelungen ist. Traumhaft schöne Panoramen, die ihre Anlehnung an endzeitliche Szenarien (wie aus „Planet der Affen“) in schönem Look präsentieren. Massive Pflanzen, zugewachsene Häuser und das Gefühl eines Dschungels, der ebenso symbiotisch lebt wie die Bewohner. Denn auch die Roboter und Drohnen sehen mehr als überzeugend aus. Es scheinen mehrere Designs angefertigt worden sein, denn kaum ein Roboter ähnelt dem vorigen.

Der Stil lässt sich in einigen Zügen mit dem aus „Something is killing the Children“ vergleichen. Harte Linien, ausladende Outlines, die manchmal mit viel Schwung und Energie gezeichnet aussehen, schmücken viele Seiten. Doch auch zarte Momente und weiche Formen lassen sich sowohl an Menschen als auch an der Technologie erkennen. Zudem passen die Bildausschnitte sehr gut in den Erzählfluss und geben noch einen erheblichen Teil Atmosphäre dazu. Das mehrfache Aufkommen religiöser Symboliken wird auch in den Bildern repräsentiert. Dies wirkt jedoch manchmal (von der Bildsprache passend) zu sehr gewollt als gekonnt. Allein wegen des großartigen Artworks lohnt es sich, dieses kleinformatige Hardcover zu lesen und zu bestaunen.

Fazit
Anfänglich ein wenig sperrig (bzw. benötigt es anfangs vielleicht ein wenig Zeit, um sich in der Welt zurechtzufinden), entwickelt sich „Origins“ zum Ende hin zu einer wahrlich schönen Geschichte. Dieser Titel ist trotz (möglicherweise sogar wegen) der vielen Autoren sehr präzise in seinen Dialogen, aufmerksam im Umgang mit der Bildwirkung und erzählt eine Geschichte, wie sie zeitgemäßer nicht sein kann. Eine definitive Empfehlung für Endzeit-Fans und Hobby-Philosophen über die großen Fragen zu den Themen Identität, Autonomie und Schuld.
Pro
Trotz (möglicherweise sogar wegen) der vielen Autoren sehr präzise in seinen Dialogen und aufmerksam im Umgang mit der Bildwirkung. "Origins" erzählt eine Geschichte, wie sie zeitgemäßer nicht sein kann. Auch wegen des großartigen Artworks lohnt es sich, dieses kleinformatige Hardcover zu lesen und zu bestaunen.
Kontra
Kleinigkeiten; es wäre Meckern auf sehr hohem Niveau.
10

Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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