Die Unheimlichen: Der Schatten

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Carlsen startete mit der Reihe „Die Unheimlichen“ eine Sammlung klassischer und moderner Schauergeschichten. Dabei lässt die Comiczeichnerin Isabel Kreitz unterschiedlichste Werke der (Grusel-)Literatur von den besten Zeichnern Deutschlands als Graphic Novels umsetzen.

Die Geschichte „Der Schatten“ wurde 1846/47 von Hans Christian Andersen verfasst und von Aike Arndt im Rahmen dieser Reihe als Band 9 im kleinen Hardcover-Format neu interpretiert.

Die Handlung

Ein angesehener Autor, dessen Bücher sich mit „dem guten Leben“ auseinandersetzen, geht nach Abschluss seiner letzten Tour für sein aktuelles Werk in den Urlaub. Dort lässt er sich von der Atmosphäre der mediterranen Stadt verzaubern.
Eines Tages hört er eine Melodie aus einer der Gassen dringen und folgt dieser. Er wird nicht fündig und kehrt in sein Zimmer zurück.

Dort angekommen, beobachtet er des Abends eine Gestalt auf der anderen Seite seines Balkons. Aus der Wohnung der weiblich dargestellten Figur dringt die gehörte Melodie.
Die namenlose Figur verbringt einen spaßigen Abend in einer Gastronomie und kehrt müde zurück. Nun steht er auf seinem Balkon und betrachtet die geschlossenen Fensterläden der Frau auf der anderen Seite der Straße. Er stellt sich die Frage, wer dort wohl wohnte.

„Schau doch mal, wer da drüben wohnt und berichte mir morgen!“

Der Schatten, Carlsen

Dies gibt er seinem Schatten als Aufgabe und sein Wunsch wird wahr. Sein Schatten schleicht sich davon und wird von der mystischen Gestalt auf der anderen Seite der Straße entführt.

Er wacht am nächsten Morgen auf und ist nicht mehr derselbe. Der Kellner fragt ihn, ob es ihm gut gehe, er sähe so blass aus. Tatsächlich hat er plötzlich keinen Schatten mehr, gar keine Schattenseiten.

Die Geschichte geht von dort an in größeren Zeitsprüngen weiter. Sie erzählt den tragischen Lebensweg des von da an inspirationslosen und auch erfolglosen Autors. Dieser wird noch zweimal auf seinen Schatten treffen.

Sein Schatten hat sich bereits einen eigenen Körper erschaffen, sieht sehr futuristisch aus und hat ganz eigene Motive.

Das Setting dieser Kurzgeschichte spielt mit Ängsten zur zukünftigen Welt, in der man sich manchmal allein oder als Einzelgänger fühlen kann. Die zugrunde liegende Frage dreht sich um die Themen: Was bist du, wenn dein Schatten auf einmal nicht mehr ist? Wer bist du und was willst du sein? Ist man ohne Schatten, also die vermeintlichen dunklen Aspekte, noch genau derselbe? Und was bleibt übrig, wenn man trotz allen Lichts, das einen trifft, kein Abbild und nichts anderes zurücklässt?

Der Stil

Die Graphic Novel ist hauptsächlich in einem schwarz-weißen Stil mit zeichnerischen Anleihen an Cartoons illustriert. Die einzige Farbe, die man findet, ist der blaugraue Ton, den man bereits auf dem Cover sehen kann.

Die Zeichnungen sind simpel, rundlich, schon fast knuffig. Der Charakter einer Schauergeschichte spiegelt sich leider in dieser Stilistik nicht sehr gut. Die erzeugte Atmosphäre kommt daher nicht so zur vollen Wirkung.

Interessant umgesetzt ist die Hauptfigur, die nach ihrer Transformation nur noch eine blasse Hülle und eine aus Outlines bestehende Figur ist.

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Fazit
„Der Schatten“ ist eine kleine Lektüre für kurze Wege, ein kleines Intermezzo zwischen all den sonst so aufgeregten Medien. Leider kommt die Atmosphäre nicht zu all ihrer Wirkung. Die Fragen, die sich hieraus entspinnen, wirken (in Zeiten der Selbstoptimierung, der Ratgeber-Bücher und der unendlichen Vervielfältigung seines Selbst durch soziale Medien), als wären sie noch nicht abschließend geklärt. Das Konzept Identität und Selbstwirksamkeit befindet sich gerade in diesen Zeiten schwer im Wandel. Es scheint zwar eine offenere Kultur für eben solche psychologischen Themen und Identitätsfragen zu bestehen. Doch ist dies wirklich so? Oder versuchen wir vielleicht alle bloß zwanghaft einen Schatten zu werfen?
Pro
"Der Schatten" ist eine kleine Lektüre für kurze Wege, ein kleines Intermezzo zwischen all den sonst so aufgeregten Medien.
Kontra
Der Charakter einer Schauergeschichte spiegelt sich leider in dieser Stilistik nicht sehr gut. Die erzeugte Atmosphäre kommt daher nicht zur vollen Wirkung.
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Lars Hünerfürst

Minimalistisch und musikalischer Comic Enthusiast - lief zu Fuß von Berlin nach Paris.

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